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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Das Vergangene,

Zukünftig, ietzt, vorbey,
Nichts oder Wesen sey.

Betreffend den Beweis, den man von unsern Sinnen
Und ihren Schlüssen nimmt, ist selbiger gewißlich
Nicht zuverlässig fest. Vielmehr ist alles mißlich
Was bloß auf sie sich fusst. Jch hab' ein Ding gesehn;
Jetzt seh ich es nicht mehr. Dieß ist ja vom Vergehn
Kein sicherer Beweis. Jch roch es; ietzt nicht mehr;
Beweiset ebenfalls nichts anders, als nur: ich
Verspüre den Geruch so starck nicht. Das Gehöre
Beweiset auch nicht viel: Das Donnern rührte mich;
Nun hat es aufgehört: Ach nein! es dauret noch;
Vernimmst du es gleich nicht, ein andrer hört es doch,
Der nicht gar weit von dir. Das Ende von dem Schmecken
Kann ebenmässig dir das Ende nicht entdecken
Vom wircklichen Geschmack, der in den Cörpern steckt.
Ja selber das Gefühl vermag dir ebenmässig
Ob das, so du gefühlt, noch daure, zuverlässig
Nicht darzuthun. Den Wind, den du so starck gespürt,
Jst, wie du meinest, nicht verschwunden: er berühret
Jetzt mich, wie dich vorhin. Dieß alles zeigt uns an,
Daß man die Sinnen nicht zu Richtern setzen kann,
Ob eine Sache noch verhanden, oder nicht.
Sie geben uns davon bloß diesen Unterricht:
Da ich es nicht mehr seh', nicht rieche, fühl' und hör
Jst es vermuthlich noch, und, nur für mich, nicht mehr.
Wie? sollen denn, wirffst du mir etwan ein,
Die Zeiten, die vorbey, der Tag der gestern war,
Das vor'ge Seculum, das abgewichne Jahr,
Noch gegenwärtig da, und nicht vergangen seyn?
Wie

Das Vergangene,

Zukuͤnftig, ietzt, vorbey,
Nichts oder Weſen ſey.

Betreffend den Beweis, den man von unſern Sinnen
Und ihren Schluͤſſen nimmt, iſt ſelbiger gewißlich
Nicht zuverlaͤſſig feſt. Vielmehr iſt alles mißlich
Was bloß auf ſie ſich fuſſt. Jch hab’ ein Ding geſehn;
Jetzt ſeh ich es nicht mehr. Dieß iſt ja vom Vergehn
Kein ſicherer Beweis. Jch roch es; ietzt nicht mehr;
Beweiſet ebenfalls nichts anders, als nur: ich
Verſpuͤre den Geruch ſo ſtarck nicht. Das Gehoͤre
Beweiſet auch nicht viel: Das Donnern ruͤhrte mich;
Nun hat es aufgehoͤrt: Ach nein! es dauret noch;
Vernimmſt du es gleich nicht, ein andrer hoͤrt es doch,
Der nicht gar weit von dir. Das Ende von dem Schmecken
Kann ebenmaͤſſig dir das Ende nicht entdecken
Vom wircklichen Geſchmack, der in den Coͤrpern ſteckt.
Ja ſelber das Gefuͤhl vermag dir ebenmaͤſſig
Ob das, ſo du gefuͤhlt, noch daure, zuverlaͤſſig
Nicht darzuthun. Den Wind, den du ſo ſtarck geſpuͤrt,
Jſt, wie du meineſt, nicht verſchwunden: er beruͤhret
Jetzt mich, wie dich vorhin. Dieß alles zeigt uns an,
Daß man die Sinnen nicht zu Richtern ſetzen kann,
Ob eine Sache noch verhanden, oder nicht.
Sie geben uns davon bloß dieſen Unterricht:
Da ich es nicht mehr ſeh’, nicht rieche, fuͤhl’ und hoͤr
Jſt es vermuthlich noch, und, nur fuͤr mich, nicht mehr.
Wie? ſollen denn, wirffſt du mir etwan ein,
Die Zeiten, die vorbey, der Tag der geſtern war,
Das vor’ge Seculum, das abgewichne Jahr,
Noch gegenwaͤrtig da, und nicht vergangen ſeyn?
Wie
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[442/0474] Das Vergangene, Zukuͤnftig, ietzt, vorbey, Nichts oder Weſen ſey. Betreffend den Beweis, den man von unſern Sinnen Und ihren Schluͤſſen nimmt, iſt ſelbiger gewißlich Nicht zuverlaͤſſig feſt. Vielmehr iſt alles mißlich Was bloß auf ſie ſich fuſſt. Jch hab’ ein Ding geſehn; Jetzt ſeh ich es nicht mehr. Dieß iſt ja vom Vergehn Kein ſicherer Beweis. Jch roch es; ietzt nicht mehr; Beweiſet ebenfalls nichts anders, als nur: ich Verſpuͤre den Geruch ſo ſtarck nicht. Das Gehoͤre Beweiſet auch nicht viel: Das Donnern ruͤhrte mich; Nun hat es aufgehoͤrt: Ach nein! es dauret noch; Vernimmſt du es gleich nicht, ein andrer hoͤrt es doch, Der nicht gar weit von dir. Das Ende von dem Schmecken Kann ebenmaͤſſig dir das Ende nicht entdecken Vom wircklichen Geſchmack, der in den Coͤrpern ſteckt. Ja ſelber das Gefuͤhl vermag dir ebenmaͤſſig Ob das, ſo du gefuͤhlt, noch daure, zuverlaͤſſig Nicht darzuthun. Den Wind, den du ſo ſtarck geſpuͤrt, Jſt, wie du meineſt, nicht verſchwunden: er beruͤhret Jetzt mich, wie dich vorhin. Dieß alles zeigt uns an, Daß man die Sinnen nicht zu Richtern ſetzen kann, Ob eine Sache noch verhanden, oder nicht. Sie geben uns davon bloß dieſen Unterricht: Da ich es nicht mehr ſeh’, nicht rieche, fuͤhl’ und hoͤr Jſt es vermuthlich noch, und, nur fuͤr mich, nicht mehr. Wie? ſollen denn, wirffſt du mir etwan ein, Die Zeiten, die vorbey, der Tag der geſtern war, Das vor’ge Seculum, das abgewichne Jahr, Noch gegenwaͤrtig da, und nicht vergangen ſeyn? Wie

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/474>, abgerufen am 23.12.2024.