Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Anfang des Frühlinges. Noch anderwärts lässt ein vermischtes Braun, Aus welchem Gras und Kraut fast allenthalben steiget, Ein liebliches Gemisch im Strahl der Sonnen schaun, Allein in kurtzer Zeit ist Sand und Staub verstecket: Ein Wunder-schönes Grün wird allgemein, Und alles steht, zumahl im Sonnen-Schein, Mit einem grünen Glantz bedecket, Auf welchem wir in kurtzem, Wunder-schön, Die bunte Pracht gefärbter Bluhmen sehn. Die Erd-Gewächse sieht man nun, Rachdem sie ferner nicht mehr ruhn, Auf den gevierten Garten-Beten, Aus ihrem Schlaff-Gemach im Frühling gleichsam treten. Sie haben abgelegt den alten Leib, Und einen neuen angenommen; Und, stat des alten Rocks, der gantz zerrissen, Verwelckt, verweset und verschlissen, Ein neues bunt-und schönes Kleid Jn dieser frohen Frühlings-Zeit Jn neuem Schimmer überkommen. Mich deucht, ich sehe sie ihr schweigen unterbrechen; Mich deucht, ich höre sie mit bunten Lippen sprechen: Geliebte Menschen, seht uns an: Wir waren todt, wir leben wieder. Wie? daß denn jemand zweifeln kan, Daß auch dereinst nicht eure Glieder, Ob gleich, wie wir, verweset und gestorben, Ob gleich, wie wir, vernichtigt und verdorben, Nicht auch, wie wir anietzt, aus Staub und Erden Erneuert auferstehen werden! Wie
Anfang des Fruͤhlinges. Noch anderwaͤrts laͤſſt ein vermiſchtes Braun, Aus welchem Gras und Kraut faſt allenthalben ſteiget, Ein liebliches Gemiſch im Strahl der Sonnen ſchaun, Allein in kurtzer Zeit iſt Sand und Staub verſtecket: Ein Wunder-ſchoͤnes Gruͤn wird allgemein, Und alles ſteht, zumahl im Sonnen-Schein, Mit einem gruͤnen Glantz bedecket, Auf welchem wir in kurtzem, Wunder-ſchoͤn, Die bunte Pracht gefaͤrbter Bluhmen ſehn. Die Erd-Gewaͤchſe ſieht man nun, Rachdem ſie ferner nicht mehr ruhn, Auf den gevierten Garten-Beten, Aus ihrem Schlaff-Gemach im Fruͤhling gleichſam treten. Sie haben abgelegt den alten Leib, Und einen neuen angenommen; Und, ſtat des alten Rocks, der gantz zerriſſen, Verwelckt, verweſet und verſchliſſen, Ein neues bunt-und ſchoͤnes Kleid Jn dieſer frohen Fruͤhlings-Zeit Jn neuem Schimmer uͤberkommen. Mich deucht, ich ſehe ſie ihr ſchweigen unterbrechen; Mich deucht, ich hoͤre ſie mit bunten Lippen ſprechen: Geliebte Menſchen, ſeht uns an: Wir waren todt, wir leben wieder. Wie? daß denn jemand zweifeln kan, Daß auch dereinſt nicht eure Glieder, Ob gleich, wie wir, verweſet und geſtorben, Ob gleich, wie wir, vernichtigt und verdorben, Nicht auch, wie wir anietzt, aus Staub und Erden Erneuert auferſtehen werden! Wie
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Anfang des Fruͤhlinges.
Noch anderwaͤrts laͤſſt ein vermiſchtes Braun,
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Ein liebliches Gemiſch im Strahl der Sonnen ſchaun,
Allein in kurtzer Zeit iſt Sand und Staub verſtecket:
Ein Wunder-ſchoͤnes Gruͤn wird allgemein,
Und alles ſteht, zumahl im Sonnen-Schein,
Mit einem gruͤnen Glantz bedecket,
Auf welchem wir in kurtzem, Wunder-ſchoͤn,
Die bunte Pracht gefaͤrbter Bluhmen ſehn.
Die Erd-Gewaͤchſe ſieht man nun,
Rachdem ſie ferner nicht mehr ruhn,
Auf den gevierten Garten-Beten,
Aus ihrem Schlaff-Gemach im Fruͤhling gleichſam treten.
Sie haben abgelegt den alten Leib,
Und einen neuen angenommen;
Und, ſtat des alten Rocks, der gantz zerriſſen,
Verwelckt, verweſet und verſchliſſen,
Ein neues bunt-und ſchoͤnes Kleid
Jn dieſer frohen Fruͤhlings-Zeit
Jn neuem Schimmer uͤberkommen.
Mich deucht, ich ſehe ſie ihr ſchweigen unterbrechen;
Mich deucht, ich hoͤre ſie mit bunten Lippen ſprechen:
Geliebte Menſchen, ſeht uns an:
Wir waren todt, wir leben wieder.
Wie? daß denn jemand zweifeln kan,
Daß auch dereinſt nicht eure Glieder,
Ob gleich, wie wir, verweſet und geſtorben,
Ob gleich, wie wir, vernichtigt und verdorben,
Nicht auch, wie wir anietzt, aus Staub und Erden
Erneuert auferſtehen werden!
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