Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Atheiste.
Wodurch sie nicht nur sich und andre, mit stetiger Betrübniß,
quälen;
Nein, noch dazu, so viel an ihnen, dem Schöpfer Güt und Liebe
stehlen,

Die doch sein wahres Wesen ist. Es zeiget Schrift, es zeigt
Natur,

Daß göttliche Vollkommenheit nur dieß am allermeisten wolle,
Daß man sich, hier sowohl auf Erden, als ewig dort, vergnü-
gen solle,

(Wie hier Geschöpf und Sinne zeigen, der Himmel dort)
die klarste Spur.

Der Schöpfer wollte seinen Ruhm, o Lieb! an unsre
Freude fügen,

Und ist der beste Gottesdienst, sich Gott zu Ehren, zu vergnügen.
Die Wollust ist nicht, auf der Welt, ihr Misbrauch ist nur un-
tersagt,

Ja gar annoch zum guten Endzweck, und darum, weil ihr
Ueberfluß,

Ein gar zu hitziger Gebrauch, und übermäßiger Genuß
Die längern Freuden uns verkürzet, und weniger behagt, als
plagt:

So scheint der Wollust übermaßen uns darum nur allein ge-
nommen,

Daß wir, durch mäßigen Gebrauch, vielmehr von Wollust über-
kommen, *

Erhalten und geniessen sollten. Weil was der Wollust Dauer
mehrt,

Uns von derselbigen nichts raubet, wohl aber uns noch mehr
beschehrt,
Wo-
* Ita praesentibus voluptatibus vtaris, ne futuris non noceas.

Der Atheiſte.
Wodurch ſie nicht nur ſich und andre, mit ſtetiger Betruͤbniß,
quaͤlen;
Nein, noch dazu, ſo viel an ihnen, dem Schoͤpfer Guͤt und Liebe
ſtehlen,

Die doch ſein wahres Weſen iſt. Es zeiget Schrift, es zeigt
Natur,

Daß goͤttliche Vollkommenheit nur dieß am allermeiſten wolle,
Daß man ſich, hier ſowohl auf Erden, als ewig dort, vergnuͤ-
gen ſolle,

(Wie hier Geſchoͤpf und Sinne zeigen, der Himmel dort)
die klarſte Spur.

Der Schoͤpfer wollte ſeinen Ruhm, o Lieb! an unſre
Freude fuͤgen,

Und iſt der beſte Gottesdienſt, ſich Gott zu Ehren, zu vergnuͤgen.
Die Wolluſt iſt nicht, auf der Welt, ihr Misbrauch iſt nur un-
terſagt,

Ja gar annoch zum guten Endzweck, und darum, weil ihr
Ueberfluß,

Ein gar zu hitziger Gebrauch, und uͤbermaͤßiger Genuß
Die laͤngern Freuden uns verkuͤrzet, und weniger behagt, als
plagt:

So ſcheint der Wolluſt uͤbermaßen uns darum nur allein ge-
nommen,

Daß wir, durch maͤßigen Gebrauch, vielmehr von Wolluſt uͤber-
kommen, *

Erhalten und genieſſen ſollten. Weil was der Wolluſt Dauer
mehrt,

Uns von derſelbigen nichts raubet, wohl aber uns noch mehr
beſchehrt,
Wo-
* Ita praeſentibus voluptatibus vtaris, ne futuris non noceas.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="8">
            <l><pb facs="#f0398" n="374"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Athei&#x017F;te.</hi></fw><lb/>
Wodurch &#x017F;ie nicht nur &#x017F;ich und andre, mit &#x017F;tetiger Betru&#x0364;bniß,<lb/><hi rendition="#et">qua&#x0364;len;</hi></l><lb/>
            <l>Nein, noch dazu, &#x017F;o viel an ihnen, dem Scho&#x0364;pfer Gu&#x0364;t und Liebe<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tehlen,</hi></l><lb/>
            <l>Die doch &#x017F;ein wahres We&#x017F;en i&#x017F;t. Es zeiget Schrift, es zeigt<lb/><hi rendition="#et">Natur,</hi></l><lb/>
            <l>Daß go&#x0364;ttliche Vollkommenheit nur dieß am allermei&#x017F;ten wolle,</l><lb/>
            <l>Daß man &#x017F;ich, hier &#x017F;owohl auf Erden, als ewig dort, vergnu&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">gen &#x017F;olle,</hi></l><lb/>
            <l>(Wie <hi rendition="#fr">hier</hi> Ge&#x017F;cho&#x0364;pf und Sinne zeigen, der Himmel <hi rendition="#fr">dort</hi>)<lb/><hi rendition="#et">die klar&#x017F;te Spur.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="9">
            <l>Der Scho&#x0364;pfer wollte &#x017F;einen Ruhm, o Lieb! an un&#x017F;re<lb/><hi rendition="#et">Freude fu&#x0364;gen,</hi></l><lb/>
            <l>Und i&#x017F;t der be&#x017F;te Gottesdien&#x017F;t, &#x017F;ich Gott zu Ehren, zu vergnu&#x0364;gen.</l><lb/>
            <l>Die Wollu&#x017F;t i&#x017F;t nicht, auf der Welt, ihr Misbrauch i&#x017F;t nur un-<lb/><hi rendition="#et">ter&#x017F;agt,</hi></l><lb/>
            <l>Ja gar annoch zum guten Endzweck, und darum, weil ihr<lb/><hi rendition="#et">Ueberfluß,</hi></l><lb/>
            <l>Ein gar zu hitziger Gebrauch, und u&#x0364;berma&#x0364;ßiger Genuß</l><lb/>
            <l>Die la&#x0364;ngern Freuden uns verku&#x0364;rzet, und weniger behagt, als<lb/><hi rendition="#et">plagt:</hi></l><lb/>
            <l>So &#x017F;cheint der Wollu&#x017F;t u&#x0364;bermaßen uns darum nur allein ge-<lb/><hi rendition="#et">nommen,</hi></l><lb/>
            <l>Daß wir, durch ma&#x0364;ßigen Gebrauch, vielmehr von Wollu&#x017F;t u&#x0364;ber-<lb/><hi rendition="#et">kommen, <note place="foot" n="*"><hi rendition="#aq">Ita prae&#x017F;entibus voluptatibus vtaris, ne futuris non noceas.</hi></note></hi></l><lb/>
            <l>Erhalten und genie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten. Weil was der Wollu&#x017F;t Dauer<lb/><hi rendition="#et">mehrt,</hi></l><lb/>
            <l>Uns von der&#x017F;elbigen nichts raubet, wohl aber uns noch mehr<lb/><hi rendition="#et">be&#x017F;chehrt,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wo-</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0398] Der Atheiſte. Wodurch ſie nicht nur ſich und andre, mit ſtetiger Betruͤbniß, quaͤlen; Nein, noch dazu, ſo viel an ihnen, dem Schoͤpfer Guͤt und Liebe ſtehlen, Die doch ſein wahres Weſen iſt. Es zeiget Schrift, es zeigt Natur, Daß goͤttliche Vollkommenheit nur dieß am allermeiſten wolle, Daß man ſich, hier ſowohl auf Erden, als ewig dort, vergnuͤ- gen ſolle, (Wie hier Geſchoͤpf und Sinne zeigen, der Himmel dort) die klarſte Spur. Der Schoͤpfer wollte ſeinen Ruhm, o Lieb! an unſre Freude fuͤgen, Und iſt der beſte Gottesdienſt, ſich Gott zu Ehren, zu vergnuͤgen. Die Wolluſt iſt nicht, auf der Welt, ihr Misbrauch iſt nur un- terſagt, Ja gar annoch zum guten Endzweck, und darum, weil ihr Ueberfluß, Ein gar zu hitziger Gebrauch, und uͤbermaͤßiger Genuß Die laͤngern Freuden uns verkuͤrzet, und weniger behagt, als plagt: So ſcheint der Wolluſt uͤbermaßen uns darum nur allein ge- nommen, Daß wir, durch maͤßigen Gebrauch, vielmehr von Wolluſt uͤber- kommen, * Erhalten und genieſſen ſollten. Weil was der Wolluſt Dauer mehrt, Uns von derſelbigen nichts raubet, wohl aber uns noch mehr beſchehrt, Wo- * Ita praeſentibus voluptatibus vtaris, ne futuris non noceas.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/398
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/398>, abgerufen am 27.05.2024.