Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.
Wie nun aber Millionen Millionen Meer' aus Theilen, Ob sie gleich in schnellem Wirbel heftig durcheinander eilen, Doch in unveränderter richtiger Bewegung gehn, Und nie aus den Schrancken treten; kann ja wol kein Mensch verstehn, Und ist allen unbegreifflich. Dennoch find ich in der That Ein Exempel, welches mir, wenigstens im Schatten, zeiget, Daß, die Möglichkeit zu fassen, unsern Geist nicht übersteiget, Und, das, wenigstens für mich, etwas überzeuglichs hat. Sollt ein Frosch, auf welche Weise wir die Lettern fü- gen, trennen, Und, durch ungezehltes Fügen, Geister fast vercörpern kön- nen, Wol begreiffen und verstehn? Wir hingegen könnens fassen. Wie viel mehr und grössre Kräffte müssen wir nicht GOTT zu trauen, Da wir unsre gegen SEINE, weit unendlich kleiner schauen, Als des Frosches gegen uns! lege denn darüm den Zügel Deiner flatternden Vernunft, selber durch Vernunft- Schlüss' an, Und, wohin auch ihre Krafft endlich nicht gelangen kann, Zu der Weisheit hellem Licht; brauche deines Glaubens Flügel. Nun K k 2
Wie nun aber Millionen Millionen Meer’ aus Theilen, Ob ſie gleich in ſchnellem Wirbel heftig durcheinander eilen, Doch in unveraͤnderter richtiger Bewegung gehn, Und nie aus den Schrancken treten; kann ja wol kein Menſch verſtehn, Und iſt allen unbegreifflich. Dennoch find ich in der That Ein Exempel, welches mir, wenigſtens im Schatten, zeiget, Daß, die Moͤglichkeit zu faſſen, unſern Geiſt nicht uͤberſteiget, Und, das, wenigſtens fuͤr mich, etwas uͤberzeuglichs hat. Sollt ein Froſch, auf welche Weiſe wir die Lettern fuͤ- gen, trennen, Und, durch ungezehltes Fuͤgen, Geiſter faſt vercoͤrpern koͤn- nen, Wol begreiffen und verſtehn? Wir hingegen koͤnnens faſſen. Wie viel mehr und groͤſſre Kraͤffte muͤſſen wir nicht GOTT zu trauen, Da wir unſre gegen SEINE, weit unendlich kleiner ſchauen, Als des Froſches gegen uns! lege denn daruͤm den Zuͤgel Deiner flatternden Vernunft, ſelber durch Vernunft- Schluͤſſ’ an, Und, wohin auch ihre Krafft endlich nicht gelangen kann, Zu der Weisheit hellem Licht; brauche deines Glaubens Fluͤgel. Nun K k 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="41"> <l> <pb facs="#f0547" n="515"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Moͤgten wir doch die Erfindung zu ſo heilgem Zweck ge-<lb/><hi rendition="#et">brauchen;</hi></l><lb/> <l>Wuͤrde wahrlich GOTTES Nahme, wie im Himmel, ſo<lb/><hi rendition="#et">auf Erden,</hi></l><lb/> <l>Jn Betrachtung Seiner Wunder, ungeſtoͤrt geheiligt wer-<lb/><hi rendition="#et">den,</hi></l><lb/> <l>Und des Hertzens Danck-Altar, GOTT zum Preiſe, ſtetig<lb/><hi rendition="#et">rauchen.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="42"> <l>Wie nun aber Millionen Millionen Meer’ aus Theilen,</l><lb/> <l>Ob ſie gleich in ſchnellem Wirbel heftig durcheinander eilen,</l><lb/> <l>Doch in unveraͤnderter richtiger Bewegung gehn,</l><lb/> <l>Und nie aus den Schrancken treten; kann ja wol kein<lb/><hi rendition="#et">Menſch verſtehn,</hi></l><lb/> <l>Und iſt allen unbegreifflich. Dennoch find ich in der That</l><lb/> <l>Ein Exempel, welches mir, wenigſtens im Schatten, zeiget,</l><lb/> <l>Daß, die Moͤglichkeit zu faſſen, unſern Geiſt nicht uͤberſteiget,</l><lb/> <l>Und, das, wenigſtens fuͤr mich, etwas uͤberzeuglichs hat.</l> </lg><lb/> <lg n="43"> <l>Sollt ein Froſch, auf welche Weiſe wir die Lettern fuͤ-<lb/><hi rendition="#et">gen, trennen,</hi></l><lb/> <l>Und, durch ungezehltes Fuͤgen, Geiſter faſt vercoͤrpern koͤn-<lb/><hi rendition="#et">nen,</hi></l><lb/> <l>Wol begreiffen und verſtehn? Wir hingegen koͤnnens faſſen.</l><lb/> <l>Wie viel mehr und groͤſſre Kraͤffte muͤſſen wir nicht GOTT<lb/><hi rendition="#et">zu trauen,</hi></l><lb/> <l>Da wir unſre gegen SEINE, weit unendlich kleiner<lb/><hi rendition="#et">ſchauen,</hi></l><lb/> <l>Als des Froſches gegen uns! lege denn daruͤm den Zuͤgel</l><lb/> <l>Deiner flatternden Vernunft, ſelber durch Vernunft-<lb/><hi rendition="#et">Schluͤſſ’ an,</hi></l><lb/> <l>Und, wohin auch ihre Krafft endlich nicht gelangen kann,</l><lb/> <l>Zu der Weisheit hellem Licht; brauche deines Glaubens<lb/><hi rendition="#et">Fluͤgel.</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">K k 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Nun</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [515/0547]
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Moͤgten wir doch die Erfindung zu ſo heilgem Zweck ge-
brauchen;
Wuͤrde wahrlich GOTTES Nahme, wie im Himmel, ſo
auf Erden,
Jn Betrachtung Seiner Wunder, ungeſtoͤrt geheiligt wer-
den,
Und des Hertzens Danck-Altar, GOTT zum Preiſe, ſtetig
rauchen.
Wie nun aber Millionen Millionen Meer’ aus Theilen,
Ob ſie gleich in ſchnellem Wirbel heftig durcheinander eilen,
Doch in unveraͤnderter richtiger Bewegung gehn,
Und nie aus den Schrancken treten; kann ja wol kein
Menſch verſtehn,
Und iſt allen unbegreifflich. Dennoch find ich in der That
Ein Exempel, welches mir, wenigſtens im Schatten, zeiget,
Daß, die Moͤglichkeit zu faſſen, unſern Geiſt nicht uͤberſteiget,
Und, das, wenigſtens fuͤr mich, etwas uͤberzeuglichs hat.
Sollt ein Froſch, auf welche Weiſe wir die Lettern fuͤ-
gen, trennen,
Und, durch ungezehltes Fuͤgen, Geiſter faſt vercoͤrpern koͤn-
nen,
Wol begreiffen und verſtehn? Wir hingegen koͤnnens faſſen.
Wie viel mehr und groͤſſre Kraͤffte muͤſſen wir nicht GOTT
zu trauen,
Da wir unſre gegen SEINE, weit unendlich kleiner
ſchauen,
Als des Froſches gegen uns! lege denn daruͤm den Zuͤgel
Deiner flatternden Vernunft, ſelber durch Vernunft-
Schluͤſſ’ an,
Und, wohin auch ihre Krafft endlich nicht gelangen kann,
Zu der Weisheit hellem Licht; brauche deines Glaubens
Fluͤgel.
Nun
K k 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/547 |
Zitationshilfe: | Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/547>, abgerufen am 23.07.2024. |