Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Nützliche Blumen-Betrachtung.
Ja, wo uns etwas auf der Welt das Wesen einer Gottheit
zeiget;

Wo man durch etwas sich erhebt, und durchs Geschöpf zum
Schöpfer steiget:

So sind es in der That die Blumen. Sie machen nicht die Pflan-
zen nur

Unsterblich, im geheimen Samen, verschönern nicht nur die
Natur;

Sie leiten uns mit sanftem Zwang, und lehren uns ein We-
sen kennen,

Das sie so wundersam formiren, sie färben und sie schmücken
können.
Was muß der Ursprung ihrer Schönheit, an Herrlichkeit,
an hellem Schein,

An Pracht, an Majestät und Glanz, nicht selbst für eine Schön-
heit seyn?

Was für ein unbegreiflich Meer von Liebreiz muß das We-
sen füllen,

Aus welchem so viel Schönheit Bäche, und ungezählte Strö-
me quillen,

Die er annoch in selbem Schmuck, und in derselben Pracht
erhält,

Womit er sie zuerst erschuf und schmückt im Anbeginn der
Welt.
Ja, da er, mit so holder Liebe, so flüchtige Geschöpfe
schmückt,

Die heute sind und Morgen nicht, die wir zertreten mit den
Füssen;

Was kann man nicht von seiner Huld, von seiner ewgen Lie-
be schliessen,
Das
Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Ja, wo uns etwas auf der Welt das Weſen einer Gottheit
zeiget;

Wo man durch etwas ſich erhebt, und durchs Geſchoͤpf zum
Schoͤpfer ſteiget:

So ſind es in der That die Blumen. Sie machen nicht die Pflan-
zen nur

Unſterblich, im geheimen Samen, verſchoͤnern nicht nur die
Natur;

Sie leiten uns mit ſanftem Zwang, und lehren uns ein We-
ſen kennen,

Das ſie ſo wunderſam formiren, ſie faͤrben und ſie ſchmuͤcken
koͤnnen.
Was muß der Urſprung ihrer Schoͤnheit, an Herrlichkeit,
an hellem Schein,

An Pracht, an Majeſtaͤt und Glanz, nicht ſelbſt fuͤr eine Schoͤn-
heit ſeyn?

Was fuͤr ein unbegreiflich Meer von Liebreiz muß das We-
ſen fuͤllen,

Aus welchem ſo viel Schoͤnheit Baͤche, und ungezaͤhlte Stroͤ-
me quillen,

Die er annoch in ſelbem Schmuck, und in derſelben Pracht
erhaͤlt,

Womit er ſie zuerſt erſchuf und ſchmuͤckt im Anbeginn der
Welt.
Ja, da er, mit ſo holder Liebe, ſo fluͤchtige Geſchoͤpfe
ſchmuͤckt,

Die heute ſind und Morgen nicht, die wir zertreten mit den
Fuͤſſen;

Was kann man nicht von ſeiner Huld, von ſeiner ewgen Lie-
be ſchlieſſen,
Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0114" n="90"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Nu&#x0364;tzliche Blumen-Betrachtung.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="28">
            <l>Ja, wo uns etwas auf der Welt das We&#x017F;en einer Gottheit<lb/><hi rendition="#et">zeiget;</hi></l><lb/>
            <l>Wo man durch etwas &#x017F;ich erhebt, und durchs Ge&#x017F;cho&#x0364;pf zum<lb/><hi rendition="#et">Scho&#x0364;pfer &#x017F;teiget:</hi></l><lb/>
            <l>So &#x017F;ind es in der That die Blumen. Sie machen nicht die Pflan-<lb/><hi rendition="#et">zen nur</hi></l><lb/>
            <l>Un&#x017F;terblich, im geheimen Samen, ver&#x017F;cho&#x0364;nern nicht nur die<lb/><hi rendition="#et">Natur;</hi></l><lb/>
            <l>Sie leiten uns mit &#x017F;anftem Zwang, und lehren uns ein We-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;en kennen,</hi></l><lb/>
            <l>Das &#x017F;ie &#x017F;o wunder&#x017F;am formiren, &#x017F;ie fa&#x0364;rben und &#x017F;ie &#x017F;chmu&#x0364;cken<lb/><hi rendition="#et">ko&#x0364;nnen.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="29">
            <l>Was muß der Ur&#x017F;prung ihrer Scho&#x0364;nheit, an Herrlichkeit,<lb/><hi rendition="#et">an hellem Schein,</hi></l><lb/>
            <l>An Pracht, an Maje&#x017F;ta&#x0364;t und Glanz, nicht &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r eine Scho&#x0364;n-<lb/><hi rendition="#et">heit &#x017F;eyn?</hi></l><lb/>
            <l>Was fu&#x0364;r ein unbegreiflich Meer von Liebreiz muß das We-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;en fu&#x0364;llen,</hi></l><lb/>
            <l>Aus welchem &#x017F;o viel Scho&#x0364;nheit Ba&#x0364;che, und ungeza&#x0364;hlte Stro&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">me quillen,</hi></l><lb/>
            <l>Die er annoch in &#x017F;elbem Schmuck, und in der&#x017F;elben Pracht<lb/><hi rendition="#et">erha&#x0364;lt,</hi></l><lb/>
            <l>Womit er &#x017F;ie zuer&#x017F;t er&#x017F;chuf und &#x017F;chmu&#x0364;ckt im Anbeginn der<lb/><hi rendition="#et">Welt.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="30">
            <l>Ja, da er, mit &#x017F;o holder Liebe, &#x017F;o flu&#x0364;chtige Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chmu&#x0364;ckt,</hi></l><lb/>
            <l>Die heute &#x017F;ind und Morgen nicht, die wir zertreten mit den<lb/><hi rendition="#et">Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en;</hi></l><lb/>
            <l>Was kann man nicht von &#x017F;einer Huld, von &#x017F;einer ewgen Lie-<lb/><hi rendition="#et">be &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0114] Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Ja, wo uns etwas auf der Welt das Weſen einer Gottheit zeiget; Wo man durch etwas ſich erhebt, und durchs Geſchoͤpf zum Schoͤpfer ſteiget: So ſind es in der That die Blumen. Sie machen nicht die Pflan- zen nur Unſterblich, im geheimen Samen, verſchoͤnern nicht nur die Natur; Sie leiten uns mit ſanftem Zwang, und lehren uns ein We- ſen kennen, Das ſie ſo wunderſam formiren, ſie faͤrben und ſie ſchmuͤcken koͤnnen. Was muß der Urſprung ihrer Schoͤnheit, an Herrlichkeit, an hellem Schein, An Pracht, an Majeſtaͤt und Glanz, nicht ſelbſt fuͤr eine Schoͤn- heit ſeyn? Was fuͤr ein unbegreiflich Meer von Liebreiz muß das We- ſen fuͤllen, Aus welchem ſo viel Schoͤnheit Baͤche, und ungezaͤhlte Stroͤ- me quillen, Die er annoch in ſelbem Schmuck, und in derſelben Pracht erhaͤlt, Womit er ſie zuerſt erſchuf und ſchmuͤckt im Anbeginn der Welt. Ja, da er, mit ſo holder Liebe, ſo fluͤchtige Geſchoͤpfe ſchmuͤckt, Die heute ſind und Morgen nicht, die wir zertreten mit den Fuͤſſen; Was kann man nicht von ſeiner Huld, von ſeiner ewgen Lie- be ſchlieſſen, Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/114
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/114>, abgerufen am 24.11.2024.