Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Jst nicht genug Ein mit Vernunfft begabtes Wesen Beglückt zu machen, zu vergnügen: Es muß ein etwas seyn, das würcklich da, Das sich mit ihm verbindet, das ihm nah, Wodurch er wesentlich kan ein Empfinden kriegen. Ein Wesen von Natur, stets würckend, stets geschäfftig, Vermag kein' andre Ruh', kein' andre Lust zu finden, Als wenn es würckend ist, als wenn es kräfftig, Mit solchen Sachen sich zu gatten, zu verbinden, Die ewig wesentlich, Und immer mehr und mehr die Dinge zu ergründen, Die ihm recht angenehm. Wir spüren hier auf Erden Dergleichen Neigung schon, doch weil der Leib verwehrt Allhier was gründliches zu fassen; Muß unser Geist es hier bloß beym Bewundern lassen. Vermuthlich muß daher sein würckliches Vergnügen Jn gleich gearteten, Stets aneinander hangenden, Und angenehmsten Würckungen, Womit sich der Verstand beschäfftigt, liegen. Noch sind verschiedene, die meinen, Als wenn die Seel in einem sanfften Schlummer, Ohn alle Noth, Verdrießlichkeit und Kummer, Biß Leib und Seele sich aufs neu vereinen, Doch ohn Empfindlichkeit für Lust und Wonne bleibe; Wie Kirchen-Lehrer selbst, als wir es lesen, Vor langer Zeit hierinn der Meinung wol gewesen. Denselben aber beyzustimmen, Verträget mein Begriff von GOTTES Liebe nicht. Mich deucht es ist der Menschen-Pflicht, Von
Jſt nicht genug Ein mit Vernunfft begabtes Weſen Begluͤckt zu machen, zu vergnuͤgen: Es muß ein etwas ſeyn, das wuͤrcklich da, Das ſich mit ihm verbindet, das ihm nah, Wodurch er weſentlich kan ein Empfinden kriegen. Ein Weſen von Natur, ſtets wuͤrckend, ſtets geſchaͤfftig, Vermag kein’ andre Ruh’, kein’ andre Luſt zu finden, Als wenn es wuͤrckend iſt, als wenn es kraͤfftig, Mit ſolchen Sachen ſich zu gatten, zu verbinden, Die ewig weſentlich, Und immer mehr und mehr die Dinge zu ergruͤnden, Die ihm recht angenehm. Wir ſpuͤren hier auf Erden Dergleichen Neigung ſchon, doch weil der Leib verwehrt Allhier was gruͤndliches zu faſſen; Muß unſer Geiſt es hier bloß beym Bewundern laſſen. Vermuthlich muß daher ſein wuͤrckliches Vergnuͤgen Jn gleich gearteten, Stets aneinander hangenden, Und angenehmſten Wuͤrckungen, Womit ſich der Verſtand beſchaͤfftigt, liegen. Noch ſind verſchiedene, die meinen, Als wenn die Seel in einem ſanfften Schlummer, Ohn alle Noth, Verdrießlichkeit und Kummer, Biß Leib und Seele ſich aufs neu vereinen, Doch ohn Empfindlichkeit fuͤr Luſt und Wonne bleibe; Wie Kirchen-Lehrer ſelbſt, als wir es leſen, Vor langer Zeit hierinn der Meinung wol geweſen. Denſelben aber beyzuſtimmen, Vertraͤget mein Begriff von GOTTES Liebe nicht. Mich deucht es iſt der Menſchen-Pflicht, Von
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Jſt nicht genug
Ein mit Vernunfft begabtes Weſen
Begluͤckt zu machen, zu vergnuͤgen:
Es muß ein etwas ſeyn, das wuͤrcklich da,
Das ſich mit ihm verbindet, das ihm nah,
Wodurch er weſentlich kan ein Empfinden kriegen.
Ein Weſen von Natur, ſtets wuͤrckend, ſtets geſchaͤfftig,
Vermag kein’ andre Ruh’, kein’ andre Luſt zu finden,
Als wenn es wuͤrckend iſt, als wenn es kraͤfftig,
Mit ſolchen Sachen ſich zu gatten, zu verbinden,
Die ewig weſentlich,
Und immer mehr und mehr die Dinge zu ergruͤnden,
Die ihm recht angenehm. Wir ſpuͤren hier auf Erden
Dergleichen Neigung ſchon, doch weil der Leib verwehrt
Allhier was gruͤndliches zu faſſen;
Muß unſer Geiſt es hier bloß beym Bewundern laſſen.
Vermuthlich muß daher ſein wuͤrckliches Vergnuͤgen
Jn gleich gearteten,
Stets aneinander hangenden,
Und angenehmſten Wuͤrckungen,
Womit ſich der Verſtand beſchaͤfftigt, liegen.
Noch ſind verſchiedene, die meinen,
Als wenn die Seel in einem ſanfften Schlummer,
Ohn alle Noth, Verdrießlichkeit und Kummer,
Biß Leib und Seele ſich aufs neu vereinen,
Doch ohn Empfindlichkeit fuͤr Luſt und Wonne bleibe;
Wie Kirchen-Lehrer ſelbſt, als wir es leſen,
Vor langer Zeit hierinn der Meinung wol geweſen.
Denſelben aber beyzuſtimmen,
Vertraͤget mein Begriff von GOTTES Liebe nicht.
Mich deucht es iſt der Menſchen-Pflicht,
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