Würd' alles unfruchtbar und ewig öde seyn. GOTT könnte nicht erkannt, bewundert, noch erhöht, Gepriesen nicht, nicht angebetet werden. Denn alle Sonnen, alle Erden, Wo nicht ein denckender vernünftger Geist in ihnen, Vermögten GOTT mit nichts zu dienen. Und könnten Jhn, so wenig als ein Stein, Zu ehren und zu rühmen tüchtig seyn.
Das Seyn ist eigentlich kein Gut mit Recht zu nennen, Als für Geschöpf' allein, die was begreiffen können. Das Wesen dienet dem, das nicht beseelt, zu nichts, Weil es sein eigen Seyn nicht einst vermag zu fühlen. Darüm hat GOTT, die Quell des Lebens und des Lichts, Die Creatur beseelt, und nicht allein ein Leben, So gar die wunderbare Krafft Und unbegreiffliche besondre Eigenschaft, Den Sinn auf sich zurück zu lencken, Auf sich, auf andre Ding' auf GOtt selbst, zu gedencken, Derselbigen gewürdiget zu schencken. Sie hat, benebst der Fähigkeit zu wehlen, Die Unterscheidungs-Krafft, die Krafft zu überlegen, Sich zu erinnern, was geschehn, Und das, was künfftig ist, wol gar vorher zu sehn.
Ach lass't uns dieses wol erwegen! Er hat, o Wunder Lieb' und Huld! ihr wollen gönnen, Jn seiner Wercke Pracht, und ihrem Wunder-Schein', Jhr eigenes Vergnügen zu erkennen, Und eben darin froh, ja seelig fast, zu seyn.
Jch bet', o HErr, o Allmacht-voller GOTT, Du unbegreifflicher HErr Zebaoth,
Da
G g 5
Neu-Jahrs-Gedicht.
Wuͤrd’ alles unfruchtbar und ewig oͤde ſeyn. GOTT koͤnnte nicht erkannt, bewundert, noch erhoͤht, Geprieſen nicht, nicht angebetet werden. Denn alle Sonnen, alle Erden, Wo nicht ein denckender vernuͤnftger Geiſt in ihnen, Vermoͤgten GOTT mit nichts zu dienen. Und koͤnnten Jhn, ſo wenig als ein Stein, Zu ehren und zu ruͤhmen tuͤchtig ſeyn.
Das Seyn iſt eigentlich kein Gut mit Recht zu nennen, Als fuͤr Geſchoͤpf’ allein, die was begreiffen koͤnnen. Das Weſen dienet dem, das nicht beſeelt, zu nichts, Weil es ſein eigen Seyn nicht einſt vermag zu fuͤhlen. Daruͤm hat GOTT, die Quell des Lebens und des Lichts, Die Creatur beſeelt, und nicht allein ein Leben, So gar die wunderbare Krafft Und unbegreiffliche beſondre Eigenſchaft, Den Sinn auf ſich zuruͤck zu lencken, Auf ſich, auf andre Ding’ auf GOtt ſelbſt, zu gedencken, Derſelbigen gewuͤrdiget zu ſchencken. Sie hat, benebſt der Faͤhigkeit zu wehlen, Die Unterſcheidungs-Krafft, die Krafft zu uͤberlegen, Sich zu erinnern, was geſchehn, Und das, was kuͤnfftig iſt, wol gar vorher zu ſehn.
Ach laſſ’t uns dieſes wol erwegen! Er hat, o Wunder Lieb’ und Huld! ihr wollen goͤnnen, Jn ſeiner Wercke Pracht, und ihrem Wunder-Schein’, Jhr eigenes Vergnuͤgen zu erkennen, Und eben darin froh, ja ſeelig faſt, zu ſeyn.
Jch bet’, o HErr, o Allmacht-voller GOTT, Du unbegreifflicher HErr Zebaoth,
Da
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Neu-Jahrs-Gedicht.
Wuͤrd’ alles unfruchtbar und ewig oͤde ſeyn.
GOTT koͤnnte nicht erkannt, bewundert, noch erhoͤht,
Geprieſen nicht, nicht angebetet werden.
Denn alle Sonnen, alle Erden,
Wo nicht ein denckender vernuͤnftger Geiſt in ihnen,
Vermoͤgten GOTT mit nichts zu dienen.
Und koͤnnten Jhn, ſo wenig als ein Stein,
Zu ehren und zu ruͤhmen tuͤchtig ſeyn.
Das Seyn iſt eigentlich kein Gut mit Recht zu nennen,
Als fuͤr Geſchoͤpf’ allein, die was begreiffen koͤnnen.
Das Weſen dienet dem, das nicht beſeelt, zu nichts,
Weil es ſein eigen Seyn nicht einſt vermag zu fuͤhlen.
Daruͤm hat GOTT, die Quell des Lebens und des Lichts,
Die Creatur beſeelt, und nicht allein ein Leben,
So gar die wunderbare Krafft
Und unbegreiffliche beſondre Eigenſchaft,
Den Sinn auf ſich zuruͤck zu lencken,
Auf ſich, auf andre Ding’ auf GOtt ſelbſt, zu gedencken,
Derſelbigen gewuͤrdiget zu ſchencken.
Sie hat, benebſt der Faͤhigkeit zu wehlen,
Die Unterſcheidungs-Krafft, die Krafft zu uͤberlegen,
Sich zu erinnern, was geſchehn,
Und das, was kuͤnfftig iſt, wol gar vorher zu ſehn.
Ach laſſ’t uns dieſes wol erwegen!
Er hat, o Wunder Lieb’ und Huld! ihr wollen goͤnnen,
Jn ſeiner Wercke Pracht, und ihrem Wunder-Schein’,
Jhr eigenes Vergnuͤgen zu erkennen,
Und eben darin froh, ja ſeelig faſt, zu ſeyn.
Jch bet’, o HErr, o Allmacht-voller GOTT,
Du unbegreifflicher HErr Zebaoth,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/505>, abgerufen am 19.02.2025.
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