Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von GOTT.
Ja, aller dieser Dinge wegen
Fühl' ich in meiner Seel sich manchen Zweifel regen.
Der Geist, der alle Ding hervorgebracht,
Kan der durch Seine höchste Macht
Mit Ungewißheit mich zu plagen
Nicht etwan einigen Gefallen tragen?
Vielleicht hat Er dem Trug des Schlaffs mich übergeben,
Und machet einen Traum aus meinem ganzen Leben.
Nein: Darum, weil Er GOTT, dieweil Er alles kan,
Weil Er vollkommen ist; ist alle Furcht verschwunden.
Mit der Vollkommenheit ist nie ein Fehl verbunden:
Die Weisheit, Seiner Güt und Ehre heit'rer Schein,
Die stimmen nimmermehr mit Blendung überein.


Last uns mit Achtsamkeit Sein Göttlichs Werck be-
dencken!
Nur hüte man sich doch, damit ein Flatter-Licht
Von falscher Phantasey uns nicht vom Weg ablencken
Und uns verführen mag. Er trüget warlich nicht,
Er giebet auch nicht zu, daß die betrogen seyn,
Die durch Vernunfft den Brauch der Sinne wol regieren.
Es mag sich denn so Furcht als Jrrthum frey verliehren!


Zwar spricht die Schaar der lauen Geister,
Die Epicurum ihren Meister,
Doch fast mit Unrecht, heist:
"Man nenne das, so alle Welt regiert,
"Verhängniß, Ungefehr, Natur, GOTT, oder Geist;
"Wird nicht in den verschiednen Nahmen
"Ein allererstes Wesen
"Von gleicher Dunckelheit verspürt?
"Wird
Von GOTT.
Ja, aller dieſer Dinge wegen
Fuͤhl’ ich in meiner Seel ſich manchen Zweifel regen.
Der Geiſt, der alle Ding hervorgebracht,
Kan der durch Seine hoͤchſte Macht
Mit Ungewißheit mich zu plagen
Nicht etwan einigen Gefallen tragen?
Vielleicht hat Er dem Trug des Schlaffs mich uͤbergeben,
Und machet einen Traum aus meinem ganzen Leben.
Nein: Darum, weil Er GOTT, dieweil Er alles kan,
Weil Er vollkommen iſt; iſt alle Furcht verſchwunden.
Mit der Vollkommenheit iſt nie ein Fehl verbunden:
Die Weisheit, Seiner Guͤt und Ehre heit’rer Schein,
Die ſtimmen nimmermehr mit Blendung uͤberein.


Laſt uns mit Achtſamkeit Sein Goͤttlichs Werck be-
dencken!
Nur huͤte man ſich doch, damit ein Flatter-Licht
Von falſcher Phantaſey uns nicht vom Weg ablencken
Und uns verfuͤhren mag. Er truͤget warlich nicht,
Er giebet auch nicht zu, daß die betrogen ſeyn,
Die durch Vernunfft den Brauch der Sinne wol regieren.
Es mag ſich denn ſo Furcht als Jrrthum frey verliehren!


Zwar ſpricht die Schaar der lauen Geiſter,
Die Epicurum ihren Meiſter,
Doch faſt mit Unrecht, heiſt:
„Man nenne das, ſo alle Welt regiert,
Verhaͤngniß, Ungefehr, Natur, GOTT, oder Geiſt;
„Wird nicht in den verſchiednen Nahmen
„Ein allererſtes Weſen
„Von gleicher Dunckelheit verſpuͤrt?
„Wird
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0089" n="59"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von GOTT.</hi> </fw><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>Ja, aller die&#x017F;er Dinge wegen</l><lb/>
                <l>Fu&#x0364;hl&#x2019; ich in meiner Seel &#x017F;ich manchen Zweifel regen.</l><lb/>
                <l>Der <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;t,</hi> der alle Ding hervorgebracht,</l><lb/>
                <l>Kan der durch Seine ho&#x0364;ch&#x017F;te Macht</l><lb/>
                <l>Mit Ungewißheit mich zu plagen</l><lb/>
                <l>Nicht etwan einigen Gefallen tragen?</l><lb/>
                <l>Vielleicht hat Er dem Trug des Schlaffs mich u&#x0364;bergeben,</l><lb/>
                <l>Und machet einen Traum aus meinem ganzen Leben.</l><lb/>
                <l>Nein: Darum, weil Er GOTT, dieweil Er alles kan,</l><lb/>
                <l>Weil Er vollkommen i&#x017F;t; i&#x017F;t alle Furcht ver&#x017F;chwunden.</l><lb/>
                <l>Mit der Vollkommenheit i&#x017F;t nie ein Fehl verbunden:</l><lb/>
                <l>Die Weisheit, Seiner Gu&#x0364;t und Ehre heit&#x2019;rer Schein,</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;timmen nimmermehr mit Blendung u&#x0364;berein.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">L</hi>a&#x017F;t uns mit Acht&#x017F;amkeit <hi rendition="#fr">Sein Go&#x0364;ttlichs Werck</hi> be-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">dencken!</hi> </l><lb/>
                <l>Nur hu&#x0364;te man &#x017F;ich doch, damit ein Flatter-Licht</l><lb/>
                <l>Von fal&#x017F;cher Phanta&#x017F;ey uns nicht vom Weg ablencken</l><lb/>
                <l>Und uns verfu&#x0364;hren mag. Er tru&#x0364;get warlich nicht,</l><lb/>
                <l>Er giebet auch nicht zu, daß die betrogen &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>Die durch Vernunfft den Brauch der Sinne wol regieren.</l><lb/>
                <l>Es mag &#x017F;ich denn &#x017F;o Furcht als Jrrthum frey verliehren!</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">Z</hi>war &#x017F;pricht die Schaar der lauen Gei&#x017F;ter,</l><lb/>
                <l>Die <hi rendition="#fr">Epicurum</hi> ihren Mei&#x017F;ter,</l><lb/>
                <l>Doch fa&#x017F;t mit Unrecht, hei&#x017F;t:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Man nenne das, &#x017F;o alle Welt regiert,</l><lb/>
                <l>&#x201E;<hi rendition="#fr">Verha&#x0364;ngniß, Ungefehr, Natur,</hi> GOTT, oder <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;t;</hi></l><lb/>
                <l>&#x201E;Wird nicht in den ver&#x017F;chiednen Nahmen</l><lb/>
                <l>&#x201E;Ein allerer&#x017F;tes We&#x017F;en</l><lb/>
                <l>&#x201E;Von gleicher Dunckelheit ver&#x017F;pu&#x0364;rt?</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Wird</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0089] Von GOTT. Ja, aller dieſer Dinge wegen Fuͤhl’ ich in meiner Seel ſich manchen Zweifel regen. Der Geiſt, der alle Ding hervorgebracht, Kan der durch Seine hoͤchſte Macht Mit Ungewißheit mich zu plagen Nicht etwan einigen Gefallen tragen? Vielleicht hat Er dem Trug des Schlaffs mich uͤbergeben, Und machet einen Traum aus meinem ganzen Leben. Nein: Darum, weil Er GOTT, dieweil Er alles kan, Weil Er vollkommen iſt; iſt alle Furcht verſchwunden. Mit der Vollkommenheit iſt nie ein Fehl verbunden: Die Weisheit, Seiner Guͤt und Ehre heit’rer Schein, Die ſtimmen nimmermehr mit Blendung uͤberein. Laſt uns mit Achtſamkeit Sein Goͤttlichs Werck be- dencken! Nur huͤte man ſich doch, damit ein Flatter-Licht Von falſcher Phantaſey uns nicht vom Weg ablencken Und uns verfuͤhren mag. Er truͤget warlich nicht, Er giebet auch nicht zu, daß die betrogen ſeyn, Die durch Vernunfft den Brauch der Sinne wol regieren. Es mag ſich denn ſo Furcht als Jrrthum frey verliehren! Zwar ſpricht die Schaar der lauen Geiſter, Die Epicurum ihren Meiſter, Doch faſt mit Unrecht, heiſt: „Man nenne das, ſo alle Welt regiert, „Verhaͤngniß, Ungefehr, Natur, GOTT, oder Geiſt; „Wird nicht in den verſchiednen Nahmen „Ein allererſtes Weſen „Von gleicher Dunckelheit verſpuͤrt? „Wird

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/89
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/89>, abgerufen am 08.05.2024.