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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Mond-Schein.
Mit sanften Schritten hin und her
Vergnügt spatzieren gieng. Jch kunte mich nicht satt
An diesem Erd- und Himmel-Spiegel sehn.

Unglaublich eben, still und glatt
War die Crystallen-gleiche Fläche.
Der Abend-Röthe Rest schien fast in grössrer Schwäche
Am Himmel, als auf ihr: unglaublich rein und schön
War Westen-wärts die lichte Heiterkeit
Am Firmament, im Wasser auch, zu sehn.
Zur Seiten kam ein Wiederschein
Von einem lieblichen Gebüsch, von Binsen und von Rohr,
Mir in natürlichster Vollkommenheit,
Als wär' es alles doppelt, vor.
Absonderlich nahm ein fast wahrer Schein
Von dicken Wipfeln hoher Linden,
Die an dem fetten Strand sich da gepflantzet finden,
Mit einem duncklen Schmuck das klare Wasser ein.
Jch hatte meine Lust, die Gleichheit dieser Schatten,
Die sie, im Wiederschein, mit ihrem Urbild hatten,
Bewundernd anzusehn. Allein,
Wie stutzt' ich, als mein Blick, bey meinem sanften
Schritte,

Auf dieser glatten Bahn gemächlich vor sich glitte,
Und ich, ohn überwärts zu sehn,
Den hellen Mond, in vollem Licht',
An einem grünen Himmel fand.
Noch

Mond-Schein.
Mit ſanften Schritten hin und her
Vergnuͤgt ſpatzieren gieng. Jch kunte mich nicht ſatt
An dieſem Erd- und Himmel-Spiegel ſehn.

Unglaublich eben, ſtill und glatt
War die Cryſtallen-gleiche Flaͤche.
Der Abend-Roͤthe Reſt ſchien faſt in groͤſſrer Schwaͤche
Am Himmel, als auf ihr: unglaublich rein und ſchoͤn
War Weſten-waͤrts die lichte Heiterkeit
Am Firmament, im Waſſer auch, zu ſehn.
Zur Seiten kam ein Wiederſchein
Von einem lieblichen Gebuͤſch, von Binſen und von Rohr,
Mir in natuͤrlichſter Vollkommenheit,
Als waͤr’ es alles doppelt, vor.
Abſonderlich nahm ein faſt wahrer Schein
Von dicken Wipfeln hoher Linden,
Die an dem fetten Strand ſich da gepflantzet finden,
Mit einem duncklen Schmuck das klare Waſſer ein.
Jch hatte meine Luſt, die Gleichheit dieſer Schatten,
Die ſie, im Wiederſchein, mit ihrem Urbild hatten,
Bewundernd anzuſehn. Allein,
Wie ſtutzt’ ich, als mein Blick, bey meinem ſanften
Schritte,

Auf dieſer glatten Bahn gemaͤchlich vor ſich glitte,
Und ich, ohn uͤberwaͤrts zu ſehn,
Den hellen Mond, in vollem Licht’,
An einem gruͤnen Himmel fand.
Noch
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[66/0098] Mond-Schein. Mit ſanften Schritten hin und her Vergnuͤgt ſpatzieren gieng. Jch kunte mich nicht ſatt An dieſem Erd- und Himmel-Spiegel ſehn. Unglaublich eben, ſtill und glatt War die Cryſtallen-gleiche Flaͤche. Der Abend-Roͤthe Reſt ſchien faſt in groͤſſrer Schwaͤche Am Himmel, als auf ihr: unglaublich rein und ſchoͤn War Weſten-waͤrts die lichte Heiterkeit Am Firmament, im Waſſer auch, zu ſehn. Zur Seiten kam ein Wiederſchein Von einem lieblichen Gebuͤſch, von Binſen und von Rohr, Mir in natuͤrlichſter Vollkommenheit, Als waͤr’ es alles doppelt, vor. Abſonderlich nahm ein faſt wahrer Schein Von dicken Wipfeln hoher Linden, Die an dem fetten Strand ſich da gepflantzet finden, Mit einem duncklen Schmuck das klare Waſſer ein. Jch hatte meine Luſt, die Gleichheit dieſer Schatten, Die ſie, im Wiederſchein, mit ihrem Urbild hatten, Bewundernd anzuſehn. Allein, Wie ſtutzt’ ich, als mein Blick, bey meinem ſanften Schritte, Auf dieſer glatten Bahn gemaͤchlich vor ſich glitte, Und ich, ohn uͤberwaͤrts zu ſehn, Den hellen Mond, in vollem Licht’, An einem gruͤnen Himmel fand. Noch

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/98>, abgerufen am 24.11.2024.