Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Der Frosch. Bis daß die Nacht die Welt in Schatten hüllt, War mein recht inniglich hiedurch gerührt Gemüthe Mit diesen lehrenden Gedancken angefüllt. So gar, daß mein sanft wallendes Geblüte Nachdem ich mich ins Bett gelegt, Die rege Phantasie bewegt, Und einen Traum erregt, Der iedennoch so sonderlich, Daß einem wircklichen Gesicht' er mehr, Als einem leichten Traume, glich. Mich deucht, ich läge kranck, mein Lebens-Oel ver- brannte, Mein Hauch würd' schwer und schwach, blieb' endlich völ- lig aus, Der rege Geist verließ sein lang bewohntes Haus, Kaum daß derselbe sich von seinem Cörper wandte, Als er, nach leichter Blasen Art, Die aus dem Grund' im Wasser aufwärts steigen, Mit einer leicht- nud schnellen Fahrt Sich durch die Fluth der Lufft allmählig höher zog, Und im geraden Strich von unten aufwärts flog. Wie er nun auf der Lufft bestrahlte Fläche kam, Woselbst voll reiner Heiterkeit, Von allen Düfften leer, von allem Dunst befreyt, Die Himmels-Lufft erst ihren Anfang nahm, Fiel ein gantz ander Licht, Als er allhier gewohnt zu sehn, ihm ins Gesicht. Wie ich nun alles dieß, fast, doch nicht gantz geblendet', Erstarret übersehn, fiel mein gerührter Blick Erstaunet auf mich selbst zurück, Jch
Der Froſch. Bis daß die Nacht die Welt in Schatten huͤllt, War mein recht inniglich hiedurch geruͤhrt Gemuͤthe Mit dieſen lehrenden Gedancken angefuͤllt. So gar, daß mein ſanft wallendes Gebluͤte Nachdem ich mich ins Bett gelegt, Die rege Phantaſie bewegt, Und einen Traum erregt, Der iedennoch ſo ſonderlich, Daß einem wircklichen Geſicht’ er mehr, Als einem leichten Traume, glich. Mich deucht, ich laͤge kranck, mein Lebens-Oel ver- brannte, Mein Hauch wuͤrd’ ſchwer und ſchwach, blieb’ endlich voͤl- lig aus, Der rege Geiſt verließ ſein lang bewohntes Haus, Kaum daß derſelbe ſich von ſeinem Coͤrper wandte, Als er, nach leichter Blaſen Art, Die aus dem Grund’ im Waſſer aufwaͤrts ſteigen, Mit einer leicht- nud ſchnellen Fahrt Sich durch die Fluth der Lufft allmaͤhlig hoͤher zog, Und im geraden Strich von unten aufwaͤrts flog. Wie er nun auf der Lufft beſtrahlte Flaͤche kam, Woſelbſt voll reiner Heiterkeit, Von allen Duͤfften leer, von allem Dunſt befreyt, Die Himmels-Lufft erſt ihren Anfang nahm, Fiel ein gantz ander Licht, Als er allhier gewohnt zu ſehn, ihm ins Geſicht. Wie ich nun alles dieß, faſt, doch nicht gantz geblendet’, Erſtarret uͤberſehn, fiel mein geruͤhrter Blick Erſtaunet auf mich ſelbſt zuruͤck, Jch
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0122" n="90"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Froſch.</hi> </fw><lb/> <lg n="9"> <l>Bis daß die Nacht die Welt in Schatten huͤllt,</l><lb/> <l>War mein recht inniglich hiedurch geruͤhrt Gemuͤthe</l><lb/> <l>Mit dieſen lehrenden Gedancken angefuͤllt.</l><lb/> <l>So gar, daß mein ſanft wallendes Gebluͤte</l><lb/> <l>Nachdem ich mich ins Bett gelegt,</l><lb/> <l>Die rege Phantaſie bewegt,</l><lb/> <l>Und einen Traum erregt,</l><lb/> <l>Der iedennoch ſo ſonderlich,</l><lb/> <l>Daß einem wircklichen Geſicht’ er mehr,</l><lb/> <l>Als einem leichten Traume, glich.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Mich deucht, ich laͤge kranck, mein Lebens-Oel ver-<lb/><hi rendition="#et">brannte,</hi></l><lb/> <l>Mein Hauch wuͤrd’ ſchwer und ſchwach, blieb’ endlich voͤl-<lb/><hi rendition="#et">lig aus,</hi></l><lb/> <l>Der rege Geiſt verließ ſein lang bewohntes Haus,</l><lb/> <l>Kaum daß derſelbe ſich von ſeinem Coͤrper wandte,</l><lb/> <l>Als er, nach leichter Blaſen Art,</l><lb/> <l>Die aus dem Grund’ im Waſſer aufwaͤrts ſteigen,</l><lb/> <l>Mit einer leicht- nud ſchnellen Fahrt</l><lb/> <l>Sich durch die Fluth der Lufft allmaͤhlig hoͤher zog,</l><lb/> <l>Und im geraden Strich von unten aufwaͤrts flog.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Wie er nun auf der Lufft beſtrahlte Flaͤche kam,</l><lb/> <l>Woſelbſt voll reiner Heiterkeit,</l><lb/> <l>Von allen Duͤfften leer, von allem Dunſt befreyt,</l><lb/> <l>Die Himmels-Lufft erſt ihren Anfang nahm,</l><lb/> <l>Fiel ein gantz ander Licht,</l><lb/> <l>Als er allhier gewohnt zu ſehn, ihm ins Geſicht.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Wie ich nun alles dieß, faſt, doch nicht gantz geblendet’,</l><lb/> <l>Erſtarret uͤberſehn, fiel mein geruͤhrter Blick</l><lb/> <l>Erſtaunet auf mich ſelbſt zuruͤck,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0122]
Der Froſch.
Bis daß die Nacht die Welt in Schatten huͤllt,
War mein recht inniglich hiedurch geruͤhrt Gemuͤthe
Mit dieſen lehrenden Gedancken angefuͤllt.
So gar, daß mein ſanft wallendes Gebluͤte
Nachdem ich mich ins Bett gelegt,
Die rege Phantaſie bewegt,
Und einen Traum erregt,
Der iedennoch ſo ſonderlich,
Daß einem wircklichen Geſicht’ er mehr,
Als einem leichten Traume, glich.
Mich deucht, ich laͤge kranck, mein Lebens-Oel ver-
brannte,
Mein Hauch wuͤrd’ ſchwer und ſchwach, blieb’ endlich voͤl-
lig aus,
Der rege Geiſt verließ ſein lang bewohntes Haus,
Kaum daß derſelbe ſich von ſeinem Coͤrper wandte,
Als er, nach leichter Blaſen Art,
Die aus dem Grund’ im Waſſer aufwaͤrts ſteigen,
Mit einer leicht- nud ſchnellen Fahrt
Sich durch die Fluth der Lufft allmaͤhlig hoͤher zog,
Und im geraden Strich von unten aufwaͤrts flog.
Wie er nun auf der Lufft beſtrahlte Flaͤche kam,
Woſelbſt voll reiner Heiterkeit,
Von allen Duͤfften leer, von allem Dunſt befreyt,
Die Himmels-Lufft erſt ihren Anfang nahm,
Fiel ein gantz ander Licht,
Als er allhier gewohnt zu ſehn, ihm ins Geſicht.
Wie ich nun alles dieß, faſt, doch nicht gantz geblendet’,
Erſtarret uͤberſehn, fiel mein geruͤhrter Blick
Erſtaunet auf mich ſelbſt zuruͤck,
Jch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/122 |
Zitationshilfe: | Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/122>, abgerufen am 16.02.2025. |