Erzitterte. Bald hier bald dort zerborsten Mauren; Fenster, Riegel Zersprangen; in den Lüften flogen; es stürzten abgerißne Ziegel Zerschmettert überall herab. Denn, ob man gleich an diesem Ort Der schweren Winde wohl gewohnt: So hatte doch der wil- de Nord, Bey Menschen Denken, nie so stark, so gar entsetzlich stark ge- stürmet.
Hiedurch nun ward, zu gleicher Zeit, durch der gepreßten Lüfte Wuth, Des Meeres, und durch dessen Wellen der angehäuften Elbe Fluth, Mit wildem Wallen aufgebracht, und so erschrecklich aufge- thürmet, Daß es den allerhöchsten Teichen, in einem schon geraden Striche, Zum Schrecken unsers ganzen Landes, beschaumt, bereits an Höhe gliche, Und einen schnellen Untergang dem Lande, Vieh und Menschen droht, Da band, mit meiner eigenen, sich eine allgemeine Noth.
Wie mir an diesem trüben Tage dabey zu Muthe sey ge- wesen, Wird jeder deutlicher gedenken, als ers verlangen kann zu lesen. Mein Geist, der sich bald auf dem schon beschäumt-und über- strömten Rand, Des Landteichs, der zu weichen drohte, bald um Belisens Sarg befand, War, wie man leichtlich glauben wird, fast ganz aus seinem Gleichgewicht. Der bittre Gram, die schwarze Furcht, der Winde nicht er- träglich Sausen,
Die
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Gedanken uͤber den Tod der Beliſe.
Erzitterte. Bald hier bald dort zerborſten Mauren; Fenſter, Riegel Zerſprangen; in den Luͤften flogen; es ſtuͤrzten abgerißne Ziegel Zerſchmettert uͤberall herab. Denn, ob man gleich an dieſem Ort Der ſchweren Winde wohl gewohnt: So hatte doch der wil- de Nord, Bey Menſchen Denken, nie ſo ſtark, ſo gar entſetzlich ſtark ge- ſtuͤrmet.
Hiedurch nun ward, zu gleicher Zeit, durch der gepreßten Luͤfte Wuth, Des Meeres, und durch deſſen Wellen der angehaͤuften Elbe Fluth, Mit wildem Wallen aufgebracht, und ſo erſchrecklich aufge- thuͤrmet, Daß es den allerhoͤchſten Teichen, in einem ſchon geraden Striche, Zum Schrecken unſers ganzen Landes, beſchaumt, bereits an Hoͤhe gliche, Und einen ſchnellen Untergang dem Lande, Vieh und Menſchen droht, Da band, mit meiner eigenen, ſich eine allgemeine Noth.
Wie mir an dieſem truͤben Tage dabey zu Muthe ſey ge- weſen, Wird jeder deutlicher gedenken, als ers verlangen kann zu leſen. Mein Geiſt, der ſich bald auf dem ſchon beſchaͤumt-und uͤber- ſtroͤmten Rand, Des Landteichs, der zu weichen drohte, bald um Beliſens Sarg befand, War, wie man leichtlich glauben wird, faſt ganz aus ſeinem Gleichgewicht. Der bittre Gram, die ſchwarze Furcht, der Winde nicht er- traͤglich Sauſen,
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Gedanken uͤber den Tod der Beliſe.
Erzitterte. Bald hier bald dort zerborſten Mauren; Fenſter,
Riegel
Zerſprangen; in den Luͤften flogen; es ſtuͤrzten abgerißne Ziegel
Zerſchmettert uͤberall herab. Denn, ob man gleich an dieſem Ort
Der ſchweren Winde wohl gewohnt: So hatte doch der wil-
de Nord,
Bey Menſchen Denken, nie ſo ſtark, ſo gar entſetzlich ſtark ge-
ſtuͤrmet.
Hiedurch nun ward, zu gleicher Zeit, durch der gepreßten
Luͤfte Wuth,
Des Meeres, und durch deſſen Wellen der angehaͤuften Elbe Fluth,
Mit wildem Wallen aufgebracht, und ſo erſchrecklich aufge-
thuͤrmet,
Daß es den allerhoͤchſten Teichen, in einem ſchon geraden
Striche,
Zum Schrecken unſers ganzen Landes, beſchaumt, bereits an
Hoͤhe gliche,
Und einen ſchnellen Untergang dem Lande, Vieh und Menſchen
droht,
Da band, mit meiner eigenen, ſich eine allgemeine Noth.
Wie mir an dieſem truͤben Tage dabey zu Muthe ſey ge-
weſen,
Wird jeder deutlicher gedenken, als ers verlangen kann zu leſen.
Mein Geiſt, der ſich bald auf dem ſchon beſchaͤumt-und uͤber-
ſtroͤmten Rand,
Des Landteichs, der zu weichen drohte, bald um Beliſens Sarg
befand,
War, wie man leichtlich glauben wird, faſt ganz aus ſeinem
Gleichgewicht.
Der bittre Gram, die ſchwarze Furcht, der Winde nicht er-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/607>, abgerufen am 25.11.2024.
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