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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Kräfte der menschlichen Vernunft.
Niemand um sie einzusammlen, zu verzehren, aufzuräumen,
Und das Unkraut zu vertilgen wäre da. Die Erde würde,
Wie man es nicht leugnen kann, zwar verschiedne Thiere
nähren;

Aber diese niemand nutzen, keinem einen Dienst gewähren.
Nicht geschohrne Schaafe würden der beschmutzten Wolle
Bürde

Kümmerlich nur tragen können. Ja es würden Küh' und
Ziegen,

Von zu vieler Milch beschwert, kranck und ungemolcken
liegen,

Nichts als lauter Wiederspruch würd' an allen Orten seyn.
Steine, die zum Bauen tüchtig, schließt der Schooß der Er-
den ein

Nebst den köstlichsten Metallen; doch Bewohner fehlen ihr,
Ja so wol als kluge Künstler, welche sonst aus tausend
Sachen

Tausendfache Schätzbarkeiten, zur Beqvemlichkeit, zur Zier,
So zum Nutzen, als Ergetzen, zu formiren und zu machen
Tauglich und geschicklich sind. Es ist ihre Fläch' ein Garten,
Angefüllt von Pracht und Schönheit von fast ungezehlten
Arten;

Aber er ist nicht zu sehn. Die Natur in ihrer Pracht
Jst ein wunderschöner Schau-Platz; wovon aber keine Spur
Jemand in die Augen fällt. Aber laßt uns der Natur
Nur den Menschen wiedergeben! laßt nur die Vernunft
auf Erden

Wieder dargestellet werden!
Alsobald wird ein Verband, ein Zusammenhang, Verständniß
Eine Harmonie und Einheit, Lust, Empfindlichkeit,
Erkänntniß
Ueber-
Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.
Niemand um ſie einzuſammlen, zu verzehren, aufzuraͤumen,
Und das Unkraut zu vertilgen waͤre da. Die Erde wuͤrde,
Wie man es nicht leugnen kann, zwar verſchiedne Thiere
naͤhren;

Aber dieſe niemand nutzen, keinem einen Dienſt gewaͤhren.
Nicht geſchohrne Schaafe wuͤrden der beſchmutzten Wolle
Buͤrde

Kuͤmmerlich nur tragen koͤnnen. Ja es wuͤrden Kuͤh’ und
Ziegen,

Von zu vieler Milch beſchwert, kranck und ungemolcken
liegen,

Nichts als lauter Wiederſpruch wuͤrd’ an allen Orten ſeyn.
Steine, die zum Bauen tuͤchtig, ſchließt der Schooß der Er-
den ein

Nebſt den koͤſtlichſten Metallen; doch Bewohner fehlen ihr,
Ja ſo wol als kluge Kuͤnſtler, welche ſonſt aus tauſend
Sachen

Tauſendfache Schaͤtzbarkeiten, zur Beqvemlichkeit, zur Zier,
So zum Nutzen, als Ergetzen, zu formiren und zu machen
Tauglich und geſchicklich ſind. Es iſt ihre Flaͤch’ ein Garten,
Angefuͤllt von Pracht und Schoͤnheit von faſt ungezehlten
Arten;

Aber er iſt nicht zu ſehn. Die Natur in ihrer Pracht
Jſt ein wunderſchoͤner Schau-Platz; wovon aber keine Spur
Jemand in die Augen faͤllt. Aber laßt uns der Natur
Nur den Menſchen wiedergeben! laßt nur die Vernunft
auf Erden

Wieder dargeſtellet werden!
Alſobald wird ein Verband, ein Zuſammenhang, Verſtaͤndniß
Eine Harmonie und Einheit, Luſt, Empfindlichkeit,
Erkaͤnntniß
Ueber-
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[349/0365] Kraͤfte der menſchlichen Vernunft. Niemand um ſie einzuſammlen, zu verzehren, aufzuraͤumen, Und das Unkraut zu vertilgen waͤre da. Die Erde wuͤrde, Wie man es nicht leugnen kann, zwar verſchiedne Thiere naͤhren; Aber dieſe niemand nutzen, keinem einen Dienſt gewaͤhren. Nicht geſchohrne Schaafe wuͤrden der beſchmutzten Wolle Buͤrde Kuͤmmerlich nur tragen koͤnnen. Ja es wuͤrden Kuͤh’ und Ziegen, Von zu vieler Milch beſchwert, kranck und ungemolcken liegen, Nichts als lauter Wiederſpruch wuͤrd’ an allen Orten ſeyn. Steine, die zum Bauen tuͤchtig, ſchließt der Schooß der Er- den ein Nebſt den koͤſtlichſten Metallen; doch Bewohner fehlen ihr, Ja ſo wol als kluge Kuͤnſtler, welche ſonſt aus tauſend Sachen Tauſendfache Schaͤtzbarkeiten, zur Beqvemlichkeit, zur Zier, So zum Nutzen, als Ergetzen, zu formiren und zu machen Tauglich und geſchicklich ſind. Es iſt ihre Flaͤch’ ein Garten, Angefuͤllt von Pracht und Schoͤnheit von faſt ungezehlten Arten; Aber er iſt nicht zu ſehn. Die Natur in ihrer Pracht Jſt ein wunderſchoͤner Schau-Platz; wovon aber keine Spur Jemand in die Augen faͤllt. Aber laßt uns der Natur Nur den Menſchen wiedergeben! laßt nur die Vernunft auf Erden Wieder dargeſtellet werden! Alſobald wird ein Verband, ein Zuſammenhang, Verſtaͤndniß Eine Harmonie und Einheit, Luſt, Empfindlichkeit, Erkaͤnntniß Ueber-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/365>, abgerufen am 19.05.2024.