Wär ein' abgeschoßne Kugel mehr, als 24 Jahren, Ungehemmt und unverändert, in geradem Strich, gefahren; Wäre sie doch an den Ort, wo der Sonnen Feuer prangt, Von dem Kreise dieser Erde, lange noch nicht hingelangt.
Welch ein Abstand! welch ein Raum! zu dem nähesten Altare! Aber laßt uns in dem Tempel noch im Geiste weiter gehn, Und den ungemeßnen Abstand zu der andern Sonne sehn! Wär es möglich, daß die Kugel sechsmal hundert tausend Jahre, Jn beständger Schnelligkeit, stets gerade vor sich flöge; Würde sie (o! aller Größe übergehnder Wunderraum) Dennoch zu dem ersten Fixstern, als der andern Sonne, kaum, Hin- und angelanget seyn. Kaum erlaubt mir hier der Schrecken, Daß es seit- und unterwerts, ja so weit sey, zu entdecken.
Großer Gott! von deiner Größe wird, durch kein so würdig Bild, Als durch dieses Tempels Größe, die erstaunte Seel erfüllt. Dieser soll mein Tempel seyn, hier will ich, Dich anzubethen, Mit Erstaunen, Lust und Ehrfurcht, mich bemühn, vor Dich zu treten. Heilige Bewunderung will ich Dir zum Weihrauch streun, Und voll Lob, in Lieb entbrannt, will ich selbst das Opfer seyn.
Lieb-
Gottes Tempel.
Waͤr ein’ abgeſchoßne Kugel mehr, als 24 Jahren, Ungehemmt und unveraͤndert, in geradem Strich, gefahren; Waͤre ſie doch an den Ort, wo der Sonnen Feuer prangt, Von dem Kreiſe dieſer Erde, lange noch nicht hingelangt.
Welch ein Abſtand! welch ein Raum! zu dem naͤheſten Altare! Aber laßt uns in dem Tempel noch im Geiſte weiter gehn, Und den ungemeßnen Abſtand zu der andern Sonne ſehn! Waͤr es moͤglich, daß die Kugel ſechsmal hundert tauſend Jahre, Jn beſtaͤndger Schnelligkeit, ſtets gerade vor ſich floͤge; Wuͤrde ſie (o! aller Groͤße uͤbergehnder Wunderraum) Dennoch zu dem erſten Fixſtern, als der andern Sonne, kaum, Hin- und angelanget ſeyn. Kaum erlaubt mir hier der Schrecken, Daß es ſeit- und unterwerts, ja ſo weit ſey, zu entdecken.
Großer Gott! von deiner Groͤße wird, durch kein ſo wuͤrdig Bild, Als durch dieſes Tempels Groͤße, die erſtaunte Seel erfuͤllt. Dieſer ſoll mein Tempel ſeyn, hier will ich, Dich anzubethen, Mit Erſtaunen, Luſt und Ehrfurcht, mich bemuͤhn, vor Dich zu treten. Heilige Bewunderung will ich Dir zum Weihrauch ſtreun, Und voll Lob, in Lieb entbrannt, will ich ſelbſt das Opfer ſeyn.
Lieb-
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Gottes Tempel.
Waͤr ein’ abgeſchoßne Kugel mehr, als 24 Jahren,
Ungehemmt und unveraͤndert, in geradem Strich, gefahren;
Waͤre ſie doch an den Ort, wo der Sonnen Feuer prangt,
Von dem Kreiſe dieſer Erde, lange noch nicht hingelangt.
Welch ein Abſtand! welch ein Raum! zu dem naͤheſten Altare!
Aber laßt uns in dem Tempel noch im Geiſte weiter gehn,
Und den ungemeßnen Abſtand zu der andern Sonne ſehn!
Waͤr es moͤglich, daß die Kugel ſechsmal hundert tauſend Jahre,
Jn beſtaͤndger Schnelligkeit, ſtets gerade vor ſich floͤge;
Wuͤrde ſie (o! aller Groͤße uͤbergehnder Wunderraum)
Dennoch zu dem erſten Fixſtern, als der andern Sonne, kaum,
Hin- und angelanget ſeyn. Kaum erlaubt mir hier der Schrecken,
Daß es ſeit- und unterwerts, ja ſo weit ſey, zu entdecken.
Großer Gott! von deiner Groͤße wird, durch kein ſo wuͤrdig
Bild,
Als durch dieſes Tempels Groͤße, die erſtaunte Seel erfuͤllt.
Dieſer ſoll mein Tempel ſeyn, hier will ich, Dich anzubethen,
Mit Erſtaunen, Luſt und Ehrfurcht, mich bemuͤhn, vor Dich zu
treten.
Heilige Bewunderung will ich Dir zum Weihrauch ſtreun,
Und voll Lob, in Lieb entbrannt, will ich ſelbſt das Opfer ſeyn.
Lieb-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/28>, abgerufen am 18.12.2024.
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