Ein feuchter Dufft umnebelt das Gehirn, Betäubt die rege Krafft, erfüllet unsre Stirn, Sinckt allgemach gantz unvermerckt hernieder, Und drückt mit sanffter Last der Augen schlaffe Lieder, Des Leibes Fenster-Schläge, zu. Dann schleicht der Schlaf herein, Und bringet nicht das Aug' und Ohr allein; Den gantzen Leib, zur Ruh'. Es schlafen Hand und Fuß, es schläfet Arm und Bein, Es schläft der gantze Mensch, jedoch das Hertze ruht Und schläft zu keiner Zeit: es treibet stets das Blut, Jedoch so hefftig nicht: es gehen dennoch richtig Die innern Räderchen. Dies Werckzeug bleibet tüchtig Zu allen Handlungen, wie es vorhero war, So gar, Daß, um die Nahrungs-Säffte Wol abzusondern, zu vereinen, Auch zum Verdauen, ihre Kräffte Sich dann noch zu vermehren scheinen.
Bewunderns-würd'ges Werck der weisen Lieb' und Macht Des Schöpffers dieser Welt! Wer sieht hier nicht die Spur Der Allmacht, in dem Schooß der ämsigen Natur? Und alles dieses wird doch, leider! schlecht bedacht, Ja mancher sieht es gar mit scheelen Augen an: "Es ist, spricht Trax, der Schlaff ein räub'rischer Tyrann, "Der uns des grössten Theils von unserm Leben, "Das in so kleiner Maaß uns ohne das gegeben, "Gewaltfamlich beraubt: Es heist, daß er uns stärcke, "Und unser Leben uns verlängre: aber mercke, "Daß er davor die Helfft', als einen Lohn für sich, "Für seine Mühe nimmt. Jst es nicht sonderlich,
"Daß
Ein feuchter Dufft umnebelt das Gehirn, Betaͤubt die rege Krafft, erfuͤllet unſre Stirn, Sinckt allgemach gantz unvermerckt hernieder, Und druͤckt mit ſanffter Laſt der Augen ſchlaffe Lieder, Des Leibes Fenſter-Schlaͤge, zu. Dann ſchleicht der Schlaf herein, Und bringet nicht das Aug’ und Ohr allein; Den gantzen Leib, zur Ruh’. Es ſchlafen Hand und Fuß, es ſchlaͤfet Arm und Bein, Es ſchlaͤft der gantze Menſch, jedoch das Hertze ruht Und ſchlaͤft zu keiner Zeit: es treibet ſtets das Blut, Jedoch ſo hefftig nicht: es gehen dennoch richtig Die innern Raͤderchen. Dies Werckzeug bleibet tuͤchtig Zu allen Handlungen, wie es vorhero war, So gar, Daß, um die Nahrungs-Saͤffte Wol abzuſondern, zu vereinen, Auch zum Verdauen, ihre Kraͤffte Sich dann noch zu vermehren ſcheinen.
Bewunderns-wuͤrd’ges Werck der weiſen Lieb’ und Macht Des Schoͤpffers dieſer Welt! Wer ſieht hier nicht die Spur Der Allmacht, in dem Schooß der aͤmſigen Natur? Und alles dieſes wird doch, leider! ſchlecht bedacht, Ja mancher ſieht es gar mit ſcheelen Augen an: „Es iſt, ſpricht Trax, der Schlaff ein raͤub’riſcher Tyrann, „Der uns des groͤſſten Theils von unſerm Leben, „Das in ſo kleiner Maaß uns ohne das gegeben, „Gewaltfamlich beraubt: Es heiſt, daß er uns ſtaͤrcke, „Und unſer Leben uns verlaͤngre: aber mercke, „Daß er davor die Helfft’, als einen Lohn fuͤr ſich, „Fuͤr ſeine Muͤhe nimmt. Jſt es nicht ſonderlich,
„Daß
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Ein feuchter Dufft umnebelt das Gehirn,
Betaͤubt die rege Krafft, erfuͤllet unſre Stirn,
Sinckt allgemach gantz unvermerckt hernieder,
Und druͤckt mit ſanffter Laſt der Augen ſchlaffe Lieder,
Des Leibes Fenſter-Schlaͤge, zu.
Dann ſchleicht der Schlaf herein,
Und bringet nicht das Aug’ und Ohr allein;
Den gantzen Leib, zur Ruh’.
Es ſchlafen Hand und Fuß, es ſchlaͤfet Arm und Bein,
Es ſchlaͤft der gantze Menſch, jedoch das Hertze ruht
Und ſchlaͤft zu keiner Zeit: es treibet ſtets das Blut,
Jedoch ſo hefftig nicht: es gehen dennoch richtig
Die innern Raͤderchen. Dies Werckzeug bleibet tuͤchtig
Zu allen Handlungen, wie es vorhero war,
So gar,
Daß, um die Nahrungs-Saͤffte
Wol abzuſondern, zu vereinen,
Auch zum Verdauen, ihre Kraͤffte
Sich dann noch zu vermehren ſcheinen.
Bewunderns-wuͤrd’ges Werck der weiſen Lieb’ und Macht
Des Schoͤpffers dieſer Welt! Wer ſieht hier nicht die Spur
Der Allmacht, in dem Schooß der aͤmſigen Natur?
Und alles dieſes wird doch, leider! ſchlecht bedacht,
Ja mancher ſieht es gar mit ſcheelen Augen an:
„Es iſt, ſpricht Trax, der Schlaff ein raͤub’riſcher Tyrann,
„Der uns des groͤſſten Theils von unſerm Leben,
„Das in ſo kleiner Maaß uns ohne das gegeben,
„Gewaltfamlich beraubt: Es heiſt, daß er uns ſtaͤrcke,
„Und unſer Leben uns verlaͤngre: aber mercke,
„Daß er davor die Helfft’, als einen Lohn fuͤr ſich,
„Fuͤr ſeine Muͤhe nimmt. Jſt es nicht ſonderlich,
„Daß
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/700>, abgerufen am 16.07.2024.
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