Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Betrachtung einer Winter-Landschaft.

Ein Wald von Berg-Crystall voll Diamantner Reiser
Sind überall zur Schau gestellt.
Ein Dresdnisch grün Gewölb war ietzt die gantze Welt:
Weil nichts als spielende Briljanten,
Als schütternde geschliffne Diamanten,
So weit man sah, zu sehn.

Jch muste hier iedoch der Menschen Meinung lachen,
Die so viel Prahlerey von Edelsteinen machen.
Wie leicht kann, dacht ich, die Natur
Juwelen überall bereiten!
Die Härte fehlet ja dem Eise nur,
So hat es alle Kostbarkeiten,
Pracht, Schimmer, Wasser, Feur und Schein,
Und alle rare Seltenheiten,
Die im so hoch geschätzten Demant seyn.
Man stell sich einen Saal, voll Leuchter an der Wand
Von oben gantz herab, von allerhand
Bald rund-, bald eckigten Corallen
Von klaren Berg-Crystallen,
(Jn deren rein-geschliffnen Spitzen

Viel tausend helle Kertzen blitzen)
Einst in Gedancken vor; so wird der bunte Schein
Doch schwach, bey diesem Gläntzen, seyn,
Das auf der Erd' ietzt allgemein.
Da alle Bäume, alle Hügel,
Wie Leuchter-Cronen, helle Spiegel,
Die selbst der Sonnen Wunder-Strahl
An allen Orten trifft, bemahlt, durchdringet, schmücket,
Jm ungemessnen Erden-Saal,
Jn

Betrachtung einer Winter-Landſchaft.

Ein Wald von Berg-Cryſtall voll Diamantner Reiſer
Sind uͤberall zur Schau geſtellt.
Ein Dresdniſch gruͤn Gewoͤlb war ietzt die gantze Welt:
Weil nichts als ſpielende Briljanten,
Als ſchuͤtternde geſchliffne Diamanten,
So weit man ſah, zu ſehn.

Jch muſte hier iedoch der Menſchen Meinung lachen,
Die ſo viel Prahlerey von Edelſteinen machen.
Wie leicht kann, dacht ich, die Natur
Juwelen uͤberall bereiten!
Die Haͤrte fehlet ja dem Eiſe nur,
So hat es alle Koſtbarkeiten,
Pracht, Schimmer, Waſſer, Feur und Schein,
Und alle rare Seltenheiten,
Die im ſo hoch geſchaͤtzten Demant ſeyn.
Man ſtell ſich einen Saal, voll Leuchter an der Wand
Von oben gantz herab, von allerhand
Bald rund-, bald eckigten Corallen
Von klaren Berg-Cryſtallen,
(Jn deren rein-geſchliffnen Spitzen

Viel tauſend helle Kertzen blitzen)
Einſt in Gedancken vor; ſo wird der bunte Schein
Doch ſchwach, bey dieſem Glaͤntzen, ſeyn,
Das auf der Erd’ ietzt allgemein.
Da alle Baͤume, alle Huͤgel,
Wie Leuchter-Cronen, helle Spiegel,
Die ſelbſt der Sonnen Wunder-Strahl
An allen Orten trifft, bemahlt, durchdringet, ſchmuͤcket,
Jm ungemeſſnen Erden-Saal,
Jn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="3">
              <l>
                <pb facs="#f0448" n="416"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Betrachtung einer Winter-Land&#x017F;chaft.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Ein Wald von Berg-Cry&#x017F;tall voll Diamantner Rei&#x017F;er</l><lb/>
              <l>Sind u&#x0364;berall zur Schau ge&#x017F;tellt.</l><lb/>
              <l>Ein Dresdni&#x017F;ch gru&#x0364;n Gewo&#x0364;lb war ietzt die gantze Welt:</l><lb/>
              <l>Weil nichts als &#x017F;pielende Briljanten,</l><lb/>
              <l>Als &#x017F;chu&#x0364;tternde ge&#x017F;chliffne Diamanten,</l><lb/>
              <l>So weit man &#x017F;ah, zu &#x017F;ehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Jch mu&#x017F;te hier iedoch der Men&#x017F;chen Meinung lachen,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;o viel Prahlerey von Edel&#x017F;teinen machen.</l><lb/>
              <l>Wie leicht kann, dacht ich, die Natur</l><lb/>
              <l>Juwelen u&#x0364;berall bereiten!</l><lb/>
              <l>Die Ha&#x0364;rte fehlet ja dem Ei&#x017F;e nur,</l><lb/>
              <l>So hat es alle Ko&#x017F;tbarkeiten,</l><lb/>
              <l>Pracht, Schimmer, Wa&#x017F;&#x017F;er, Feur und Schein,</l><lb/>
              <l>Und alle rare Seltenheiten,</l><lb/>
              <l>Die im &#x017F;o hoch ge&#x017F;cha&#x0364;tzten Demant &#x017F;eyn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Man &#x017F;tell &#x017F;ich einen Saal, voll Leuchter an der Wand</l><lb/>
              <l>Von oben gantz herab, von allerhand</l><lb/>
              <l>Bald rund-, bald eckigten Corallen</l><lb/>
              <l>Von klaren Berg-Cry&#x017F;tallen,<lb/>
(Jn deren rein-ge&#x017F;chliffnen Spitzen</l><lb/>
              <l>Viel tau&#x017F;end helle Kertzen blitzen)</l><lb/>
              <l>Ein&#x017F;t in Gedancken vor; &#x017F;o wird der bunte Schein</l><lb/>
              <l>Doch &#x017F;chwach, bey die&#x017F;em Gla&#x0364;ntzen, &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Das auf der Erd&#x2019; ietzt allgemein.</l><lb/>
              <l>Da alle Ba&#x0364;ume, alle Hu&#x0364;gel,</l><lb/>
              <l>Wie Leuchter-Cronen, helle Spiegel,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;elb&#x017F;t der Sonnen Wunder-Strahl</l><lb/>
              <l>An allen Orten trifft, bemahlt, durchdringet, &#x017F;chmu&#x0364;cket,</l><lb/>
              <l>Jm ungeme&#x017F;&#x017F;nen Erden-Saal,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0448] Betrachtung einer Winter-Landſchaft. Ein Wald von Berg-Cryſtall voll Diamantner Reiſer Sind uͤberall zur Schau geſtellt. Ein Dresdniſch gruͤn Gewoͤlb war ietzt die gantze Welt: Weil nichts als ſpielende Briljanten, Als ſchuͤtternde geſchliffne Diamanten, So weit man ſah, zu ſehn. Jch muſte hier iedoch der Menſchen Meinung lachen, Die ſo viel Prahlerey von Edelſteinen machen. Wie leicht kann, dacht ich, die Natur Juwelen uͤberall bereiten! Die Haͤrte fehlet ja dem Eiſe nur, So hat es alle Koſtbarkeiten, Pracht, Schimmer, Waſſer, Feur und Schein, Und alle rare Seltenheiten, Die im ſo hoch geſchaͤtzten Demant ſeyn. Man ſtell ſich einen Saal, voll Leuchter an der Wand Von oben gantz herab, von allerhand Bald rund-, bald eckigten Corallen Von klaren Berg-Cryſtallen, (Jn deren rein-geſchliffnen Spitzen Viel tauſend helle Kertzen blitzen) Einſt in Gedancken vor; ſo wird der bunte Schein Doch ſchwach, bey dieſem Glaͤntzen, ſeyn, Das auf der Erd’ ietzt allgemein. Da alle Baͤume, alle Huͤgel, Wie Leuchter-Cronen, helle Spiegel, Die ſelbſt der Sonnen Wunder-Strahl An allen Orten trifft, bemahlt, durchdringet, ſchmuͤcket, Jm ungemeſſnen Erden-Saal, Jn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/448
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/448>, abgerufen am 25.11.2024.