Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Kräfte der menschlichen Vernunft.
Verdienet es demnach gar wol, mit ernstem Dencken,
Der Seelen Kraft auf ihre Kraft zu lencken,
Und, GOTT so wohl zum Ruhm, als uns zum Nutz,
zu sehn

Die Wunder, welche GOtt in sie zu sencken
Sie wehrt geachtet hat, ihn dadurch zu erhöhn:


Es ist wahr, es hat der Mensch nicht die schnelle
Fertigkeit,

Seine Stelle zu verändern, und sich über Thal und Hügel
Schnellen Vögeln gleich zu schwingen, und sich, in so kur-
tzer Zeit,

An entfernten Ort zu schaffen: denn er hat ja keine Flügel.
Gleichfals sind wir nicht so starck, wie verschiedne Thiere, die
Wir, Bewundrungs-voll, mit Hörnern, Zähnen, Sta-
cheln, scharffen Klanen

Sich zu schützen, sich zu nähren, wunderbar bewaffnet
schauen.

Ja, noch mehr; wir finden uns nicht gekleidet, wie das Vieh,
Von den Händen der Natur, da die Menschen auf der
Welt

Ohne Peltz-Werck, Federn, Schuppen, gegen Wetter, Hitz'
und Kält',

Ohne den geringsten Schutz, nackt und bloß gebohren
werden.

Schickt so nackte Dürftigkeit sich zum Könige der Erden?
Antwort:
Uns ist die Vernunft geschenckt, und durch diese sind wir
reich,

Starck, und wol versorgt mit allem, was uns nöhtig thut,
zugleich.
Durch
Y 5
Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.
Verdienet es demnach gar wol, mit ernſtem Dencken,
Der Seelen Kraft auf ihre Kraft zu lencken,
Und, GOTT ſo wohl zum Ruhm, als uns zum Nutz,
zu ſehn

Die Wunder, welche GOtt in ſie zu ſencken
Sie wehrt geachtet hat, ihn dadurch zu erhoͤhn:


Es iſt wahr, es hat der Menſch nicht die ſchnelle
Fertigkeit,

Seine Stelle zu veraͤndern, und ſich uͤber Thal und Huͤgel
Schnellen Voͤgeln gleich zu ſchwingen, und ſich, in ſo kur-
tzer Zeit,

An entfernten Ort zu ſchaffen: denn er hat ja keine Fluͤgel.
Gleichfals ſind wir nicht ſo ſtarck, wie verſchiedne Thiere, die
Wir, Bewundrungs-voll, mit Hoͤrnern, Zaͤhnen, Sta-
cheln, ſcharffen Klanen

Sich zu ſchuͤtzen, ſich zu naͤhren, wunderbar bewaffnet
ſchauen.

Ja, noch mehr; wir finden uns nicht gekleidet, wie das Vieh,
Von den Haͤnden der Natur, da die Menſchen auf der
Welt

Ohne Peltz-Werck, Federn, Schuppen, gegen Wetter, Hitz’
und Kaͤlt’,

Ohne den geringſten Schutz, nackt und bloß gebohren
werden.

Schickt ſo nackte Duͤrftigkeit ſich zum Koͤnige der Erden?
Antwort:
Uns iſt die Vernunft geſchenckt, und durch dieſe ſind wir
reich,

Starck, und wol verſorgt mit allem, was uns noͤhtig thut,
zugleich.
Durch
Y 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0361" n="345"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Kra&#x0364;fte der men&#x017F;chlichen Vernunft.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="7">
            <l>Verdienet es demnach gar wol, mit ern&#x017F;tem Dencken,</l><lb/>
            <l>Der Seelen Kraft auf ihre Kraft zu lencken,</l><lb/>
            <l>Und, <hi rendition="#g">GOTT</hi> &#x017F;o wohl zum Ruhm, als uns zum Nutz,<lb/><hi rendition="#et">zu &#x017F;ehn</hi></l><lb/>
            <l>Die Wunder, welche GOtt in &#x017F;ie zu &#x017F;encken</l><lb/>
            <l>Sie wehrt geachtet hat, ihn dadurch zu erho&#x0364;hn:</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg n="8">
            <l>Es i&#x017F;t wahr, es hat der Men&#x017F;ch nicht die &#x017F;chnelle<lb/><hi rendition="#et">Fertigkeit,</hi></l><lb/>
            <l>Seine Stelle zu vera&#x0364;ndern, und &#x017F;ich u&#x0364;ber Thal und Hu&#x0364;gel</l><lb/>
            <l>Schnellen Vo&#x0364;geln gleich zu &#x017F;chwingen, und &#x017F;ich, in &#x017F;o kur-<lb/><hi rendition="#et">tzer Zeit,</hi></l><lb/>
            <l>An entfernten Ort zu &#x017F;chaffen: denn er hat ja keine Flu&#x0364;gel.</l><lb/>
            <l>Gleichfals &#x017F;ind wir nicht &#x017F;o &#x017F;tarck, wie ver&#x017F;chiedne Thiere, die</l><lb/>
            <l>Wir, Bewundrungs-voll, mit Ho&#x0364;rnern, Za&#x0364;hnen, Sta-<lb/><hi rendition="#et">cheln, &#x017F;charffen Klanen</hi></l><lb/>
            <l>Sich zu &#x017F;chu&#x0364;tzen, &#x017F;ich zu na&#x0364;hren, wunderbar bewaffnet<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chauen.</hi></l><lb/>
            <l>Ja, noch mehr; wir finden uns nicht gekleidet, wie das Vieh,</l><lb/>
            <l>Von den Ha&#x0364;nden der Natur, da die Men&#x017F;chen auf der<lb/><hi rendition="#et">Welt</hi></l><lb/>
            <l>Ohne Peltz-Werck, Federn, Schuppen, gegen Wetter, Hitz&#x2019;<lb/><hi rendition="#et">und Ka&#x0364;lt&#x2019;,</hi></l><lb/>
            <l>Ohne den gering&#x017F;ten Schutz, nackt und bloß gebohren<lb/><hi rendition="#et">werden.</hi></l><lb/>
            <l>Schickt &#x017F;o nackte Du&#x0364;rftigkeit &#x017F;ich zum Ko&#x0364;nige der Erden?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="9">
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Antwort:</hi> </hi> </l><lb/>
            <l>Uns i&#x017F;t die Vernunft ge&#x017F;chenckt, und durch die&#x017F;e &#x017F;ind wir<lb/><hi rendition="#et">reich,</hi></l><lb/>
            <l>Starck, und wol ver&#x017F;orgt mit allem, was uns no&#x0364;htig thut,<lb/><hi rendition="#et">zugleich.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">Y 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Durch</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0361] Kraͤfte der menſchlichen Vernunft. Verdienet es demnach gar wol, mit ernſtem Dencken, Der Seelen Kraft auf ihre Kraft zu lencken, Und, GOTT ſo wohl zum Ruhm, als uns zum Nutz, zu ſehn Die Wunder, welche GOtt in ſie zu ſencken Sie wehrt geachtet hat, ihn dadurch zu erhoͤhn: Es iſt wahr, es hat der Menſch nicht die ſchnelle Fertigkeit, Seine Stelle zu veraͤndern, und ſich uͤber Thal und Huͤgel Schnellen Voͤgeln gleich zu ſchwingen, und ſich, in ſo kur- tzer Zeit, An entfernten Ort zu ſchaffen: denn er hat ja keine Fluͤgel. Gleichfals ſind wir nicht ſo ſtarck, wie verſchiedne Thiere, die Wir, Bewundrungs-voll, mit Hoͤrnern, Zaͤhnen, Sta- cheln, ſcharffen Klanen Sich zu ſchuͤtzen, ſich zu naͤhren, wunderbar bewaffnet ſchauen. Ja, noch mehr; wir finden uns nicht gekleidet, wie das Vieh, Von den Haͤnden der Natur, da die Menſchen auf der Welt Ohne Peltz-Werck, Federn, Schuppen, gegen Wetter, Hitz’ und Kaͤlt’, Ohne den geringſten Schutz, nackt und bloß gebohren werden. Schickt ſo nackte Duͤrftigkeit ſich zum Koͤnige der Erden? Antwort: Uns iſt die Vernunft geſchenckt, und durch dieſe ſind wir reich, Starck, und wol verſorgt mit allem, was uns noͤhtig thut, zugleich. Durch Y 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/361
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/361>, abgerufen am 20.05.2024.