Jm Menschen zeiget GOTT der HERR, Wie Er Die wunderbarlichste Machin' hervorgebracht, Worinn von Göttlichkeit ein Ausfluß klar erscheint, Der sich, durch Mittel, die der Macht Der GOTTHEJT würdig sind, darinn vereint, Die unser Geist, als der umschränckt, Nicht fassen kan. Da GOTT die Seelen, Um mit dem leiblichen was geistigs zu vermählen, Jn Cörper eingesenckt; Wie die Empfindlichkeit für sie allein Nur sollte seyn; So wollt' er, daß ein Druck, den Cörper zu bewegen, Sollt' in der Seel ein schnell Gefühl erregen. Er wollte Leib und Seel auf diese Art verbinden, Daß, wenn man unsern Leib auf solche Art berührte, Man Farben, Hitz und Frost, auch Licht und Ton verspürte. Da doch ein jeder Druck, der rückwerts fällt, Von Farben, Tönen, Licht, von Hitz und Kält, So fern als man dieselbigen erkennt, Von der Materie sich trennt. Ohn daß sich äuserlich nur das geringste weis't: So zeigt bloß die Jdee, so einfach, sich dem Geist.
Wie kan man auch mit Recht begehren, Daß alle Bilder, welche sich Jm Augenblick formiren und verstöhren, Jn welchen eigentlich Noch Raum noch Zeit enthalten,
Un-
L l 5
Betrachtung uͤber die Jdeen.
Jm Menſchen zeiget GOTT der HERR, Wie Er Die wunderbarlichſte Machin’ hervorgebracht, Worinn von Goͤttlichkeit ein Ausfluß klar erſcheint, Der ſich, durch Mittel, die der Macht Der GOTTHEJT wuͤrdig ſind, darinn vereint, Die unſer Geiſt, als der umſchraͤnckt, Nicht faſſen kan. Da GOTT die Seelen, Um mit dem leiblichen was geiſtigs zu vermaͤhlen, Jn Coͤrper eingeſenckt; Wie die Empfindlichkeit fuͤr ſie allein Nur ſollte ſeyn; So wollt’ er, daß ein Druck, den Coͤrper zu bewegen, Sollt’ in der Seel ein ſchnell Gefuͤhl erregen. Er wollte Leib und Seel auf dieſe Art verbinden, Daß, wenn man unſern Leib auf ſolche Art beruͤhrte, Man Farben, Hitz und Froſt, auch Licht und Ton verſpuͤrte. Da doch ein jeder Druck, der ruͤckwerts faͤllt, Von Farben, Toͤnen, Licht, von Hitz und Kaͤlt, So fern als man dieſelbigen erkennt, Von der Materie ſich trennt. Ohn daß ſich aͤuſerlich nur das geringſte weiſ’t: So zeigt bloß die Jdee, ſo einfach, ſich dem Geiſt.
Wie kan man auch mit Recht begehren, Daß alle Bilder, welche ſich Jm Augenblick formiren und verſtoͤhren, Jn welchen eigentlich Noch Raum noch Zeit enthalten,
Un-
L l 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0567"n="537"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Betrachtung uͤber die Jdeen.</hi></fw><lb/><lgtype="poem"><l>Jm Menſchen zeiget GOTT der HERR,</l><lb/><l>Wie Er</l><lb/><l>Die wunderbarlichſte Machin’ hervorgebracht,</l><lb/><l>Worinn von Goͤttlichkeit ein Ausfluß klar erſcheint,</l><lb/><l>Der ſich, durch Mittel, die der Macht</l><lb/><l>Der GOTTHEJT wuͤrdig ſind, darinn vereint,</l><lb/><l>Die unſer Geiſt, als der umſchraͤnckt,</l><lb/><l>Nicht faſſen kan. Da GOTT die Seelen,</l><lb/><l>Um mit dem leiblichen was geiſtigs zu vermaͤhlen,</l><lb/><l>Jn Coͤrper eingeſenckt;</l><lb/><l>Wie die Empfindlichkeit fuͤr ſie allein</l><lb/><l>Nur ſollte ſeyn;</l><lb/><l>So wollt’ er, daß ein Druck, den Coͤrper zu bewegen,</l><lb/><l>Sollt’ in der Seel ein ſchnell Gefuͤhl erregen.</l><lb/><l>Er wollte Leib und Seel auf dieſe Art verbinden,</l><lb/><l>Daß, wenn man unſern Leib auf ſolche Art beruͤhrte,</l><lb/><l>Man Farben, Hitz und Froſt, auch Licht und Ton verſpuͤrte.</l><lb/><l>Da doch ein jeder Druck, der ruͤckwerts faͤllt,</l><lb/><l>Von Farben, Toͤnen, Licht, von Hitz und Kaͤlt,</l><lb/><l>So fern als man dieſelbigen erkennt,</l><lb/><l>Von der Materie ſich trennt.</l><lb/><l>Ohn daß ſich aͤuſerlich nur das geringſte weiſ’t:</l><lb/><l>So zeigt bloß die Jdee, ſo einfach, ſich dem Geiſt.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">W</hi>ie kan man auch mit Recht begehren,</l><lb/><l>Daß alle Bilder, welche ſich</l><lb/><l>Jm Augenblick formiren und verſtoͤhren,</l><lb/><l>Jn welchen eigentlich</l><lb/><l>Noch Raum noch Zeit enthalten,</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">L l 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Un-</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[537/0567]
Betrachtung uͤber die Jdeen.
Jm Menſchen zeiget GOTT der HERR,
Wie Er
Die wunderbarlichſte Machin’ hervorgebracht,
Worinn von Goͤttlichkeit ein Ausfluß klar erſcheint,
Der ſich, durch Mittel, die der Macht
Der GOTTHEJT wuͤrdig ſind, darinn vereint,
Die unſer Geiſt, als der umſchraͤnckt,
Nicht faſſen kan. Da GOTT die Seelen,
Um mit dem leiblichen was geiſtigs zu vermaͤhlen,
Jn Coͤrper eingeſenckt;
Wie die Empfindlichkeit fuͤr ſie allein
Nur ſollte ſeyn;
So wollt’ er, daß ein Druck, den Coͤrper zu bewegen,
Sollt’ in der Seel ein ſchnell Gefuͤhl erregen.
Er wollte Leib und Seel auf dieſe Art verbinden,
Daß, wenn man unſern Leib auf ſolche Art beruͤhrte,
Man Farben, Hitz und Froſt, auch Licht und Ton verſpuͤrte.
Da doch ein jeder Druck, der ruͤckwerts faͤllt,
Von Farben, Toͤnen, Licht, von Hitz und Kaͤlt,
So fern als man dieſelbigen erkennt,
Von der Materie ſich trennt.
Ohn daß ſich aͤuſerlich nur das geringſte weiſ’t:
So zeigt bloß die Jdee, ſo einfach, ſich dem Geiſt.
Wie kan man auch mit Recht begehren,
Daß alle Bilder, welche ſich
Jm Augenblick formiren und verſtoͤhren,
Jn welchen eigentlich
Noch Raum noch Zeit enthalten,
Un-
L l 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/567>, abgerufen am 03.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.