Der Ast, der erst von ungefehr nach uns, denn von uns weg sich strecket, Jst noch, zum Ueberfluß, mit Mooß, als wie ein weicher Sammt, bedecket. Zween Eich-Bäum' stehen an dem Eingang, die sieht man dergestalt umschlänget Vom schlanken Caprifolio, daß man nicht gnug bewundern kann, Wie das sonst weich' und schwache Holz sich in den Stamm hineingedränget Noch mehr als zwey Quer-Finger tief. Man sieht hier, mit Bewundern, an, Wie das viel schwächere das starke, zuweilen mächtig, zu bezwingen. Es kam dieß, was ich sahe, mir, Von Handlungen auch unter Menschen, als ein belehrend Sinnbild für: Da nemlich öfters zarte Frauen selbst Helden zum Gehor- sam bringen.
Um mich an diesem holden Ort um desto mehr noch zu ergetzen, Ließ ich hier einen kleinen Tisch, zum Schreiben, in der Mitte setzen, Um, in der Einsamkeit, darauf die Schönheit, die wir hier erblicken, Mit Lust und Andacht, abzuschildern, und, GOtt zu Ehren, auszudrücken.
La
Zum Walde.
Der Aſt, der erſt von ungefehr nach uns, denn von uns weg ſich ſtrecket, Jſt noch, zum Ueberfluß, mit Mooß, als wie ein weicher Sammt, bedecket. Zween Eich-Baͤum’ ſtehen an dem Eingang, die ſieht man dergeſtalt umſchlaͤnget Vom ſchlanken Caprifolio, daß man nicht gnug bewundern kann, Wie das ſonſt weich’ und ſchwache Holz ſich in den Stamm hineingedraͤnget Noch mehr als zwey Quer-Finger tief. Man ſieht hier, mit Bewundern, an, Wie das viel ſchwaͤchere das ſtarke, zuweilen maͤchtig, zu bezwingen. Es kam dieß, was ich ſahe, mir, Von Handlungen auch unter Menſchen, als ein belehrend Sinnbild fuͤr: Da nemlich oͤfters zarte Frauen ſelbſt Helden zum Gehor- ſam bringen.
Um mich an dieſem holden Ort um deſto mehr noch zu ergetzen, Ließ ich hier einen kleinen Tiſch, zum Schreiben, in der Mitte ſetzen, Um, in der Einſamkeit, darauf die Schoͤnheit, die wir hier erblicken, Mit Luſt und Andacht, abzuſchildern, und, GOtt zu Ehren, auszudruͤcken.
La
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0374"n="356"/><fwplace="top"type="header">Zum Walde.</fw><lb/><lgn="2"><l>Der Aſt, der erſt von ungefehr nach uns, denn von uns</l><lb/><l><hirendition="#et">weg ſich ſtrecket,</hi></l><lb/><l>Jſt noch, zum Ueberfluß, mit Mooß, als wie ein weicher</l><lb/><l><hirendition="#et">Sammt, bedecket.</hi></l><lb/><l>Zween Eich-Baͤum’ſtehen an dem Eingang, die ſieht man</l><lb/><l><hirendition="#et">dergeſtalt umſchlaͤnget</hi></l><lb/><l>Vom ſchlanken <hirendition="#aq">Caprifolio,</hi> daß man nicht gnug bewundern</l><lb/><l><hirendition="#et">kann,</hi></l><lb/><l>Wie das ſonſt weich’ und ſchwache Holz ſich in den Stamm</l><lb/><l><hirendition="#et">hineingedraͤnget</hi></l><lb/><l>Noch mehr als zwey Quer-Finger tief. Man ſieht hier,</l><lb/><l><hirendition="#et">mit Bewundern, an,</hi></l><lb/><l>Wie das viel ſchwaͤchere das ſtarke, zuweilen maͤchtig, zu</l><lb/><l><hirendition="#et">bezwingen.</hi></l><lb/><l>Es kam dieß, was ich ſahe, mir,</l><lb/><l>Von Handlungen auch unter Menſchen, als ein belehrend</l><lb/><l><hirendition="#et">Sinnbild fuͤr:</hi></l><lb/><l>Da nemlich oͤfters zarte Frauen ſelbſt Helden zum Gehor-</l><lb/><l><hirendition="#et">ſam bringen.</hi></l></lg><lb/><lgn="3"><l>Um mich an dieſem holden Ort um deſto mehr noch zu</l><lb/><l><hirendition="#et">ergetzen,</hi></l><lb/><l>Ließ ich hier einen kleinen Tiſch, zum Schreiben, in der</l><lb/><l><hirendition="#et">Mitte ſetzen,</hi></l><lb/><l>Um, in der Einſamkeit, darauf die Schoͤnheit, die wir hier</l><lb/><l><hirendition="#et">erblicken,</hi></l><lb/><l>Mit Luſt und Andacht, abzuſchildern, und, GOtt zu Ehren,</l><lb/><l><hirendition="#et">auszudruͤcken.</hi></l></lg></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">La</hi></fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[356/0374]
Zum Walde.
Der Aſt, der erſt von ungefehr nach uns, denn von uns
weg ſich ſtrecket,
Jſt noch, zum Ueberfluß, mit Mooß, als wie ein weicher
Sammt, bedecket.
Zween Eich-Baͤum’ ſtehen an dem Eingang, die ſieht man
dergeſtalt umſchlaͤnget
Vom ſchlanken Caprifolio, daß man nicht gnug bewundern
kann,
Wie das ſonſt weich’ und ſchwache Holz ſich in den Stamm
hineingedraͤnget
Noch mehr als zwey Quer-Finger tief. Man ſieht hier,
mit Bewundern, an,
Wie das viel ſchwaͤchere das ſtarke, zuweilen maͤchtig, zu
bezwingen.
Es kam dieß, was ich ſahe, mir,
Von Handlungen auch unter Menſchen, als ein belehrend
Sinnbild fuͤr:
Da nemlich oͤfters zarte Frauen ſelbſt Helden zum Gehor-
ſam bringen.
Um mich an dieſem holden Ort um deſto mehr noch zu
ergetzen,
Ließ ich hier einen kleinen Tiſch, zum Schreiben, in der
Mitte ſetzen,
Um, in der Einſamkeit, darauf die Schoͤnheit, die wir hier
erblicken,
Mit Luſt und Andacht, abzuſchildern, und, GOtt zu Ehren,
auszudruͤcken.
La
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/374>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.