Ein Wald von Berg-Crystall voll Diamantner Reiser Sind überall zur Schau gestellt. Ein Dresdnisch grün Gewölb war ietzt die gantze Welt: Weil nichts als spielende Briljanten, Als schütternde geschliffne Diamanten, So weit man sah, zu sehn.
Jch muste hier iedoch der Menschen Meinung lachen, Die so viel Prahlerey von Edelsteinen machen. Wie leicht kann, dacht ich, die Natur Juwelen überall bereiten! Die Härte fehlet ja dem Eise nur, So hat es alle Kostbarkeiten, Pracht, Schimmer, Wasser, Feur und Schein, Und alle rare Seltenheiten, Die im so hoch geschätzten Demant seyn.
Man stell sich einen Saal, voll Leuchter an der Wand Von oben gantz herab, von allerhand Bald rund-, bald eckigten Corallen Von klaren Berg-Crystallen, (Jn deren rein-geschliffnen Spitzen Viel tausend helle Kertzen blitzen) Einst in Gedancken vor; so wird der bunte Schein Doch schwach, bey diesem Gläntzen, seyn, Das auf der Erd' ietzt allgemein. Da alle Bäume, alle Hügel, Wie Leuchter-Cronen, helle Spiegel, Die selbst der Sonnen Wunder-Strahl An allen Orten trifft, bemahlt, durchdringet, schmücket, Jm ungemessnen Erden-Saal,
Jn
Betrachtung einer Winter-Landſchaft.
Ein Wald von Berg-Cryſtall voll Diamantner Reiſer Sind uͤberall zur Schau geſtellt. Ein Dresdniſch gruͤn Gewoͤlb war ietzt die gantze Welt: Weil nichts als ſpielende Briljanten, Als ſchuͤtternde geſchliffne Diamanten, So weit man ſah, zu ſehn.
Jch muſte hier iedoch der Menſchen Meinung lachen, Die ſo viel Prahlerey von Edelſteinen machen. Wie leicht kann, dacht ich, die Natur Juwelen uͤberall bereiten! Die Haͤrte fehlet ja dem Eiſe nur, So hat es alle Koſtbarkeiten, Pracht, Schimmer, Waſſer, Feur und Schein, Und alle rare Seltenheiten, Die im ſo hoch geſchaͤtzten Demant ſeyn.
Man ſtell ſich einen Saal, voll Leuchter an der Wand Von oben gantz herab, von allerhand Bald rund-, bald eckigten Corallen Von klaren Berg-Cryſtallen, (Jn deren rein-geſchliffnen Spitzen Viel tauſend helle Kertzen blitzen) Einſt in Gedancken vor; ſo wird der bunte Schein Doch ſchwach, bey dieſem Glaͤntzen, ſeyn, Das auf der Erd’ ietzt allgemein. Da alle Baͤume, alle Huͤgel, Wie Leuchter-Cronen, helle Spiegel, Die ſelbſt der Sonnen Wunder-Strahl An allen Orten trifft, bemahlt, durchdringet, ſchmuͤcket, Jm ungemeſſnen Erden-Saal,
Jn
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Betrachtung einer Winter-Landſchaft.
Ein Wald von Berg-Cryſtall voll Diamantner Reiſer
Sind uͤberall zur Schau geſtellt.
Ein Dresdniſch gruͤn Gewoͤlb war ietzt die gantze Welt:
Weil nichts als ſpielende Briljanten,
Als ſchuͤtternde geſchliffne Diamanten,
So weit man ſah, zu ſehn.
Jch muſte hier iedoch der Menſchen Meinung lachen,
Die ſo viel Prahlerey von Edelſteinen machen.
Wie leicht kann, dacht ich, die Natur
Juwelen uͤberall bereiten!
Die Haͤrte fehlet ja dem Eiſe nur,
So hat es alle Koſtbarkeiten,
Pracht, Schimmer, Waſſer, Feur und Schein,
Und alle rare Seltenheiten,
Die im ſo hoch geſchaͤtzten Demant ſeyn.
Man ſtell ſich einen Saal, voll Leuchter an der Wand
Von oben gantz herab, von allerhand
Bald rund-, bald eckigten Corallen
Von klaren Berg-Cryſtallen,
(Jn deren rein-geſchliffnen Spitzen
Viel tauſend helle Kertzen blitzen)
Einſt in Gedancken vor; ſo wird der bunte Schein
Doch ſchwach, bey dieſem Glaͤntzen, ſeyn,
Das auf der Erd’ ietzt allgemein.
Da alle Baͤume, alle Huͤgel,
Wie Leuchter-Cronen, helle Spiegel,
Die ſelbſt der Sonnen Wunder-Strahl
An allen Orten trifft, bemahlt, durchdringet, ſchmuͤcket,
Jm ungemeſſnen Erden-Saal,
Jn
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/448>, abgerufen am 23.07.2024.
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