I. Um zu einem vernünftigen Gottesdienst or- dentlich zu gelangen; ist die erste unserer Pflich- ten, uns gründlich zu überführen, daß wir selbst keine Ursache unsers Wesens seyn.
Dieß ist zwar eine solche Wahrheit, die manchem überflüßig scheinen, Und nicht so nöthig dünken möcht; indem verschiedne Men- schen meynen, Daß dieses keines Zweifels werth: So wird jedoch das klare Licht, Das aus der überzeuglichen Erkenntniß dieses Satzes bricht, Wenn wir uns nur in wahrer Demuth dem Glanz bemühen, nachzuspüren, Uns zu dem Licht, das undurchdringlich, zum Schöpfer, zu der Gottheit führen.
Wie deine Mutter dich empfing, hat man dich etwa da ge- fragt, Ob es dir auch gefiel, aus nichts hervorzutreten, was zu wer- den? Ob es hier oder anderwerts, in Luft, im Wasser, auf der Erden, Ein Fisch, ein Vogel, oder Mensch zu seyn, vor andern dir behagt?
Du sagest, nein, und zwar mit Recht. Doch sprichst du auch vielleicht dabey, Daß deiner Eltern Liebes-Trieb der Ursprung deines We- sens sey. Allein gedenke nur zurück, ob nicht die Eltern so, wie du, Ohn all ihr Wissen oder Willen, und das Geringste nur dazu
Ge-
der Menſchen gegen Gott.
I. Um zu einem vernuͤnftigen Gottesdienſt or- dentlich zu gelangen; iſt die erſte unſerer Pflich- ten, uns gruͤndlich zu uͤberfuͤhren, daß wir ſelbſt keine Urſache unſers Weſens ſeyn.
Dieß iſt zwar eine ſolche Wahrheit, die manchem uͤberfluͤßig ſcheinen, Und nicht ſo noͤthig duͤnken moͤcht; indem verſchiedne Men- ſchen meynen, Daß dieſes keines Zweifels werth: So wird jedoch das klare Licht, Das aus der uͤberzeuglichen Erkenntniß dieſes Satzes bricht, Wenn wir uns nur in wahrer Demuth dem Glanz bemuͤhen, nachzuſpuͤren, Uns zu dem Licht, das undurchdringlich, zum Schoͤpfer, zu der Gottheit fuͤhren.
Wie deine Mutter dich empfing, hat man dich etwa da ge- fragt, Ob es dir auch gefiel, aus nichts hervorzutreten, was zu wer- den? Ob es hier oder anderwerts, in Luft, im Waſſer, auf der Erden, Ein Fiſch, ein Vogel, oder Menſch zu ſeyn, vor andern dir behagt?
Du ſageſt, nein, und zwar mit Recht. Doch ſprichſt du auch vielleicht dabey, Daß deiner Eltern Liebes-Trieb der Urſprung deines We- ſens ſey. Allein gedenke nur zuruͤck, ob nicht die Eltern ſo, wie du, Ohn all ihr Wiſſen oder Willen, und das Geringſte nur dazu
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der Menſchen gegen Gott.
I.
Um zu einem vernuͤnftigen Gottesdienſt or-
dentlich zu gelangen; iſt die erſte unſerer Pflich-
ten, uns gruͤndlich zu uͤberfuͤhren, daß wir ſelbſt
keine Urſache unſers Weſens ſeyn.
Dieß iſt zwar eine ſolche Wahrheit, die manchem uͤberfluͤßig
ſcheinen,
Und nicht ſo noͤthig duͤnken moͤcht; indem verſchiedne Men-
ſchen meynen,
Daß dieſes keines Zweifels werth: So wird jedoch das klare
Licht,
Das aus der uͤberzeuglichen Erkenntniß dieſes Satzes bricht,
Wenn wir uns nur in wahrer Demuth dem Glanz bemuͤhen,
nachzuſpuͤren,
Uns zu dem Licht, das undurchdringlich, zum Schoͤpfer, zu der
Gottheit fuͤhren.
Wie deine Mutter dich empfing, hat man dich etwa da ge-
fragt,
Ob es dir auch gefiel, aus nichts hervorzutreten, was zu wer-
den?
Ob es hier oder anderwerts, in Luft, im Waſſer, auf der Erden,
Ein Fiſch, ein Vogel, oder Menſch zu ſeyn, vor andern dir
behagt?
Du ſageſt, nein, und zwar mit Recht. Doch ſprichſt du
auch vielleicht dabey,
Daß deiner Eltern Liebes-Trieb der Urſprung deines We-
ſens ſey.
Allein gedenke nur zuruͤck, ob nicht die Eltern ſo, wie du,
Ohn all ihr Wiſſen oder Willen, und das Geringſte nur dazu
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/675>, abgerufen am 21.11.2024.
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