Der Primulen gebrochner Schimmer, die neben den Aurickeln schön, Jn einer angenehmen Mischung, von ungezählten Farben, stehn!
Ein süsser Glanz bedeckte sie, ein buntes Feuer glimmt in ihnen, So daß sie mehr in feurigem, als in gefärbtem, Schimmer schienen. Durchleuchtig war ihr bunter Körper, wodurch das Licht so lieblich fiel, Es glich fast einer bunten Lohe, und dennoch ist ihr Körper kühl.
Jndem ich diesen bunten Glanz beschaue, sah ich, mit Ergetzen, Ein kleines zahmes Vögelchen sich auf das Glas voll Blu- men setzen, Es drehte seinen kleinen Kopf; es hüpfte, freute sich, und sprang Von einer Blum auf eine andre; sein lieblich schwitzernder Gesang Schien Lust und Dank zugleich zu zeigen. Es fand der Blu- men Pracht so schön; Es schien, es kunnte sich an sie, mit Lust, nicht satt, nicht müde sehn.
Sein kleines Schnäblein hackt' und pickte, jedoch so sanfte hier und dar, Daß weder an dem Stiel noch Blume, nichts, so versehrt, zu sehen war.
Jch dachte: Kann der Blumen Prangen so gar auch un- verständgen Thieren Den lang nicht so vollkommnen Geist, als unsrer ist, durchs Auge, rühren: So sollten Menschen ja wohl billig der Unempfindlichkeit sich schämen,
Und
D 4
Der gefluͤgelte Lehrer.
Der Primulen gebrochner Schim̃er, die neben den Aurickeln ſchoͤn, Jn einer angenehmen Miſchung, von ungezaͤhlten Farben, ſtehn!
Ein ſuͤſſer Glanz bedeckte ſie, ein buntes Feuer glimmt in ihnen, So daß ſie mehr in feurigem, als in gefaͤrbtem, Schimmer ſchienen. Durchleuchtig war ihr bunter Koͤrper, wodurch das Licht ſo lieblich fiel, Es glich faſt einer bunten Lohe, und dennoch iſt ihr Koͤrper kuͤhl.
Jndem ich dieſen bunten Glanz beſchaue, ſah ich, mit Ergetzen, Ein kleines zahmes Voͤgelchen ſich auf das Glas voll Blu- men ſetzen, Es drehte ſeinen kleinen Kopf; es huͤpfte, freute ſich, und ſprang Von einer Blum auf eine andre; ſein lieblich ſchwitzernder Geſang Schien Luſt und Dank zugleich zu zeigen. Es fand der Blu- men Pracht ſo ſchoͤn; Es ſchien, es kunnte ſich an ſie, mit Luſt, nicht ſatt, nicht muͤde ſehn.
Sein kleines Schnaͤblein hackt’ und pickte, jedoch ſo ſanfte hier und dar, Daß weder an dem Stiel noch Blume, nichts, ſo verſehrt, zu ſehen war.
Jch dachte: Kann der Blumen Prangen ſo gar auch un- verſtaͤndgen Thieren Den lang nicht ſo vollkommnen Geiſt, als unſrer iſt, durchs Auge, ruͤhren: So ſollten Menſchen ja wohl billig der Unempfindlichkeit ſich ſchaͤmen,
Und
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Der gefluͤgelte Lehrer.
Der Primulen gebrochner Schim̃er, die neben den Aurickeln ſchoͤn,
Jn einer angenehmen Miſchung, von ungezaͤhlten Farben, ſtehn!
Ein ſuͤſſer Glanz bedeckte ſie, ein buntes Feuer glimmt in
ihnen,
So daß ſie mehr in feurigem, als in gefaͤrbtem, Schimmer
ſchienen.
Durchleuchtig war ihr bunter Koͤrper, wodurch das Licht ſo
lieblich fiel,
Es glich faſt einer bunten Lohe, und dennoch iſt ihr Koͤrper kuͤhl.
Jndem ich dieſen bunten Glanz beſchaue, ſah ich, mit Ergetzen,
Ein kleines zahmes Voͤgelchen ſich auf das Glas voll Blu-
men ſetzen,
Es drehte ſeinen kleinen Kopf; es huͤpfte, freute ſich, und ſprang
Von einer Blum auf eine andre; ſein lieblich ſchwitzernder
Geſang
Schien Luſt und Dank zugleich zu zeigen. Es fand der Blu-
men Pracht ſo ſchoͤn;
Es ſchien, es kunnte ſich an ſie, mit Luſt, nicht ſatt, nicht muͤde
ſehn.
Sein kleines Schnaͤblein hackt’ und pickte, jedoch ſo ſanfte
hier und dar,
Daß weder an dem Stiel noch Blume, nichts, ſo verſehrt, zu
ſehen war.
Jch dachte: Kann der Blumen Prangen ſo gar auch un-
verſtaͤndgen Thieren
Den lang nicht ſo vollkommnen Geiſt, als unſrer iſt, durchs
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/79>, abgerufen am 04.12.2024.
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