Wie jüngst von einem Rosen-Busch ich eine frische Rose brach, Die der gefallne Thau noch netzte, Und sie mir den Geruch und Blick, durch ihren Duft und Schmuck, ergetzte; So dacht' ich beyden weiter nach. Es gaben der Geruch und ihrer Farben Schein Mir folgende Gedanken ein:
Es scheint fast auf der Welt kein Cörper zugeschickt, Und welchem solche' Schönheit eigen, Das schöne Licht so schön zu zeigen, Als wie man an der Ros' erblickt, Jndem in solcher Lieblichkeit, Jn solcher Vollenkommenheit, Die Röhte sich darauf so süß gemenget findet, Daß sie, fast selbst die Unaufmerksamkeit, Zum Denken und zur Lust verbindet.
Wie ich sie nun hierauf vor meine Nase hielte, Und mich gerührt, von ihrem Balsam, fühlte; Erwog ich, wie es doch geschehe, Daß solche Lust in uns entstehe! Es kam mir vor, als ob der trockne Saft, Und die so süß in ihr vereinte Kraft, Gerad' in unser Hirn nicht eile, Nein, daß dieselbe sich zertheile, Und mit dem Athem auch sich zu der Lunge führe, Einfolglich uns gedoppelt rühre.
Es
Zufaͤllige Roſen-Gedanken.
Wie juͤngſt von einem Roſen-Buſch ich eine friſche Roſe brach, Die der gefallne Thau noch netzte, Und ſie mir den Geruch und Blick, durch ihren Duft und Schmuck, ergetzte; So dacht’ ich beyden weiter nach. Es gaben der Geruch und ihrer Farben Schein Mir folgende Gedanken ein:
Es ſcheint faſt auf der Welt kein Coͤrper zugeſchickt, Und welchem ſolche’ Schoͤnheit eigen, Das ſchoͤne Licht ſo ſchoͤn zu zeigen, Als wie man an der Roſ’ erblickt, Jndem in ſolcher Lieblichkeit, Jn ſolcher Vollenkommenheit, Die Roͤhte ſich darauf ſo ſuͤß gemenget findet, Daß ſie, faſt ſelbſt die Unaufmerkſamkeit, Zum Denken und zur Luſt verbindet.
Wie ich ſie nun hierauf vor meine Naſe hielte, Und mich geruͤhrt, von ihrem Balſam, fuͤhlte; Erwog ich, wie es doch geſchehe, Daß ſolche Luſt in uns entſtehe! Es kam mir vor, als ob der trockne Saft, Und die ſo ſuͤß in ihr vereinte Kraft, Gerad’ in unſer Hirn nicht eile, Nein, daß dieſelbe ſich zertheile, Und mit dem Athem auch ſich zu der Lunge fuͤhre, Einfolglich uns gedoppelt ruͤhre.
Es
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Zufaͤllige Roſen-Gedanken.
Wie juͤngſt von einem Roſen-Buſch ich eine friſche Roſe
brach,
Die der gefallne Thau noch netzte,
Und ſie mir den Geruch und Blick, durch ihren Duft und
Schmuck, ergetzte;
So dacht’ ich beyden weiter nach.
Es gaben der Geruch und ihrer Farben Schein
Mir folgende Gedanken ein:
Es ſcheint faſt auf der Welt kein Coͤrper zugeſchickt,
Und welchem ſolche’ Schoͤnheit eigen,
Das ſchoͤne Licht ſo ſchoͤn zu zeigen,
Als wie man an der Roſ’ erblickt,
Jndem in ſolcher Lieblichkeit,
Jn ſolcher Vollenkommenheit,
Die Roͤhte ſich darauf ſo ſuͤß gemenget findet,
Daß ſie, faſt ſelbſt die Unaufmerkſamkeit,
Zum Denken und zur Luſt verbindet.
Wie ich ſie nun hierauf vor meine Naſe hielte,
Und mich geruͤhrt, von ihrem Balſam, fuͤhlte;
Erwog ich, wie es doch geſchehe,
Daß ſolche Luſt in uns entſtehe!
Es kam mir vor, als ob der trockne Saft,
Und die ſo ſuͤß in ihr vereinte Kraft,
Gerad’ in unſer Hirn nicht eile,
Nein, daß dieſelbe ſich zertheile,
Und mit dem Athem auch ſich zu der Lunge fuͤhre,
Einfolglich uns gedoppelt ruͤhre.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/174>, abgerufen am 24.11.2024.
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