Wann uns ein Höllen-Durst die Zunge, Die bittern Geifer schäumet, plagt; Und unser' eiterichte Lunge Den Gifft durch alle Adern jagt: Wann wir der besten Freund' auf Erden, Jn der durch uns verderbten Lufft, Vergiffter, Heucker, Mörder werden, Durch unsrer Cörper faulen Dufft. Man sieht nicht nur an Krancken kleben Den Todes-Gifft; es scheint der Tod Noch in den Todten selbst zu leben. O welch ein Stand! o welche Noth! Wann man, von aller Welt verlassen, Voll Schmertzen, Elend, Angst, Verdruß, Jn solchem Jammer-Stand' erblassen, Und unbegraben faulen muß. Ja von den allergrössten Plagen Der Menschen-mörderischen Pest, Die uns vertilgt, nicht einst zu sagen: Sprich, wann dich nur ein Fieber presst; Wie elend ist schon dann dein Leben? Wie foltert dein beklemmtes Hertz, Bey ausserordentlichem beben, Ein kaltes Feur, ein wilder Schmertz! Wie klopft es! scheinet nicht dein Rücken, Als wollt er in dem strengen Frost, Nebst allen Knochen sich zerstücken? Kein Safft, kein Thee, kein Vier, kein Most
Taugt
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uͤber ein entferntes Ungluͤck.
Wann uns ein Hoͤllen-Durſt die Zunge, Die bittern Geifer ſchaͤumet, plagt; Und unſer’ eiterichte Lunge Den Gifft durch alle Adern jagt: Wann wir der beſten Freund’ auf Erden, Jn der durch uns verderbten Lufft, Vergiffter, Heucker, Moͤrder werden, Durch unſrer Coͤrper faulen Dufft. Man ſieht nicht nur an Krancken kleben Den Todes-Gifft; es ſcheint der Tod Noch in den Todten ſelbſt zu leben. O welch ein Stand! o welche Noth! Wann man, von aller Welt verlaſſen, Voll Schmertzen, Elend, Angſt, Verdruß, Jn ſolchem Jammer-Stand’ erblaſſen, Und unbegraben faulen muß. Ja von den allergroͤſſten Plagen Der Menſchen-moͤrderiſchen Peſt, Die uns vertilgt, nicht einſt zu ſagen: Sprich, wann dich nur ein Fieber preſſt; Wie elend iſt ſchon dann dein Leben? Wie foltert dein beklemmtes Hertz, Bey auſſerordentlichem beben, Ein kaltes Feur, ein wilder Schmertz! Wie klopft es! ſcheinet nicht dein Ruͤcken, Als wollt er in dem ſtrengen Froſt, Nebſt allen Knochen ſich zerſtuͤcken? Kein Safft, kein Thee, kein Vier, kein Moſt
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uͤber ein entferntes Ungluͤck.
Wann uns ein Hoͤllen-Durſt die Zunge,
Die bittern Geifer ſchaͤumet, plagt;
Und unſer’ eiterichte Lunge
Den Gifft durch alle Adern jagt:
Wann wir der beſten Freund’ auf Erden,
Jn der durch uns verderbten Lufft,
Vergiffter, Heucker, Moͤrder werden,
Durch unſrer Coͤrper faulen Dufft.
Man ſieht nicht nur an Krancken kleben
Den Todes-Gifft; es ſcheint der Tod
Noch in den Todten ſelbſt zu leben.
O welch ein Stand! o welche Noth!
Wann man, von aller Welt verlaſſen,
Voll Schmertzen, Elend, Angſt, Verdruß,
Jn ſolchem Jammer-Stand’ erblaſſen,
Und unbegraben faulen muß.
Ja von den allergroͤſſten Plagen
Der Menſchen-moͤrderiſchen Peſt,
Die uns vertilgt, nicht einſt zu ſagen:
Sprich, wann dich nur ein Fieber preſſt;
Wie elend iſt ſchon dann dein Leben?
Wie foltert dein beklemmtes Hertz,
Bey auſſerordentlichem beben,
Ein kaltes Feur, ein wilder Schmertz!
Wie klopft es! ſcheinet nicht dein Ruͤcken,
Als wollt er in dem ſtrengen Froſt,
Nebſt allen Knochen ſich zerſtuͤcken?
Kein Safft, kein Thee, kein Vier, kein Moſt
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/327>, abgerufen am 25.11.2024.
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