Vom Schatten zu dem Licht, vom Nichts zur Würcklichkeit!
Wenn dies ein Mensch mit Ernst bedencket, So wird er ja mit Recht nicht zweifflen können, Daß nicht derselbe GOTT, der ihm so viel geschencket, Auch gut, auch mächtig gnung, ein mehrers ihm zu gönnen, Sein Gutes immer noch zu mehren, zu vergrössern, Ja ins unendliche sein Wesen zu verbessern.
Jn welcher Zärtlichkeit und inniglicher Liebe Der GOTTHEIT muß sodann die gantze Seele stehn! Welch Andachts-Brünstigkeit und Ehrfurcht-volle Triebe, Nicht durch ihr gantzes Wesen gehn! Mit welchem sehnlichen und brünstigen Vertrauen, Muß sie die Majestät der GOTTHEIT schauen! Jn ew'ger Emsigkeit, sie anzusehn beflissen; Wird gleichsam sie Zu lauter Liebe werden müssen!
Ach! wenn ich diesemnach solch einen Stand erwege, Und in der Vollenkommenheit, So unaussprechlicher und ew'ger Seeligkeit, Des Schöpffers Liebe, Macht und Weisheit überlege; Fühl' ich bereits auf ird'sche Sinnen, Von einer nie gefühlten Lust, Aus jenem Wollust-Meer, verschied'ne Tropffen rinnen. Es lechtzt, und wallt, und stehnt die Seel in meiner Brust; Sie schwingt die Fittige, dahin sich zu verfügen: Ein süsses Sehnen dehnt in ruhigen Vergnügen Mein gantzes Wesen aus: Ein' aufgeklärte Stille Umgiebt, durchdringet mich: Von jenem reinen Licht, Das, wie ein reger Blitz, durch Nacht und Nebel bricht, Trifft mich ein kleiner Strahl: Von jener feel'gen Fülle Verspür' ich halb entzückt, in brünstigen Verlangen,
Schon
Vom Schatten zu dem Licht, vom Nichts zur Wuͤrcklichkeit!
Wenn dies ein Menſch mit Ernſt bedencket, So wird er ja mit Recht nicht zweifflen koͤnnen, Daß nicht derſelbe GOTT, der ihm ſo viel geſchencket, Auch gut, auch maͤchtig gnung, ein mehrers ihm zu goͤnnen, Sein Gutes immer noch zu mehren, zu vergroͤſſern, Ja ins unendliche ſein Weſen zu verbeſſern.
Jn welcher Zaͤrtlichkeit und inniglicher Liebe Der GOTTHEIT muß ſodann die gantze Seele ſtehn! Welch Andachts-Bruͤnſtigkeit und Ehrfurcht-volle Triebe, Nicht durch ihr gantzes Weſen gehn! Mit welchem ſehnlichen und bruͤnſtigen Vertrauen, Muß ſie die Majeſtaͤt der GOTTHEIT ſchauen! Jn ew’ger Emſigkeit, ſie anzuſehn befliſſen; Wird gleichſam ſie Zu lauter Liebe werden muͤſſen!
Ach! wenn ich dieſemnach ſolch einen Stand erwege, Und in der Vollenkommenheit, So unausſprechlicher und ew’ger Seeligkeit, Des Schoͤpffers Liebe, Macht und Weisheit uͤberlege; Fuͤhl’ ich bereits auf ird’ſche Sinnen, Von einer nie gefuͤhlten Luſt, Aus jenem Wolluſt-Meer, verſchied’ne Tropffen rinnen. Es lechtzt, und wallt, und ſtehnt die Seel in meiner Bruſt; Sie ſchwingt die Fittige, dahin ſich zu verfuͤgen: Ein ſuͤſſes Sehnen dehnt in ruhigen Vergnuͤgen Mein gantzes Weſen aus: Ein’ aufgeklaͤrte Stille Umgiebt, durchdringet mich: Von jenem reinen Licht, Das, wie ein reger Blitz, durch Nacht und Nebel bricht, Trifft mich ein kleiner Strahl: Von jener feel’gen Fuͤlle Verſpuͤr’ ich halb entzuͤckt, in bruͤnſtigen Verlangen,
Schon
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Vom Schatten zu dem Licht, vom Nichts zur Wuͤrcklichkeit!
Wenn dies ein Menſch mit Ernſt bedencket,
So wird er ja mit Recht nicht zweifflen koͤnnen,
Daß nicht derſelbe GOTT, der ihm ſo viel geſchencket,
Auch gut, auch maͤchtig gnung, ein mehrers ihm zu goͤnnen,
Sein Gutes immer noch zu mehren, zu vergroͤſſern,
Ja ins unendliche ſein Weſen zu verbeſſern.
Jn welcher Zaͤrtlichkeit und inniglicher Liebe
Der GOTTHEIT muß ſodann die gantze Seele ſtehn!
Welch Andachts-Bruͤnſtigkeit und Ehrfurcht-volle Triebe,
Nicht durch ihr gantzes Weſen gehn!
Mit welchem ſehnlichen und bruͤnſtigen Vertrauen,
Muß ſie die Majeſtaͤt der GOTTHEIT ſchauen!
Jn ew’ger Emſigkeit, ſie anzuſehn befliſſen;
Wird gleichſam ſie
Zu lauter Liebe werden muͤſſen!
Ach! wenn ich dieſemnach ſolch einen Stand erwege,
Und in der Vollenkommenheit,
So unausſprechlicher und ew’ger Seeligkeit,
Des Schoͤpffers Liebe, Macht und Weisheit uͤberlege;
Fuͤhl’ ich bereits auf ird’ſche Sinnen,
Von einer nie gefuͤhlten Luſt,
Aus jenem Wolluſt-Meer, verſchied’ne Tropffen rinnen.
Es lechtzt, und wallt, und ſtehnt die Seel in meiner Bruſt;
Sie ſchwingt die Fittige, dahin ſich zu verfuͤgen:
Ein ſuͤſſes Sehnen dehnt in ruhigen Vergnuͤgen
Mein gantzes Weſen aus: Ein’ aufgeklaͤrte Stille
Umgiebt, durchdringet mich: Von jenem reinen Licht,
Das, wie ein reger Blitz, durch Nacht und Nebel bricht,
Trifft mich ein kleiner Strahl: Von jener feel’gen Fuͤlle
Verſpuͤr’ ich halb entzuͤckt, in bruͤnſtigen Verlangen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/692>, abgerufen am 16.02.2025.
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