Da denn, bey denen frischen, grünen, Die welken Blätter Gold, ja recht wie Blumen, schienen.
Es dachte, neben mir, mein Sohn der Anmuth nach, Bis daß er, durch dieß Kraut gerühret, zu mir sprach: Was bey dem braunen Kohl noch mein Bewundern häuft, Jst, daß, (wie ich anjetzt in dieser Pflanz entdecke) Jn ihr recht was besonders stecke, Da sie, durch Wärme nicht, nur durch die Kälte, reift.
Ja freylich, du hast recht, mein Sohn, rief ich, erfreut, Daß er so wohl gedacht. Es zeigt dieß abermal, Wie künstlich die Natur, und wie fast ohne Zahl, Die Mittel, die sie braucht, zu aller Zeit, Uns zu ergetzen und zu nähren. Mit Recht gereichet dieß zu dessen Ehren, Der ihr, zu unsrer Nutzbarkeit, So manche Kräfte schenkt, da auch so gar der Frost Uns Speise schaffen muß, und eine süsse Kost, Der Armuth sonderlich. Ach laß zu deiner Ehre, O Herr, bey dem Genuß, uns oftermals bedenken, Daß nimmermehr ein Ungefähr Vermögend, solch ein Kraut zu schenken, Das uns, ach! dächte man doch oftermals daran, Auch selbst im Winter, Lust und Nahrung bringen kann.
Herrn
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Betrachtung uͤber den braunen Kohl.
Da denn, bey denen friſchen, gruͤnen, Die welken Blaͤtter Gold, ja recht wie Blumen, ſchienen.
Es dachte, neben mir, mein Sohn der Anmuth nach, Bis daß er, durch dieß Kraut geruͤhret, zu mir ſprach: Was bey dem braunen Kohl noch mein Bewundern haͤuft, Jſt, daß, (wie ich anjetzt in dieſer Pflanz entdecke) Jn ihr recht was beſonders ſtecke, Da ſie, durch Waͤrme nicht, nur durch die Kaͤlte, reift.
Ja freylich, du haſt recht, mein Sohn, rief ich, erfreut, Daß er ſo wohl gedacht. Es zeigt dieß abermal, Wie kuͤnſtlich die Natur, und wie faſt ohne Zahl, Die Mittel, die ſie braucht, zu aller Zeit, Uns zu ergetzen und zu naͤhren. Mit Recht gereichet dieß zu deſſen Ehren, Der ihr, zu unſrer Nutzbarkeit, So manche Kraͤfte ſchenkt, da auch ſo gar der Froſt Uns Speiſe ſchaffen muß, und eine ſuͤſſe Koſt, Der Armuth ſonderlich. Ach laß zu deiner Ehre, O Herr, bey dem Genuß, uns oftermals bedenken, Daß nimmermehr ein Ungefaͤhr Vermoͤgend, ſolch ein Kraut zu ſchenken, Das uns, ach! daͤchte man doch oftermals daran, Auch ſelbſt im Winter, Luſt und Nahrung bringen kann.
Herrn
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Betrachtung uͤber den braunen Kohl.
Da denn, bey denen friſchen, gruͤnen,
Die welken Blaͤtter Gold, ja recht wie Blumen, ſchienen.
Es dachte, neben mir, mein Sohn der Anmuth nach,
Bis daß er, durch dieß Kraut geruͤhret, zu mir ſprach:
Was bey dem braunen Kohl noch mein Bewundern haͤuft,
Jſt, daß, (wie ich anjetzt in dieſer Pflanz entdecke)
Jn ihr recht was beſonders ſtecke,
Da ſie, durch Waͤrme nicht, nur durch die Kaͤlte, reift.
Ja freylich, du haſt recht, mein Sohn, rief ich, erfreut,
Daß er ſo wohl gedacht. Es zeigt dieß abermal,
Wie kuͤnſtlich die Natur, und wie faſt ohne Zahl,
Die Mittel, die ſie braucht, zu aller Zeit,
Uns zu ergetzen und zu naͤhren.
Mit Recht gereichet dieß zu deſſen Ehren,
Der ihr, zu unſrer Nutzbarkeit,
So manche Kraͤfte ſchenkt, da auch ſo gar der Froſt
Uns Speiſe ſchaffen muß, und eine ſuͤſſe Koſt,
Der Armuth ſonderlich. Ach laß zu deiner Ehre,
O Herr, bey dem Genuß, uns oftermals bedenken,
Daß nimmermehr ein Ungefaͤhr
Vermoͤgend, ſolch ein Kraut zu ſchenken,
Das uns, ach! daͤchte man doch oftermals daran,
Auch ſelbſt im Winter, Luſt und Nahrung bringen kann.
Herrn
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/239>, abgerufen am 24.11.2024.
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