Ohn einen noch vertieftern Eindruck, und inniger Erschütt- rung, nicht, Wenn mein noch jetzt bethränter Mund von diesem herben Falle spricht.
Nach ihrem Tode konnte nichts, so lang ihr Sarg geöffnet stand, Sie täglich noch zu sehn, mir wehren. Da ich, in ihren ern- sten Zügen, Noch Spuren ihres nun Gottlob! schon überstandnen Lei- dens fand, So ich, mit stiller Bitterkeit, und einem kläglichen Vergnügen, Durch immer neue Thränen sah, die oftermals durch ihre Menge, Und der gepreßten runden Tropfen beständig quillendes Ge- dränge, Worin die trüben Blicke schwummen, den bangen Vorwurf mir verdeckten, Und meine Schmerzens-Quell für mich, doch nur auf kurze Zeit, versteckten.
Dieß dauret in den achten Tag. Da ich zum letzten zu ihr kam, Und, mit sich häufendem Betrüben, von ihr den letzten Abschied nahm, Jndem es mir unmöglich war, dem Schluß des Sarges zu- zusehen.
Wie man nun selben wirklich schloß, fing eben ein schon re- ger Sturm, Mit einer nie erhörten Kraft, und so entsetzlich an zu wehen, Daß des von mir bewohnten Schlosses erhabner, fest-und star- ker Thurm
Erzit-
Gedanken uͤber den Tod der Beliſe.
Ohn einen noch vertieftern Eindruck, und inniger Erſchuͤtt- rung, nicht, Wenn mein noch jetzt bethraͤnter Mund von dieſem herben Falle ſpricht.
Nach ihrem Tode konnte nichts, ſo lang ihr Sarg geoͤffnet ſtand, Sie taͤglich noch zu ſehn, mir wehren. Da ich, in ihren ern- ſten Zuͤgen, Noch Spuren ihres nun Gottlob! ſchon uͤberſtandnen Lei- dens fand, So ich, mit ſtiller Bitterkeit, und einem klaͤglichen Vergnuͤgen, Durch immer neue Thraͤnen ſah, die oftermals durch ihre Menge, Und der gepreßten runden Tropfen beſtaͤndig quillendes Ge- draͤnge, Worin die truͤben Blicke ſchwummen, den bangen Vorwurf mir verdeckten, Und meine Schmerzens-Quell fuͤr mich, doch nur auf kurze Zeit, verſteckten.
Dieß dauret in den achten Tag. Da ich zum letzten zu ihr kam, Und, mit ſich haͤufendem Betruͤben, von ihr den letzten Abſchied nahm, Jndem es mir unmoͤglich war, dem Schluß des Sarges zu- zuſehen.
Wie man nun ſelben wirklich ſchloß, fing eben ein ſchon re- ger Sturm, Mit einer nie erhoͤrten Kraft, und ſo entſetzlich an zu wehen, Daß des von mir bewohnten Schloſſes erhabner, feſt-und ſtar- ker Thurm
Erzit-
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Gedanken uͤber den Tod der Beliſe.
Ohn einen noch vertieftern Eindruck, und inniger Erſchuͤtt-
rung, nicht,
Wenn mein noch jetzt bethraͤnter Mund von dieſem herben
Falle ſpricht.
Nach ihrem Tode konnte nichts, ſo lang ihr Sarg geoͤffnet
ſtand,
Sie taͤglich noch zu ſehn, mir wehren. Da ich, in ihren ern-
ſten Zuͤgen,
Noch Spuren ihres nun Gottlob! ſchon uͤberſtandnen Lei-
dens fand,
So ich, mit ſtiller Bitterkeit, und einem klaͤglichen Vergnuͤgen,
Durch immer neue Thraͤnen ſah, die oftermals durch ihre
Menge,
Und der gepreßten runden Tropfen beſtaͤndig quillendes Ge-
draͤnge,
Worin die truͤben Blicke ſchwummen, den bangen Vorwurf
mir verdeckten,
Und meine Schmerzens-Quell fuͤr mich, doch nur auf kurze
Zeit, verſteckten.
Dieß dauret in den achten Tag. Da ich zum letzten zu ihr
kam,
Und, mit ſich haͤufendem Betruͤben, von ihr den letzten Abſchied
nahm,
Jndem es mir unmoͤglich war, dem Schluß des Sarges zu-
zuſehen.
Wie man nun ſelben wirklich ſchloß, fing eben ein ſchon re-
ger Sturm,
Mit einer nie erhoͤrten Kraft, und ſo entſetzlich an zu wehen,
Daß des von mir bewohnten Schloſſes erhabner, feſt-und ſtar-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/606>, abgerufen am 25.11.2024.
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