Jch habe mich gar oft bemüht, durch viele Schlüsse, manche Lehren, Der Gottheit Wesen zu beweisen, und Atheisten zu bekehren, Jch weis, daß viele tausend Bücher zu eben diesem Zweck gemacht.
Allein, nachdem ich dieser Absicht, und dieser Arbeit, nach- gedacht: So deucht mich daß dergleichen Mühe, von minderm Nutzen, als sie scheinet, Ja daß es eine große Wahrheit unleugbar sey, wenn jener meynet: Daß es dem menschlichen Geschlecht zur Schande fast gerei- chen müsse, Durch tausend ausgekünstelte Gedichte, Bücher, Schriften, Schlüsse, Einander das beweisen wollen, was Himmel, Erd und alle Welt, Der Seelen, nicht durch einen Sinn, durch alle, so vor Au- gen stellt, Daß, wer nur menschlich denken will, die Gottheit überall erblicket, Jndem, wofern wir nur das Denken gebührend mit den Sin- nen binden, Und uns nicht selber sinnlos machen, wir dieß unwider- sprechlich finden, Daß er, mit allgemeinen Schriften, sein Wesen deutlich aus- gedrücket.
Wer
Unnuͤtze Muͤhe
Unnuͤtze Muͤhe einen Atheiſten zu bekehren.
Jch habe mich gar oft bemuͤht, durch viele Schluͤſſe, manche Lehren, Der Gottheit Weſen zu beweiſen, und Atheiſten zu bekehren, Jch weis, daß viele tauſend Buͤcher zu eben dieſem Zweck gemacht.
Allein, nachdem ich dieſer Abſicht, und dieſer Arbeit, nach- gedacht: So deucht mich daß dergleichen Muͤhe, von minderm Nutzen, als ſie ſcheinet, Ja daß es eine große Wahrheit unleugbar ſey, wenn jener meynet: Daß es dem menſchlichen Geſchlecht zur Schande faſt gerei- chen muͤſſe, Durch tauſend ausgekuͤnſtelte Gedichte, Buͤcher, Schriften, Schluͤſſe, Einander das beweiſen wollen, was Himmel, Erd und alle Welt, Der Seelen, nicht durch einen Sinn, durch alle, ſo vor Au- gen ſtellt, Daß, wer nur menſchlich denken will, die Gottheit uͤberall erblicket, Jndem, wofern wir nur das Denken gebuͤhrend mit den Sin- nen binden, Und uns nicht ſelber ſinnlos machen, wir dieß unwider- ſprechlich finden, Daß er, mit allgemeinen Schriften, ſein Weſen deutlich aus- gedruͤcket.
Wer
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[514/0538]
Unnuͤtze Muͤhe
Unnuͤtze Muͤhe
einen Atheiſten zu bekehren.
Jch habe mich gar oft bemuͤht, durch viele Schluͤſſe, manche
Lehren,
Der Gottheit Weſen zu beweiſen, und Atheiſten zu bekehren,
Jch weis, daß viele tauſend Buͤcher zu eben dieſem Zweck
gemacht.
Allein, nachdem ich dieſer Abſicht, und dieſer Arbeit, nach-
gedacht:
So deucht mich daß dergleichen Muͤhe, von minderm Nutzen,
als ſie ſcheinet,
Ja daß es eine große Wahrheit unleugbar ſey, wenn jener
meynet:
Daß es dem menſchlichen Geſchlecht zur Schande faſt gerei-
chen muͤſſe,
Durch tauſend ausgekuͤnſtelte Gedichte, Buͤcher, Schriften,
Schluͤſſe,
Einander das beweiſen wollen, was Himmel, Erd und alle Welt,
Der Seelen, nicht durch einen Sinn, durch alle, ſo vor Au-
gen ſtellt,
Daß, wer nur menſchlich denken will, die Gottheit uͤberall
erblicket,
Jndem, wofern wir nur das Denken gebuͤhrend mit den Sin-
nen binden,
Und uns nicht ſelber ſinnlos machen, wir dieß unwider-
ſprechlich finden,
Daß er, mit allgemeinen Schriften, ſein Weſen deutlich aus-
gedruͤcket.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/538>, abgerufen am 22.11.2024.
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