Von welcher Art die Feuchtigkeiten seyn, Die in des Cörpers Mischung stecken. Mich deucht ich treff' hierinnen etwas an, Das uns zu herrlichen Gedancken leiten kan.
Es scheinet uns so gar ein Traum zu zeigen, Wie unsre Seel ein Dencken, so ihr eigen, Und von den Sinnen gantz verschiedlich. Mich deucht, daß ich im Traum fast eine Probe sehe, Auf welche Weis' ein Geist und eine Seele, Für sich allein gedenck' und auch bestehe, Ohn daß sie mit dem Cörper sich vermähle, Jndem sie ohne Licht, und sonder Auge, Jm Traum zu sehn und zu empfinden tauge.
Man kann durch eines Traums wohl angewandte Lehren, Zugleich uns unsre Gröss' und Nichtigkeit erklären. Die klügsten Menschen, wenn sie wachen, Sind, wenn sie träumen, dumm, Es lauffen gantz verworr'ne Sachen Jn ihrem Kopff herum. Das billig denn von unsrer Niedrigkeit, Uns eine Lehre sollte geben, Da wir die halbe Zeit Von unsern gantzen Leben, Jn einer halb nicht wahr-halb wahren Thorheit schweben.
Wie geht es aber zu, daß Töne, sonder Klang, Daß Farben, sonder Farb und Strahlen, sonder Licht, Daß Cörper, die nicht breit, nicht lang, Man sonder Ohren und Gesicht, Jm Schlaff und Traum erblickt, Aufs wenigste zu sehn vermeinet? Ja, was mir noch am Traum gantz unbegreifflich scheinet,
Jst
Von welcher Art die Feuchtigkeiten ſeyn, Die in des Coͤrpers Miſchung ſtecken. Mich deucht ich treff’ hierinnen etwas an, Das uns zu herrlichen Gedancken leiten kan.
Es ſcheinet uns ſo gar ein Traum zu zeigen, Wie unſre Seel ein Dencken, ſo ihr eigen, Und von den Sinnen gantz verſchiedlich. Mich deucht, daß ich im Traum faſt eine Probe ſehe, Auf welche Weiſ’ ein Geiſt und eine Seele, Fuͤr ſich allein gedenck’ und auch beſtehe, Ohn daß ſie mit dem Coͤrper ſich vermaͤhle, Jndem ſie ohne Licht, und ſonder Auge, Jm Traum zu ſehn und zu empfinden tauge.
Man kann durch eines Traums wohl angewandte Lehren, Zugleich uns unſre Groͤſſ’ und Nichtigkeit erklaͤren. Die kluͤgſten Menſchen, wenn ſie wachen, Sind, wenn ſie traͤumen, dumm, Es lauffen gantz verworr’ne Sachen Jn ihrem Kopff herum. Das billig denn von unſrer Niedrigkeit, Uns eine Lehre ſollte geben, Da wir die halbe Zeit Von unſern gantzen Leben, Jn einer halb nicht wahr-halb wahren Thorheit ſchweben.
Wie geht es aber zu, daß Toͤne, ſonder Klang, Daß Farben, ſonder Farb und Strahlen, ſonder Licht, Daß Coͤrper, die nicht breit, nicht lang, Man ſonder Ohren und Geſicht, Jm Schlaff und Traum erblickt, Aufs wenigſte zu ſehn vermeinet? Ja, was mir noch am Traum gantz unbegreifflich ſcheinet,
Jſt
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Von welcher Art die Feuchtigkeiten ſeyn,
Die in des Coͤrpers Miſchung ſtecken.
Mich deucht ich treff’ hierinnen etwas an,
Das uns zu herrlichen Gedancken leiten kan.
Es ſcheinet uns ſo gar ein Traum zu zeigen,
Wie unſre Seel ein Dencken, ſo ihr eigen,
Und von den Sinnen gantz verſchiedlich.
Mich deucht, daß ich im Traum faſt eine Probe ſehe,
Auf welche Weiſ’ ein Geiſt und eine Seele,
Fuͤr ſich allein gedenck’ und auch beſtehe,
Ohn daß ſie mit dem Coͤrper ſich vermaͤhle,
Jndem ſie ohne Licht, und ſonder Auge,
Jm Traum zu ſehn und zu empfinden tauge.
Man kann durch eines Traums wohl angewandte Lehren,
Zugleich uns unſre Groͤſſ’ und Nichtigkeit erklaͤren.
Die kluͤgſten Menſchen, wenn ſie wachen,
Sind, wenn ſie traͤumen, dumm,
Es lauffen gantz verworr’ne Sachen
Jn ihrem Kopff herum.
Das billig denn von unſrer Niedrigkeit,
Uns eine Lehre ſollte geben,
Da wir die halbe Zeit
Von unſern gantzen Leben,
Jn einer halb nicht wahr-halb wahren Thorheit ſchweben.
Wie geht es aber zu, daß Toͤne, ſonder Klang,
Daß Farben, ſonder Farb und Strahlen, ſonder Licht,
Daß Coͤrper, die nicht breit, nicht lang,
Man ſonder Ohren und Geſicht,
Jm Schlaff und Traum erblickt,
Aufs wenigſte zu ſehn vermeinet?
Ja, was mir noch am Traum gantz unbegreifflich ſcheinet,
Jſt
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/708>, abgerufen am 16.02.2025.
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