Von Andacht angeflammt, zum Danck, der Dir gebühret, Jn fröhlicher Betrachtung sey geführet! Und da mir, wie ich eben seh, Das Alter mit der Jahre Schnee Mein Haupt schon droht zu überziehn, Und ein gemischtes Silber-gran, Das ich schon hin und wieder schau, Sich allgemach scheint zu bemühn Die gantze Scheitel zu bedecken, So scheint ihr Schimmer mich, bevor ich schlaffen geh, Vorher noch erst vom Schlummer zu erwecken, Um, eh des Winters kalte Nacht Den Baum des Cörpers kahl gemacht, Noch vor des künftgen Frühlings Morgen, So lang' ich sorgen kann, zu sorgen.
Gieb, ewge Liebe, dann, Daß, ehe mich des Todes Frost entlaubet, Und mir der Sinnen Werckzeug raubet, Jch (wie das Winter-Korn) so viel ich immer kann, Sowol für mich, als iederman, Den Saamen der Betrachtung streue. Damit ich mich, nach dieser Zeit, Jm Sommer jener Ewigkeit Nebst andern, Dir zur Ehr, der ewgen Früchte freue.
Jnzwischen preis' ich Dich, o HERR der Jahr' und Tage! Daß Du mich abermahl in diesem Jahr Zusammt den meinigen, für mancherley Gefahr, Für ungezehlter Noth und Plage,
Die
K k 4
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Von Andacht angeflammt, zum Danck, der Dir gebuͤhret, Jn froͤhlicher Betrachtung ſey gefuͤhret! Und da mir, wie ich eben ſeh, Das Alter mit der Jahre Schnee Mein Haupt ſchon droht zu uͤberziehn, Und ein gemiſchtes Silber-gran, Das ich ſchon hin und wieder ſchau, Sich allgemach ſcheint zu bemuͤhn Die gantze Scheitel zu bedecken, So ſcheint ihr Schimmer mich, bevor ich ſchlaffen geh, Vorher noch erſt vom Schlummer zu erwecken, Um, eh des Winters kalte Nacht Den Baum des Coͤrpers kahl gemacht, Noch vor des kuͤnftgen Fruͤhlings Morgen, So lang’ ich ſorgen kann, zu ſorgen.
Gieb, ewge Liebe, dann, Daß, ehe mich des Todes Froſt entlaubet, Und mir der Sinnen Werckzeug raubet, Jch (wie das Winter-Korn) ſo viel ich immer kann, Sowol fuͤr mich, als iederman, Den Saamen der Betrachtung ſtreue. Damit ich mich, nach dieſer Zeit, Jm Sommer jener Ewigkeit Nebſt andern, Dir zur Ehr, der ewgen Fruͤchte freue.
Jnzwiſchen preiſ’ ich Dich, o HERR der Jahr’ und Tage! Daß Du mich abermahl in dieſem Jahr Zuſammt den meinigen, fuͤr mancherley Gefahr, Fuͤr ungezehlter Noth und Plage,
Die
K k 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="51"><l><pbfacs="#f0551"n="519"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.</hi></fw></l><lb/><l>Von Andacht angeflammt, zum Danck, der Dir gebuͤhret,</l><lb/><l>Jn froͤhlicher Betrachtung ſey gefuͤhret!</l><lb/><l>Und da mir, wie ich eben ſeh,</l><lb/><l>Das Alter mit der Jahre Schnee</l><lb/><l>Mein Haupt ſchon droht zu uͤberziehn,</l><lb/><l>Und ein gemiſchtes Silber-gran,</l><lb/><l>Das ich ſchon hin und wieder ſchau,</l><lb/><l>Sich allgemach ſcheint zu bemuͤhn</l><lb/><l>Die gantze Scheitel zu bedecken,</l><lb/><l>So ſcheint ihr Schimmer mich, bevor ich ſchlaffen geh,</l><lb/><l>Vorher noch erſt vom Schlummer zu erwecken,</l><lb/><l>Um, eh des Winters kalte Nacht</l><lb/><l>Den Baum des Coͤrpers kahl gemacht,</l><lb/><l>Noch vor des kuͤnftgen Fruͤhlings Morgen,</l><lb/><l>So lang’ ich ſorgen kann, zu ſorgen.</l></lg><lb/><lgn="52"><l>Gieb, ewge Liebe, dann,</l><lb/><l>Daß, ehe mich des Todes Froſt entlaubet,</l><lb/><l>Und mir der Sinnen Werckzeug raubet,</l><lb/><l>Jch (wie das Winter-Korn) ſo viel ich immer kann,</l><lb/><l>Sowol fuͤr mich, als iederman,</l><lb/><l>Den Saamen der Betrachtung ſtreue.</l><lb/><l>Damit ich mich, nach dieſer Zeit,</l><lb/><l>Jm Sommer jener Ewigkeit</l><lb/><l>Nebſt andern, Dir zur Ehr, der ewgen Fruͤchte freue.</l></lg><lb/><lgn="53"><l>Jnzwiſchen preiſ’ ich Dich, o HERR der Jahr’ und<lb/><hirendition="#et">Tage!</hi></l><lb/><l>Daß Du mich abermahl in dieſem Jahr</l><lb/><l>Zuſammt den meinigen, fuͤr mancherley Gefahr,</l><lb/><l>Fuͤr ungezehlter Noth und Plage,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K k 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></l></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[519/0551]
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Von Andacht angeflammt, zum Danck, der Dir gebuͤhret,
Jn froͤhlicher Betrachtung ſey gefuͤhret!
Und da mir, wie ich eben ſeh,
Das Alter mit der Jahre Schnee
Mein Haupt ſchon droht zu uͤberziehn,
Und ein gemiſchtes Silber-gran,
Das ich ſchon hin und wieder ſchau,
Sich allgemach ſcheint zu bemuͤhn
Die gantze Scheitel zu bedecken,
So ſcheint ihr Schimmer mich, bevor ich ſchlaffen geh,
Vorher noch erſt vom Schlummer zu erwecken,
Um, eh des Winters kalte Nacht
Den Baum des Coͤrpers kahl gemacht,
Noch vor des kuͤnftgen Fruͤhlings Morgen,
So lang’ ich ſorgen kann, zu ſorgen.
Gieb, ewge Liebe, dann,
Daß, ehe mich des Todes Froſt entlaubet,
Und mir der Sinnen Werckzeug raubet,
Jch (wie das Winter-Korn) ſo viel ich immer kann,
Sowol fuͤr mich, als iederman,
Den Saamen der Betrachtung ſtreue.
Damit ich mich, nach dieſer Zeit,
Jm Sommer jener Ewigkeit
Nebſt andern, Dir zur Ehr, der ewgen Fruͤchte freue.
Jnzwiſchen preiſ’ ich Dich, o HERR der Jahr’ und
Tage!
Daß Du mich abermahl in dieſem Jahr
Zuſammt den meinigen, fuͤr mancherley Gefahr,
Fuͤr ungezehlter Noth und Plage,
Die
K k 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/551>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.