Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Wie die Seelen mit dem Cörper, durch fünf Sinnen sich ver- binden, Und dadurch was ausser ihnen auf verschiedne Weis' em- pfinden; Scheinen in der Seele selber auch fünf Kräfte sich zu finden, Als: Verstand, Gedächtniß, Wille, Kraft Jdeen zu erzielen, Und, zur Lust als auch zum Nutzen, eine Leidenschaft zu fühlen. Alle sind von solchem Wehrt, sieht man sie vernünftig an, Daß sie nur ans GOtt entstehen, und nur GOtt sie schencken kann. Diese näher zu beleuchten, zu des Schöpfers Ehr' allein, Und in ihnen GOtt zu preisen, soll itzt unser Absicht seyn. Erstlich kann man in der Seelen durch Erfahrung gleichsam fühlen, Daß von äusserlichen Dingen, welche Cörperlich sind, Zeichen, (So mit Lettern einer Schrift nicht unfüglich zu vergleichen) Und aus diesen, wenn dieselben wol gefüget sind, Jdeen, Die von aussen an sie kommen, sinnlich in der Seel entstehen. Aber sie kann innerlich, selbst Jdeen auch erzielen, Dadurch, daß sie in ihr selber ihre Handlungen verspühret, Als Empfinden, Dencken, Zweifeln, Trauen und der- gleichen mehr; Hieraus nun entsteht nicht minder ein so groß Jdeen-Heer, Daß es nimmermehr zu zehlen. Den Jdeen nun gebührt Nicht der Nahme, daß sie sinnlich: doch empfindlich sie zu nennen, Wird man, ohne sich zu irren, glaub' ich, kühnlich wagen können. Dieß sind die zwo grossen Qvellen, draus in uns, von al- len Dingen, Sie seyn leiblich oder geistig, würckliche Begriff entspringen. Eine
Neu-Jahrs Gedichte. Wie die Seelen mit dem Coͤrper, durch fuͤnf Sinnen ſich ver- binden, Und dadurch was auſſer ihnen auf verſchiedne Weiſ’ em- pfinden; Scheinen in der Seele ſelber auch fuͤnf Kraͤfte ſich zu finden, Als: Verſtand, Gedaͤchtniß, Wille, Kraft Jdeen zu erzielen, Und, zur Luſt als auch zum Nutzen, eine Leidenſchaft zu fuͤhlen. Alle ſind von ſolchem Wehrt, ſieht man ſie vernuͤnftig an, Daß ſie nur ans GOtt entſtehen, und nur GOtt ſie ſchencken kann. Dieſe naͤher zu beleuchten, zu des Schoͤpfers Ehr’ allein, Und in ihnen GOtt zu preiſen, ſoll itzt unſer Abſicht ſeyn. Erſtlich kann man in der Seelen durch Erfahrung gleichſam fuͤhlen, Daß von aͤuſſerlichen Dingen, welche Coͤrperlich ſind, Zeichen, (So mit Lettern einer Schrift nicht unfuͤglich zu vergleichen) Und aus dieſen, wenn dieſelben wol gefuͤget ſind, Jdeen, Die von auſſen an ſie kommen, ſinnlich in der Seel entſtehen. Aber ſie kann innerlich, ſelbſt Jdeen auch erzielen, Dadurch, daß ſie in ihr ſelber ihre Handlungen verſpuͤhret, Als Empfinden, Dencken, Zweifeln, Trauen und der- gleichen mehr; Hieraus nun entſteht nicht minder ein ſo groß Jdeen-Heer, Daß es nimmermehr zu zehlen. Den Jdeen nun gebuͤhrt Nicht der Nahme, daß ſie ſinnlich: doch empfindlich ſie zu nennen, Wird man, ohne ſich zu irren, glaub’ ich, kuͤhnlich wagen koͤnnen. Dieß ſind die zwo groſſen Qvellen, draus in uns, von al- len Dingen, Sie ſeyn leiblich oder geiſtig, wuͤrckliche Begriff entſpringen. Eine
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Neu-Jahrs Gedichte.
Wie die Seelen mit dem Coͤrper, durch fuͤnf Sinnen ſich ver-
binden,
Und dadurch was auſſer ihnen auf verſchiedne Weiſ’ em-
pfinden;
Scheinen in der Seele ſelber auch fuͤnf Kraͤfte ſich zu finden,
Als: Verſtand, Gedaͤchtniß, Wille, Kraft Jdeen zu
erzielen,
Und, zur Luſt als auch zum Nutzen, eine Leidenſchaft zu
fuͤhlen.
Alle ſind von ſolchem Wehrt, ſieht man ſie vernuͤnftig an,
Daß ſie nur ans GOtt entſtehen, und nur GOtt ſie ſchencken
kann.
Dieſe naͤher zu beleuchten, zu des Schoͤpfers Ehr’ allein,
Und in ihnen GOtt zu preiſen, ſoll itzt unſer Abſicht ſeyn.
Erſtlich kann man in der Seelen durch Erfahrung
gleichſam fuͤhlen,
Daß von aͤuſſerlichen Dingen, welche Coͤrperlich ſind,
Zeichen,
(So mit Lettern einer Schrift nicht unfuͤglich zu vergleichen)
Und aus dieſen, wenn dieſelben wol gefuͤget ſind, Jdeen,
Die von auſſen an ſie kommen, ſinnlich in der Seel entſtehen.
Aber ſie kann innerlich, ſelbſt Jdeen auch erzielen,
Dadurch, daß ſie in ihr ſelber ihre Handlungen verſpuͤhret,
Als Empfinden, Dencken, Zweifeln, Trauen und der-
gleichen mehr;
Hieraus nun entſteht nicht minder ein ſo groß Jdeen-Heer,
Daß es nimmermehr zu zehlen. Den Jdeen nun gebuͤhrt
Nicht der Nahme, daß ſie ſinnlich: doch empfindlich ſie zu
nennen,
Wird man, ohne ſich zu irren, glaub’ ich, kuͤhnlich wagen
koͤnnen.
Dieß ſind die zwo groſſen Qvellen, draus in uns, von al-
len Dingen,
Sie ſeyn leiblich oder geiſtig, wuͤrckliche Begriff entſpringen.
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