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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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Schatten.
Mit Augen der Vernunft betrachten:
So müssen wir je mehr und mehr,
Zu unsers Gottes Ruhm und Ehr,
Es als ein wirkliches beträchtlichs Wunder achten.

Es ist wahrhaftig dieses Wunder, so bloß für uns gewirkt
wird, werth,

Daß man, in frölicher Betrachtung, auch darin unsern Schöp-
fer ehrt.

Wer würde doch der nahen Sonnen, und der geraden Stra-
len Brennen,

Ohn ein fast gänzliches Verschmachten, das nicht erträglich,
dulden können!

Wenn nun, von uns erbaute Häuser, uns zwar in solchen Zei-
ten nützen:

So sieht man, sonder Müh und Kosten, und besser noch, die
Bäum uns schützen.
Der dicht belaubten Wälder Wipfel sind nicht nur grün,
sind nicht nur schön;

Sie sind als aufgeführte Dächer, uns zu beschirmen, anzusehn.
Es ist derselben dunkle Frucht, der kühle Schatten, anders
nichts,

Als eine Milderung der Hitze, als eine Linderung des Lichts,
Den Gott, in schwühler Sommerszeit,
Zu unsrer Kühlung, Lust, Vergnügung, Bequemlichkeit und
Nutzbarkeit,

Zugleich zusamt der Blätter Pracht,
Mit ihnen gleichsam wachsen läßt. O angenehme grüne
Nacht,

Wie lieblich läßt sichs in dir ruhn! wie sanfte läßt sichs in dir
schlafen!
So

Schatten.
Mit Augen der Vernunft betrachten:
So muͤſſen wir je mehr und mehr,
Zu unſers Gottes Ruhm und Ehr,
Es als ein wirkliches betraͤchtlichs Wunder achten.

Es iſt wahrhaftig dieſes Wunder, ſo bloß fuͤr uns gewirkt
wird, werth,

Daß man, in froͤlicher Betrachtung, auch darin unſern Schoͤp-
fer ehrt.

Wer wuͤrde doch der nahen Sonnen, und der geraden Stra-
len Brennen,

Ohn ein faſt gaͤnzliches Verſchmachten, das nicht ertraͤglich,
dulden koͤnnen!

Wenn nun, von uns erbaute Haͤuſer, uns zwar in ſolchen Zei-
ten nuͤtzen:

So ſieht man, ſonder Muͤh und Koſten, und beſſer noch, die
Baͤum uns ſchuͤtzen.
Der dicht belaubten Waͤlder Wipfel ſind nicht nur gruͤn,
ſind nicht nur ſchoͤn;

Sie ſind als aufgefuͤhrte Daͤcher, uns zu beſchirmen, anzuſehn.
Es iſt derſelben dunkle Frucht, der kuͤhle Schatten, anders
nichts,

Als eine Milderung der Hitze, als eine Linderung des Lichts,
Den Gott, in ſchwuͤhler Sommerszeit,
Zu unſrer Kuͤhlung, Luſt, Vergnuͤgung, Bequemlichkeit und
Nutzbarkeit,

Zugleich zuſamt der Blaͤtter Pracht,
Mit ihnen gleichſam wachſen laͤßt. O angenehme gruͤne
Nacht,

Wie lieblich laͤßt ſichs in dir ruhn! wie ſanfte laͤßt ſichs in dir
ſchlafen!
So
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[106/0130] Schatten. Mit Augen der Vernunft betrachten: So muͤſſen wir je mehr und mehr, Zu unſers Gottes Ruhm und Ehr, Es als ein wirkliches betraͤchtlichs Wunder achten. Es iſt wahrhaftig dieſes Wunder, ſo bloß fuͤr uns gewirkt wird, werth, Daß man, in froͤlicher Betrachtung, auch darin unſern Schoͤp- fer ehrt. Wer wuͤrde doch der nahen Sonnen, und der geraden Stra- len Brennen, Ohn ein faſt gaͤnzliches Verſchmachten, das nicht ertraͤglich, dulden koͤnnen! Wenn nun, von uns erbaute Haͤuſer, uns zwar in ſolchen Zei- ten nuͤtzen: So ſieht man, ſonder Muͤh und Koſten, und beſſer noch, die Baͤum uns ſchuͤtzen. Der dicht belaubten Waͤlder Wipfel ſind nicht nur gruͤn, ſind nicht nur ſchoͤn; Sie ſind als aufgefuͤhrte Daͤcher, uns zu beſchirmen, anzuſehn. Es iſt derſelben dunkle Frucht, der kuͤhle Schatten, anders nichts, Als eine Milderung der Hitze, als eine Linderung des Lichts, Den Gott, in ſchwuͤhler Sommerszeit, Zu unſrer Kuͤhlung, Luſt, Vergnuͤgung, Bequemlichkeit und Nutzbarkeit, Zugleich zuſamt der Blaͤtter Pracht, Mit ihnen gleichſam wachſen laͤßt. O angenehme gruͤne Nacht, Wie lieblich laͤßt ſichs in dir ruhn! wie ſanfte laͤßt ſichs in dir ſchlafen! So

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/130>, abgerufen am 11.05.2024.