Lüsternheit das sinnliche und vernünftige Vergnü- gen, welches sie als gegenwärtig empfinden und ge- niessen könnten, sondern vergessen auch die Pflich- ten der Dankbarkeit, die sie der ewigen Liebe für so mannigfaltige Gabe schuldig sind.
Jch kann nicht umhin, hier die Rede des Epicte- tus, die ihm zur Ehre und denen meisten Menschen zur Beschämung gereichet, so wie sie der Herr Rol- lin anführet, herzusetzen. "Wenn der Mensch, "saget der heidnische Weltweise, einige Regung "von Ehre und Dankbarkeit hätte: So würde al- "les, was er in der Natur siehet, alles, was er in "sich selbst spüret, ihm eine beständige Ursache zum "Lobe, zur Erkenntlichkeit und zur Dankbarkeit "seyn. Das Kraut auf dem Felde, welches zu sei- "ner Nahrung den Thieren Milch verleihet, die "Wolle dieser Thiere, welche ihm seine Kleider "verschafft, sollte ihn mit Verwunderung anfüllen. "Wenn er den Pflugschaar die Erdklösse zermal- "men, zerreiben und eine lange Furche ziehen sieht, "um die Saat einzunehmen: So sollte er ausru- "fen: Wie groß ist GOtt, wie gütig ist er, daß "er uns alle die zum Ackerbau nöhtigen Werkzeuge "verschaffet! Wenn er sich selbst zur Tafel setzet zu "essen: So sollte ihn alles an Gott erinnern und "seine Erkenntlichkeit erneuern. Er hat mir, "sollte er sagen, Hände, die Nahrung zu ergreifen,
"Zähne,
Vorbericht.
Luͤſternheit das ſinnliche und vernuͤnftige Vergnuͤ- gen, welches ſie als gegenwaͤrtig empfinden und ge- nieſſen koͤnnten, ſondern vergeſſen auch die Pflich- ten der Dankbarkeit, die ſie der ewigen Liebe fuͤr ſo mannigfaltige Gabe ſchuldig ſind.
Jch kann nicht umhin, hier die Rede des Epicte- tus, die ihm zur Ehre und denen meiſten Menſchen zur Beſchaͤmung gereichet, ſo wie ſie der Herr Rol- lin anfuͤhret, herzuſetzen. “Wenn der Menſch, „ſaget der heidniſche Weltweiſe, einige Regung „von Ehre und Dankbarkeit haͤtte: So wuͤrde al- „les, was er in der Natur ſiehet, alles, was er in „ſich ſelbſt ſpuͤret, ihm eine beſtaͤndige Urſache zum „Lobe, zur Erkenntlichkeit und zur Dankbarkeit „ſeyn. Das Kraut auf dem Felde, welches zu ſei- „ner Nahrung den Thieren Milch verleihet, die „Wolle dieſer Thiere, welche ihm ſeine Kleider „verſchafft, ſollte ihn mit Verwunderung anfuͤllen. „Wenn er den Pflugſchaar die Erdkloͤſſe zermal- „men, zerreiben und eine lange Furche ziehen ſieht, „um die Saat einzunehmen: So ſollte er ausru- „fen: Wie groß iſt GOtt, wie guͤtig iſt er, daß „er uns alle die zum Ackerbau noͤhtigen Werkzeuge „verſchaffet! Wenn er ſich ſelbſt zur Tafel ſetzet zu „eſſen: So ſollte ihn alles an Gott erinnern und „ſeine Erkenntlichkeit erneuern. Er hat mir, „ſollte er ſagen, Haͤnde, die Nahrung zu ergreifen,
„Zaͤhne,
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[0012]
Vorbericht.
Luͤſternheit das ſinnliche und vernuͤnftige Vergnuͤ-
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ten der Dankbarkeit, die ſie der ewigen Liebe fuͤr
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Jch kann nicht umhin, hier die Rede des Epicte-
tus, die ihm zur Ehre und denen meiſten Menſchen
zur Beſchaͤmung gereichet, ſo wie ſie der Herr Rol-
lin anfuͤhret, herzuſetzen. “Wenn der Menſch,
„ſaget der heidniſche Weltweiſe, einige Regung
„von Ehre und Dankbarkeit haͤtte: So wuͤrde al-
„les, was er in der Natur ſiehet, alles, was er in
„ſich ſelbſt ſpuͤret, ihm eine beſtaͤndige Urſache zum
„Lobe, zur Erkenntlichkeit und zur Dankbarkeit
„ſeyn. Das Kraut auf dem Felde, welches zu ſei-
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„Wolle dieſer Thiere, welche ihm ſeine Kleider
„verſchafft, ſollte ihn mit Verwunderung anfuͤllen.
„Wenn er den Pflugſchaar die Erdkloͤſſe zermal-
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„um die Saat einzunehmen: So ſollte er ausru-
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„Zaͤhne,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/12>, abgerufen am 21.11.2024.
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