Wären nur (Exempels weis') alle Theil' an unsrer Zungen Auf dieselbig' Art vereint, in einander so geschlungen, Als der Zähne Theilchen sind; würden sie nicht zu bewegen, Und, wofern der Zähne Theile, unsrer Zungen Theilen gleich; Ungeschickt zum käuen seyn, und nicht brauchbar, weil sie weich: Wäre gleichfalls in dem Fleisch, in dem Korn und andern Speisen, Jedes Theil so fest verbunden, wie im Kieselstein und Eisen; Würd' auf Erden alles sterben, und der Thiere gantzes Reich Alsobald verkommen müssen. Billig sollte denn auf Erden Kein vernünftiges Geschöpf iemahls angetroffen werden, Das, in so verschiednen Arten des Zusammenhangs der Theile, Nicht ein unbeschreiblich Wunder finden, fühlen, sehn, ver- stehn, Und dem Schöpfer dancken müste, daß Sein' Allmachts- Hand die Welt, Und die Cörper die darin, wunderbar zusammen hält, Wunderbar regiert und lencket. Aber lasst uns weiter gehn. Und, in dem Zusammenhange, noch ein neues Wunder sehn, Da er fest, und nicht zu fest. Denn wenn Theil' auch sich nicht trennten, Und die Cörper durch die Fäulniß aufgelöset werden könten; Würde, durch die todten Aeser, so von Menschen als von Thieren, Und den Wust verwelckter Pflantzen, aus dem gantzen Kreis der Erden, Die anietzt so Wunder-schön, fast ein Schinder-Anger werden.
Also
J i
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Waͤren nur (Exempels weiſ’) alle Theil’ an unſrer Zungen Auf dieſelbig’ Art vereint, in einander ſo geſchlungen, Als der Zaͤhne Theilchen ſind; wuͤrden ſie nicht zu bewegen, Und, wofern der Zaͤhne Theile, unſrer Zungen Theilen gleich; Ungeſchickt zum kaͤuen ſeyn, und nicht brauchbar, weil ſie weich: Waͤre gleichfalls in dem Fleiſch, in dem Korn und andern Speiſen, Jedes Theil ſo feſt verbunden, wie im Kieſelſtein und Eiſen; Wuͤrd’ auf Erden alles ſterben, und der Thiere gantzes Reich Alſobald verkommen muͤſſen. Billig ſollte denn auf Erden Kein vernuͤnftiges Geſchoͤpf iemahls angetroffen werden, Das, in ſo verſchiednen Arten des Zuſammenhangs der Theile, Nicht ein unbeſchreiblich Wunder finden, fuͤhlen, ſehn, ver- ſtehn, Und dem Schoͤpfer dancken muͤſte, daß Sein’ Allmachts- Hand die Welt, Und die Coͤrper die darin, wunderbar zuſammen haͤlt, Wunderbar regiert und lencket. Aber laſſt uns weiter gehn. Und, in dem Zuſammenhange, noch ein neues Wunder ſehn, Da er feſt, und nicht zu feſt. Denn wenn Theil’ auch ſich nicht trennten, Und die Coͤrper durch die Faͤulniß aufgeloͤſet werden koͤnten; Wuͤrde, durch die todten Aeſer, ſo von Menſchen als von Thieren, Und den Wuſt verwelckter Pflantzen, aus dem gantzen Kreis der Erden, Die anietzt ſo Wunder-ſchoͤn, faſt ein Schinder-Anger werden.
Alſo
J i
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bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Waͤren nur (Exempels weiſ’) alle Theil’ an unſrer Zungen
Auf dieſelbig’ Art vereint, in einander ſo geſchlungen,
Als der Zaͤhne Theilchen ſind; wuͤrden ſie nicht zu bewegen,
Und, wofern der Zaͤhne Theile, unſrer Zungen Theilen gleich;
Ungeſchickt zum kaͤuen ſeyn, und nicht brauchbar, weil ſie
weich:
Waͤre gleichfalls in dem Fleiſch, in dem Korn und andern
Speiſen,
Jedes Theil ſo feſt verbunden, wie im Kieſelſtein und Eiſen;
Wuͤrd’ auf Erden alles ſterben, und der Thiere gantzes
Reich
Alſobald verkommen muͤſſen. Billig ſollte denn auf Erden
Kein vernuͤnftiges Geſchoͤpf iemahls angetroffen werden,
Das, in ſo verſchiednen Arten des Zuſammenhangs der
Theile,
Nicht ein unbeſchreiblich Wunder finden, fuͤhlen, ſehn, ver-
ſtehn,
Und dem Schoͤpfer dancken muͤſte, daß Sein’ Allmachts-
Hand die Welt,
Und die Coͤrper die darin, wunderbar zuſammen haͤlt,
Wunderbar regiert und lencket. Aber laſſt uns weiter
gehn.
Und, in dem Zuſammenhange, noch ein neues Wunder ſehn,
Da er feſt, und nicht zu feſt. Denn wenn Theil’ auch ſich
nicht trennten,
Und die Coͤrper durch die Faͤulniß aufgeloͤſet werden koͤnten;
Wuͤrde, durch die todten Aeſer, ſo von Menſchen als von
Thieren,
Und den Wuſt verwelckter Pflantzen, aus dem gantzen Kreis
der Erden,
Die anietzt ſo Wunder-ſchoͤn, faſt ein Schinder-Anger
werden.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/529>, abgerufen am 19.02.2025.
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