Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.(***) Einige Betrachtungen über unsre Sinnen. Es scheint, wann wir uns recht betrachten, daß, ob zwar junger Kinder Seelen Die Fähigkeiten, zu vergleichen, zu schliessen, zu verstehn, nicht fehlen; Doch die gedachten Fähigkeiten und ihres Wesens rege Kraft Ohn unsrer Sinnen Wunder-Werckzeug, ohn' unsrer Sinnen Eigenschaft, Sich immermehr entwickeln würden. Die Sinnen wir- cken blos allein, Daß wir der Cörper gut geniessen, daß sie für uns ge- schaffen seyn, Daß, auf so wunderbare Weise, mit Cörpern Geister sich verbinden, Daß wir, was auf der Welt vorhanden, geniessen, sehen und empfinden, Daß wir der Creaturen Schönheit, die, auf so manche Weise, schön, Daß wir so viele Form- und Farben, daß wir des Lichtes Wunder sehn. Ohn unsre Sinnen, würden Cörper, die durch die Sin- nen mit den Seelen Auf eine mittelbare Weise, wie wirs empfinden, sich ver- mählen, Sich, recht als wären sie nicht da, den Seelen gantz und gar verhehlen. So laßt uns denn der Sinnen Gaben, die unsre Seelen gleichsam nähren, Zu ihrem Endzweck doch gebrauchen, und durch sie GOtt, als Schöpfer ehren! Ge- X 4
(***) Einige Betrachtungen uͤber unſre Sinnen. Es ſcheint, wann wir uns recht betrachten, daß, ob zwar junger Kinder Seelen Die Faͤhigkeiten, zu vergleichen, zu ſchlieſſen, zu verſtehn, nicht fehlen; Doch die gedachten Faͤhigkeiten und ihres Weſens rege Kraft Ohn unſrer Sinnen Wunder-Werckzeug, ohn’ unſrer Sinnen Eigenſchaft, Sich immermehr entwickeln wuͤrden. Die Sinnen wir- cken blos allein, Daß wir der Coͤrper gut genieſſen, daß ſie fuͤr uns ge- ſchaffen ſeyn, Daß, auf ſo wunderbare Weiſe, mit Coͤrpern Geiſter ſich verbinden, Daß wir, was auf der Welt vorhanden, genieſſen, ſehen und empfinden, Daß wir der Creaturen Schoͤnheit, die, auf ſo manche Weiſe, ſchoͤn, Daß wir ſo viele Form- und Farben, daß wir des Lichtes Wunder ſehn. Ohn unſre Sinnen, wuͤrden Coͤrper, die durch die Sin- nen mit den Seelen Auf eine mittelbare Weiſe, wie wirs empfinden, ſich ver- maͤhlen, Sich, recht als waͤren ſie nicht da, den Seelen gantz und gar verhehlen. So laßt uns denn der Sinnen Gaben, die unſre Seelen gleichſam naͤhren, Zu ihrem Endzweck doch gebrauchen, und durch ſie GOtt, als Schoͤpfer ehren! Ge- X 4
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Einige Betrachtungen uͤber unſre
Sinnen.
Es ſcheint, wann wir uns recht betrachten, daß, ob
zwar junger Kinder Seelen
Die Faͤhigkeiten, zu vergleichen, zu ſchlieſſen, zu verſtehn,
nicht fehlen;
Doch die gedachten Faͤhigkeiten und ihres Weſens rege
Kraft
Ohn unſrer Sinnen Wunder-Werckzeug, ohn’ unſrer
Sinnen Eigenſchaft,
Sich immermehr entwickeln wuͤrden. Die Sinnen wir-
cken blos allein,
Daß wir der Coͤrper gut genieſſen, daß ſie fuͤr uns ge-
ſchaffen ſeyn,
Daß, auf ſo wunderbare Weiſe, mit Coͤrpern Geiſter
ſich verbinden,
Daß wir, was auf der Welt vorhanden, genieſſen, ſehen
und empfinden,
Daß wir der Creaturen Schoͤnheit, die, auf ſo manche
Weiſe, ſchoͤn,
Daß wir ſo viele Form- und Farben, daß wir des Lichtes
Wunder ſehn.
Ohn unſre Sinnen, wuͤrden Coͤrper, die durch die Sin-
nen mit den Seelen
Auf eine mittelbare Weiſe, wie wirs empfinden, ſich ver-
maͤhlen,
Sich, recht als waͤren ſie nicht da, den Seelen gantz und
gar verhehlen.
So laßt uns denn der Sinnen Gaben, die unſre
Seelen gleichſam naͤhren,
Zu ihrem Endzweck doch gebrauchen, und durch ſie GOtt, als
Schoͤpfer ehren!
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