Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Kräfte der menschlichen Vernunft.
Ueberall zugegen seyn und regieren. Selber Sachen,
Die fürs menschliche Geschlecht die Natur nicht scheint zu
machen,

Sondern nur für Thier und Pflantzen, haben, wenn mans
recht erwegt,

Doch die Absicht auf den Menschen, durch die Dienste, die
von ihnen,

Da sie mittelbar uns dienen,
Mancher zu geniessen pflegt.
Eine Mücke legt die Eyer auf das Wasser; draus entstehn
Kleine Würmer, welche lang' in gedachtem Wasser leben,
Eh' sie in die Luft sich heben,
Diese dienen nun zur Nahrung, Krebsen, Wasser-Vögeln,
Fischen,

So man uns pflegt aufzutischen;
Jst es also für den Menschen, auch so gar, daß Mücken seyn.
Er verbindet aller Wesen; die man allenthalben spüret,
Alle zielen auf ihn ab. Seine Gegenwart allein
Jst die Stelle, wo ein Gantzes aus viel Theilen sich formiret,
Er ist gleichsam ihre Seele. Ja es ist der Mensch nicht nur
Der Geschöpfe Mittel-Punct, die ihn überall umringen;
Er ist überdem ihr Priester. Er ist ihrer Danckbarkeit
Gleichsam ein getreuer Dollmetsch. Wenn sie GOTT ihr
Opfer bringen,

Der sie ihm zur Ehr gemacht; wenn sie ihrem HERRN
lobsingen,

Schallet es durch seinen Mund. Es begreift der Diamant
Weder seinen eignen Wehrt,
Noch denjenigen, der ihm solchen schönen Glantz beschehrt;
Der die Thiere nährt und kleidet ist den Thieren unbekannt:
Es erkennet blos allein ihren Schöpfer der Verstand,
Da
Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.
Ueberall zugegen ſeyn und regieren. Selber Sachen,
Die fuͤrs menſchliche Geſchlecht die Natur nicht ſcheint zu
machen,

Sondern nur fuͤr Thier und Pflantzen, haben, wenn mans
recht erwegt,

Doch die Abſicht auf den Menſchen, durch die Dienſte, die
von ihnen,

Da ſie mittelbar uns dienen,
Mancher zu genieſſen pflegt.
Eine Muͤcke legt die Eyer auf das Waſſer; draus entſtehn
Kleine Wuͤrmer, welche lang’ in gedachtem Waſſer leben,
Eh’ ſie in die Luft ſich heben,
Dieſe dienen nun zur Nahrung, Krebſen, Waſſer-Voͤgeln,
Fiſchen,

So man uns pflegt aufzutiſchen;
Jſt es alſo fuͤr den Menſchen, auch ſo gar, daß Muͤcken ſeyn.
Er verbindet aller Weſen; die man allenthalben ſpuͤret,
Alle zielen auf ihn ab. Seine Gegenwart allein
Jſt die Stelle, wo ein Gantzes aus viel Theilen ſich formiret,
Er iſt gleichſam ihre Seele. Ja es iſt der Menſch nicht nur
Der Geſchoͤpfe Mittel-Punct, die ihn uͤberall umringen;
Er iſt uͤberdem ihr Prieſter. Er iſt ihrer Danckbarkeit
Gleichſam ein getreuer Dollmetſch. Wenn ſie GOTT ihr
Opfer bringen,

Der ſie ihm zur Ehr gemacht; wenn ſie ihrem HERRN
lobſingen,

Schallet es durch ſeinen Mund. Es begreift der Diamant
Weder ſeinen eignen Wehrt,
Noch denjenigen, der ihm ſolchen ſchoͤnen Glantz beſchehrt;
Der die Thiere naͤhrt und kleidet iſt den Thieren unbekannt:
Es erkennet blos allein ihren Schoͤpfer der Verſtand,
Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0366" n="350"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Kra&#x0364;fte der men&#x017F;chlichen Vernunft.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="16">
            <l>Ueberall zugegen &#x017F;eyn und regieren. Selber Sachen,</l><lb/>
            <l>Die fu&#x0364;rs men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht die Natur nicht &#x017F;cheint zu<lb/><hi rendition="#et">machen,</hi></l><lb/>
            <l>Sondern nur fu&#x0364;r Thier und Pflantzen, haben, wenn mans<lb/><hi rendition="#et">recht erwegt,</hi></l><lb/>
            <l>Doch die Ab&#x017F;icht auf den Men&#x017F;chen, durch die Dien&#x017F;te, die<lb/><hi rendition="#et">von ihnen,</hi></l><lb/>
            <l>Da &#x017F;ie mittelbar uns dienen,</l><lb/>
            <l>Mancher zu genie&#x017F;&#x017F;en pflegt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="17">
            <l>Eine Mu&#x0364;cke legt die Eyer auf das Wa&#x017F;&#x017F;er; draus ent&#x017F;tehn</l><lb/>
            <l>Kleine Wu&#x0364;rmer, welche lang&#x2019; in gedachtem Wa&#x017F;&#x017F;er leben,</l><lb/>
            <l>Eh&#x2019; &#x017F;ie in die Luft &#x017F;ich heben,</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;e dienen nun zur Nahrung, Kreb&#x017F;en, Wa&#x017F;&#x017F;er-Vo&#x0364;geln,<lb/><hi rendition="#et">Fi&#x017F;chen,</hi></l><lb/>
            <l>So man uns pflegt aufzuti&#x017F;chen;</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t es al&#x017F;o fu&#x0364;r den Men&#x017F;chen, auch &#x017F;o gar, daß Mu&#x0364;cken &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Er verbindet aller We&#x017F;en; die man allenthalben &#x017F;pu&#x0364;ret,</l><lb/>
            <l>Alle zielen auf ihn ab. Seine Gegenwart allein</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t die Stelle, wo ein Gantzes aus viel Theilen &#x017F;ich formiret,</l><lb/>
            <l>Er i&#x017F;t gleich&#x017F;am ihre Seele. Ja es i&#x017F;t der Men&#x017F;ch nicht nur</l><lb/>
            <l>Der Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe Mittel-Punct, die ihn u&#x0364;berall umringen;</l><lb/>
            <l>Er i&#x017F;t u&#x0364;berdem ihr Prie&#x017F;ter. Er i&#x017F;t ihrer Danckbarkeit</l><lb/>
            <l>Gleich&#x017F;am ein getreuer Dollmet&#x017F;ch. Wenn &#x017F;ie GOTT ihr<lb/><hi rendition="#et">Opfer bringen,</hi></l><lb/>
            <l>Der &#x017F;ie ihm zur Ehr gemacht; wenn &#x017F;ie ihrem <hi rendition="#g">HERRN</hi><lb/><hi rendition="#et">lob&#x017F;ingen,</hi></l><lb/>
            <l>Schallet es durch &#x017F;einen Mund. Es begreift der Diamant</l><lb/>
            <l>Weder &#x017F;einen eignen Wehrt,</l><lb/>
            <l>Noch denjenigen, der ihm &#x017F;olchen &#x017F;cho&#x0364;nen Glantz be&#x017F;chehrt;</l><lb/>
            <l>Der die Thiere na&#x0364;hrt und kleidet i&#x017F;t den Thieren unbekannt:</l><lb/>
            <l>Es erkennet blos allein ihren Scho&#x0364;pfer der Ver&#x017F;tand,</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0366] Kraͤfte der menſchlichen Vernunft. Ueberall zugegen ſeyn und regieren. Selber Sachen, Die fuͤrs menſchliche Geſchlecht die Natur nicht ſcheint zu machen, Sondern nur fuͤr Thier und Pflantzen, haben, wenn mans recht erwegt, Doch die Abſicht auf den Menſchen, durch die Dienſte, die von ihnen, Da ſie mittelbar uns dienen, Mancher zu genieſſen pflegt. Eine Muͤcke legt die Eyer auf das Waſſer; draus entſtehn Kleine Wuͤrmer, welche lang’ in gedachtem Waſſer leben, Eh’ ſie in die Luft ſich heben, Dieſe dienen nun zur Nahrung, Krebſen, Waſſer-Voͤgeln, Fiſchen, So man uns pflegt aufzutiſchen; Jſt es alſo fuͤr den Menſchen, auch ſo gar, daß Muͤcken ſeyn. Er verbindet aller Weſen; die man allenthalben ſpuͤret, Alle zielen auf ihn ab. Seine Gegenwart allein Jſt die Stelle, wo ein Gantzes aus viel Theilen ſich formiret, Er iſt gleichſam ihre Seele. Ja es iſt der Menſch nicht nur Der Geſchoͤpfe Mittel-Punct, die ihn uͤberall umringen; Er iſt uͤberdem ihr Prieſter. Er iſt ihrer Danckbarkeit Gleichſam ein getreuer Dollmetſch. Wenn ſie GOTT ihr Opfer bringen, Der ſie ihm zur Ehr gemacht; wenn ſie ihrem HERRN lobſingen, Schallet es durch ſeinen Mund. Es begreift der Diamant Weder ſeinen eignen Wehrt, Noch denjenigen, der ihm ſolchen ſchoͤnen Glantz beſchehrt; Der die Thiere naͤhrt und kleidet iſt den Thieren unbekannt: Es erkennet blos allein ihren Schoͤpfer der Verſtand, Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/366
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/366>, abgerufen am 19.05.2024.