Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Noch andere Winter-Gedancken.
Noch andere Winter-Gedancken.
Wie hat es diese Nacht gereifft!
Mein GOtt! wie grimmig starck muß es gefroren
haben!

Wie schwirrt und schreit, wie knirrt und pfeifft
Der Schnee bey iedem Tritt! Mit den ietzt trägen Naben
Knarrt, stockt, und schleppt der Räder starres Rund,
Ja wegert gleichsam sich, den kalten Grund,
Wie sonst, im drehen zu berühren.
Fast alles drohet zu erfrieren;
Fast alles droht für Kälte zu vergehn.
Wie blendend weiß ist alles, was ich schau,
So wol in Tieffen, als in Höhn!
Wie schwartz, wie dick, wie dunckel-grau
Hingegen ist der gantze Kreis der Lufft!
Zumahl da das noch niedre Sonnen-Licht
Annoch nicht durch die Nacht des dicken Nebels bricht.
Es scheint ob könne man, in einem greisen Dufft,
Die Kälte selbst anietzt recht sichtbar sehn.
Sie fänget überall ergrimmt an zu regieren.
Drey Elemente selber müssen
Jhr schwer tyrannisch Joch verspühren,
Und deren Bürger all das strenge Scepter küssen,
Der allem, was da lebt, Verlähmung, Pein und Todt,
Ja selber der Natur den Untergang fast droht.
Die durch den scharffen Frost gepresste Lufft erstarrt.
Die Fluht wird Eisen-Fest. Die Erde Felsen-hart,
Ja
Noch andere Winter-Gedancken.
Noch andere Winter-Gedancken.
Wie hat es dieſe Nacht gereifft!
Mein GOtt! wie grimmig ſtarck muß es gefroren
haben!

Wie ſchwirrt und ſchreit, wie knirrt und pfeifft
Der Schnee bey iedem Tritt! Mit den ietzt traͤgen Naben
Knarrt, ſtockt, und ſchleppt der Raͤder ſtarres Rund,
Ja wegert gleichſam ſich, den kalten Grund,
Wie ſonſt, im drehen zu beruͤhren.
Faſt alles drohet zu erfrieren;
Faſt alles droht fuͤr Kaͤlte zu vergehn.
Wie blendend weiß iſt alles, was ich ſchau,
So wol in Tieffen, als in Hoͤhn!
Wie ſchwartz, wie dick, wie dunckel-grau
Hingegen iſt der gantze Kreis der Lufft!
Zumahl da das noch niedre Sonnen-Licht
Annoch nicht durch die Nacht des dicken Nebels bricht.
Es ſcheint ob koͤnne man, in einem greiſen Dufft,
Die Kaͤlte ſelbſt anietzt recht ſichtbar ſehn.
Sie faͤnget uͤberall ergrimmt an zu regieren.
Drey Elemente ſelber muͤſſen
Jhr ſchwer tyranniſch Joch verſpuͤhren,
Und deren Buͤrger all das ſtrenge Scepter kuͤſſen,
Der allem, was da lebt, Verlaͤhmung, Pein und Todt,
Ja ſelber der Natur den Untergang faſt droht.
Die durch den ſcharffen Froſt gepreſſte Lufft erſtarrt.
Die Fluht wird Eiſen-Feſt. Die Erde Felſen-hart,
Ja
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0426" n="394"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Noch andere Winter-Gedancken.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Noch andere Winter-Gedancken.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>ie hat es die&#x017F;e Nacht gereifft!</l><lb/>
              <l>Mein GOtt! wie grimmig &#x017F;tarck muß es gefroren<lb/><hi rendition="#et">haben!</hi></l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;chwirrt und &#x017F;chreit, wie knirrt und pfeifft</l><lb/>
              <l>Der Schnee bey iedem Tritt! Mit den ietzt tra&#x0364;gen Naben</l><lb/>
              <l>Knarrt, &#x017F;tockt, und &#x017F;chleppt der Ra&#x0364;der &#x017F;tarres Rund,</l><lb/>
              <l>Ja wegert gleich&#x017F;am &#x017F;ich, den kalten Grund,</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;on&#x017F;t, im drehen zu beru&#x0364;hren.</l><lb/>
              <l>Fa&#x017F;t alles drohet zu erfrieren;</l><lb/>
              <l>Fa&#x017F;t alles droht fu&#x0364;r Ka&#x0364;lte zu vergehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Wie blendend weiß i&#x017F;t alles, was ich &#x017F;chau,</l><lb/>
              <l>So wol in Tieffen, als in Ho&#x0364;hn!</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;chwartz, wie dick, wie dunckel-grau</l><lb/>
              <l>Hingegen i&#x017F;t der gantze Kreis der Lufft!</l><lb/>
              <l>Zumahl da das noch niedre Sonnen-Licht</l><lb/>
              <l>Annoch nicht durch die Nacht des dicken Nebels bricht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Es &#x017F;cheint ob ko&#x0364;nne man, in einem grei&#x017F;en Dufft,</l><lb/>
              <l>Die Ka&#x0364;lte &#x017F;elb&#x017F;t anietzt recht &#x017F;ichtbar &#x017F;ehn.</l><lb/>
              <l>Sie fa&#x0364;nget u&#x0364;berall ergrimmt an zu regieren.</l><lb/>
              <l>Drey Elemente &#x017F;elber mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Jhr &#x017F;chwer tyranni&#x017F;ch Joch ver&#x017F;pu&#x0364;hren,</l><lb/>
              <l>Und deren Bu&#x0364;rger all das &#x017F;trenge Scepter ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Der allem, was da lebt, Verla&#x0364;hmung, Pein und Todt,</l><lb/>
              <l>Ja &#x017F;elber der Natur den Untergang fa&#x017F;t droht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Die durch den &#x017F;charffen Fro&#x017F;t gepre&#x017F;&#x017F;te Lufft er&#x017F;tarrt.</l><lb/>
              <l>Die Fluht wird Ei&#x017F;en-Fe&#x017F;t. Die Erde Fel&#x017F;en-hart,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ja</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0426] Noch andere Winter-Gedancken. Noch andere Winter-Gedancken. Wie hat es dieſe Nacht gereifft! Mein GOtt! wie grimmig ſtarck muß es gefroren haben! Wie ſchwirrt und ſchreit, wie knirrt und pfeifft Der Schnee bey iedem Tritt! Mit den ietzt traͤgen Naben Knarrt, ſtockt, und ſchleppt der Raͤder ſtarres Rund, Ja wegert gleichſam ſich, den kalten Grund, Wie ſonſt, im drehen zu beruͤhren. Faſt alles drohet zu erfrieren; Faſt alles droht fuͤr Kaͤlte zu vergehn. Wie blendend weiß iſt alles, was ich ſchau, So wol in Tieffen, als in Hoͤhn! Wie ſchwartz, wie dick, wie dunckel-grau Hingegen iſt der gantze Kreis der Lufft! Zumahl da das noch niedre Sonnen-Licht Annoch nicht durch die Nacht des dicken Nebels bricht. Es ſcheint ob koͤnne man, in einem greiſen Dufft, Die Kaͤlte ſelbſt anietzt recht ſichtbar ſehn. Sie faͤnget uͤberall ergrimmt an zu regieren. Drey Elemente ſelber muͤſſen Jhr ſchwer tyranniſch Joch verſpuͤhren, Und deren Buͤrger all das ſtrenge Scepter kuͤſſen, Der allem, was da lebt, Verlaͤhmung, Pein und Todt, Ja ſelber der Natur den Untergang faſt droht. Die durch den ſcharffen Froſt gepreſſte Lufft erſtarrt. Die Fluht wird Eiſen-Feſt. Die Erde Felſen-hart, Ja

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/426
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/426>, abgerufen am 13.05.2024.