Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Das Vergangene, Sage nicht: was irdisch ist, ist zu unwehrt, zu ge- ringe, Daß die Gottheit sich damit dergestalt befassen soll: Nein! dieß eben zeigt die Gottheit, daß auch in dem klein- sten Dinge, Seine Weisheit, Macht und Güte, Lieb' und Grösse ja so wol, Als im allergrösten ist. Ja es kann nichts groß, nichts klein, Jm Entgegenhalt der Allmacht, eigentlich genennet seyn. Etwas grosses zu erschaffen, kommt ja GOTT nicht schwerer an, Als den allerkleinsten Staub: und der weise Schöpfer kann Das so leicht, als dieß, erhalten. O allgegenwärtigs All! Des allsehendes Gesicht Auf das künftge, das vergangne, und was ist, zugleich ge- richt! Wesen! welches, wie ein Meer, so unendlich, was verfliesset, Und was, wie ein Strohm, verstreicht, in sich fasset, und enthält, Und in welches, was geschaffen, sammt den Zeiten aller Welt, Aus unzehligen Planeten, unaufhörlich sich ergiesset! Wo die Flüssigkeit verschwindet, wo die Flüchtigkeit ver- geht, Und woselbst, in steter Ruhe, alles ewig stille steht! Ach! erbarm dich mein! und schencke Mir, o Schöpfer, Deinen Geist; daß ich offt hieran ge- dencke, Und, so lang ich auf der Welt in dem Fluß der Zeiten lebe, Ohne Schlummer der Gewohnheit, mich mit allem Ernst bestrebe, Daß
Das Vergangene, Sage nicht: was irdiſch iſt, iſt zu unwehrt, zu ge- ringe, Daß die Gottheit ſich damit dergeſtalt befaſſen ſoll: Nein! dieß eben zeigt die Gottheit, daß auch in dem klein- ſten Dinge, Seine Weisheit, Macht und Guͤte, Lieb’ und Groͤſſe ja ſo wol, Als im allergroͤſten iſt. Ja es kann nichts groß, nichts klein, Jm Entgegenhalt der Allmacht, eigentlich genennet ſeyn. Etwas groſſes zu erſchaffen, kommt ja GOTT nicht ſchwerer an, Als den allerkleinſten Staub: und der weiſe Schoͤpfer kann Das ſo leicht, als dieß, erhalten. O allgegenwaͤrtigs All! Des allſehendes Geſicht Auf das kuͤnftge, das vergangne, und was iſt, zugleich ge- richt! Weſen! welches, wie ein Meer, ſo unendlich, was verflieſſet, Und was, wie ein Strohm, verſtreicht, in ſich faſſet, und enthaͤlt, Und in welches, was geſchaffen, ſammt den Zeiten aller Welt, Aus unzehligen Planeten, unaufhoͤrlich ſich ergieſſet! Wo die Fluͤſſigkeit verſchwindet, wo die Fluͤchtigkeit ver- geht, Und woſelbſt, in ſteter Ruhe, alles ewig ſtille ſteht! Ach! erbarm dich mein! und ſchencke Mir, o Schoͤpfer, Deinen Geiſt; daß ich offt hieran ge- dencke, Und, ſo lang ich auf der Welt in dem Fluß der Zeiten lebe, Ohne Schlummer der Gewohnheit, mich mit allem Ernſt beſtrebe, Daß
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Das Vergangene,
Sage nicht: was irdiſch iſt, iſt zu unwehrt, zu ge-
ringe,
Daß die Gottheit ſich damit dergeſtalt befaſſen ſoll:
Nein! dieß eben zeigt die Gottheit, daß auch in dem klein-
ſten Dinge,
Seine Weisheit, Macht und Guͤte, Lieb’ und Groͤſſe ja ſo
wol,
Als im allergroͤſten iſt. Ja es kann nichts groß, nichts
klein,
Jm Entgegenhalt der Allmacht, eigentlich genennet ſeyn.
Etwas groſſes zu erſchaffen, kommt ja GOTT nicht
ſchwerer an,
Als den allerkleinſten Staub: und der weiſe Schoͤpfer kann
Das ſo leicht, als dieß, erhalten.
O allgegenwaͤrtigs All! Des allſehendes Geſicht
Auf das kuͤnftge, das vergangne, und was iſt, zugleich ge-
richt!
Weſen! welches, wie ein Meer, ſo unendlich, was verflieſſet,
Und was, wie ein Strohm, verſtreicht, in ſich faſſet, und
enthaͤlt,
Und in welches, was geſchaffen, ſammt den Zeiten aller Welt,
Aus unzehligen Planeten, unaufhoͤrlich ſich ergieſſet!
Wo die Fluͤſſigkeit verſchwindet, wo die Fluͤchtigkeit ver-
geht,
Und woſelbſt, in ſteter Ruhe, alles ewig ſtille ſteht!
Ach! erbarm dich mein! und ſchencke
Mir, o Schoͤpfer, Deinen Geiſt; daß ich offt hieran ge-
dencke,
Und, ſo lang ich auf der Welt in dem Fluß der Zeiten lebe,
Ohne Schlummer der Gewohnheit, mich mit allem Ernſt
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