Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Kräfte der menschlichen Vernunft. Hier seh ich, an verschiednen Stellen, Ein Silber-reines Wasser qvellen, Erst über weissem Sande fliessen, Hernach sich übers Land ergiessen, Sich über Weg und Fuß-Steig lencken, Und Wiesen, Gras und Kraut erträncken. Mir fiel bey diesem Wasser, ein: Es hieß der Schöpfer, auf der Erden Zwar alle Ding' und Cörper werden; Doch können sie sich nicht allein Nach Ordnung und Vernunft regieren; Es müssen darum Menschen seyn, Um sie zum rechten Zweck zu führen. Dem Geist des Menschen ist die Kraft Von dem, der alles schuf, geschencket, Daß er der Cörper Eigenschaft Nach Regul, Maaß und Ordnung lencket. Was könnte nicht, aus diesem Bach, Der Tag und Nacht beständig läuft, Und, sonder Aufsicht, nach und nach Das Land verderbet und ersäuft, So wol zur Lust, als Fruchtbarkeit der Erden, Für Nutzen nicht geschaffet werden? Solch unsern Geist betrachtendes Erwegen Kann uns aufs neu von unsers Geistes Wehrt, Und was für Gaben ihm beschehrt, Die Wahrheit klar vor Augen legen. Ve[r-]
Kraͤfte der menſchlichen Vernunft. Hier ſeh ich, an verſchiednen Stellen, Ein Silber-reines Waſſer qvellen, Erſt uͤber weiſſem Sande flieſſen, Hernach ſich uͤbers Land ergieſſen, Sich uͤber Weg und Fuß-Steig lencken, Und Wieſen, Gras und Kraut ertraͤncken. Mir fiel bey dieſem Waſſer, ein: Es hieß der Schoͤpfer, auf der Erden Zwar alle Ding’ und Coͤrper werden; Doch koͤnnen ſie ſich nicht allein Nach Ordnung und Vernunft regieren; Es muͤſſen darum Menſchen ſeyn, Um ſie zum rechten Zweck zu fuͤhren. Dem Geiſt des Menſchen iſt die Kraft Von dem, der alles ſchuf, geſchencket, Daß er der Coͤrper Eigenſchaft Nach Regul, Maaß und Ordnung lencket. Was koͤnnte nicht, aus dieſem Bach, Der Tag und Nacht beſtaͤndig laͤuft, Und, ſonder Aufſicht, nach und nach Das Land verderbet und erſaͤuft, So wol zur Luſt, als Fruchtbarkeit der Erden, Fuͤr Nutzen nicht geſchaffet werden? Solch unſern Geiſt betrachtendes Erwegen Kann uns aufs neu von unſers Geiſtes Wehrt, Und was fuͤr Gaben ihm beſchehrt, Die Wahrheit klar vor Augen legen. Ve[r-]
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Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.
Hier ſeh ich, an verſchiednen Stellen,
Ein Silber-reines Waſſer qvellen,
Erſt uͤber weiſſem Sande flieſſen,
Hernach ſich uͤbers Land ergieſſen,
Sich uͤber Weg und Fuß-Steig lencken,
Und Wieſen, Gras und Kraut ertraͤncken.
Mir fiel bey dieſem Waſſer, ein:
Es hieß der Schoͤpfer, auf der Erden
Zwar alle Ding’ und Coͤrper werden;
Doch koͤnnen ſie ſich nicht allein
Nach Ordnung und Vernunft regieren;
Es muͤſſen darum Menſchen ſeyn,
Um ſie zum rechten Zweck zu fuͤhren.
Dem Geiſt des Menſchen iſt die Kraft
Von dem, der alles ſchuf, geſchencket,
Daß er der Coͤrper Eigenſchaft
Nach Regul, Maaß und Ordnung lencket.
Was koͤnnte nicht, aus dieſem Bach,
Der Tag und Nacht beſtaͤndig laͤuft,
Und, ſonder Aufſicht, nach und nach
Das Land verderbet und erſaͤuft,
So wol zur Luſt, als Fruchtbarkeit der Erden,
Fuͤr Nutzen nicht geſchaffet werden?
Solch unſern Geiſt betrachtendes Erwegen
Kann uns aufs neu von unſers Geiſtes Wehrt,
Und was fuͤr Gaben ihm beſchehrt,
Die Wahrheit klar vor Augen legen.
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