Wohin die Handlungen von allen Seiten Sich fügen und damit verbinden, Und welches alles kan zu einem leiten.
Ein Beyspiel zeiget uns, daß dies die Wahrheit sey: Wenn sich in jeden Aug' ein Gegenwurf formiret, Wie kommt es denn, daß man nur eine Schilderey Von selben Gegenwurff in unserm Hirn verspüret? Wenn man nun diesen Bau, der wol recht wunderbar, Von innen nahe sieht; wird die Erfahrung klar. Jm Haupte sieht man Fern-und Spiegel-Gläser sitzen, Durch unsre Augen dringt des Lichtes schnelles Blitzen. Jns Auges Apffel wird erblickt, Wie sich in jeglichem ein kleines Bildniß drückt. Allein hier muß man nicht verbleiben, Jndem der Eindruck noch viel tieffer geht. Lasst uns bis in den Grund des Hirns das Dencken treiben, Wo des Gesichtes Nervgen steht. Da, wo aus beyden Augen sich Verbindungs-Fäden schnell begegnen und berühren, Wird man vom Vorwurff sichtbarlich Nur eine Schilderey verspüren. Also vereinen sich die Ohren-Nerven auch. Der Zungen und der Nas' und die, so zum Gebrauch Des Fühlens zugericht't und unsern Leib durchgehen, Die können wir für sich auch also würcken sehen.
Jn diesem Ort, wohin sich alle wenden, Und wo die Puncten sich von ihren Fäden enden, Wird überhaupt der Sinnen Werck vollführt,
Der
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Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Wohin die Handlungen von allen Seiten Sich fuͤgen und damit verbinden, Und welches alles kan zu einem leiten.
Ein Beyſpiel zeiget uns, daß dies die Wahrheit ſey: Wenn ſich in jeden Aug’ ein Gegenwurf formiret, Wie kommt es denn, daß man nur eine Schilderey Von ſelben Gegenwurff in unſerm Hirn verſpuͤret? Wenn man nun dieſen Bau, der wol recht wunderbar, Von innen nahe ſieht; wird die Erfahrung klar. Jm Haupte ſieht man Fern-und Spiegel-Glaͤſer ſitzen, Durch unſre Augen dringt des Lichtes ſchnelles Blitzen. Jns Auges Apffel wird erblickt, Wie ſich in jeglichem ein kleines Bildniß druͤckt. Allein hier muß man nicht verbleiben, Jndem der Eindruck noch viel tieffer geht. Laſſt uns bis in den Grund des Hirns das Dencken treiben, Wo des Geſichtes Nervgen ſteht. Da, wo aus beyden Augen ſich Verbindungs-Faͤden ſchnell begegnen und beruͤhren, Wird man vom Vorwurff ſichtbarlich Nur eine Schilderey verſpuͤren. Alſo vereinen ſich die Ohren-Nerven auch. Der Zungen und der Naſ’ und die, ſo zum Gebrauch Des Fuͤhlens zugericht’t und unſern Leib durchgehen, Die koͤnnen wir fuͤr ſich auch alſo wuͤrcken ſehen.
Jn dieſem Ort, wohin ſich alle wenden, Und wo die Puncten ſich von ihren Faͤden enden, Wird uͤberhaupt der Sinnen Werck vollfuͤhrt,
Der
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Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Wohin die Handlungen von allen Seiten
Sich fuͤgen und damit verbinden,
Und welches alles kan zu einem leiten.
Ein Beyſpiel zeiget uns, daß dies die Wahrheit ſey:
Wenn ſich in jeden Aug’ ein Gegenwurf formiret,
Wie kommt es denn, daß man nur eine Schilderey
Von ſelben Gegenwurff in unſerm Hirn verſpuͤret?
Wenn man nun dieſen Bau, der wol recht wunderbar,
Von innen nahe ſieht; wird die Erfahrung klar.
Jm Haupte ſieht man Fern-und Spiegel-Glaͤſer ſitzen,
Durch unſre Augen dringt des Lichtes ſchnelles Blitzen.
Jns Auges Apffel wird erblickt,
Wie ſich in jeglichem ein kleines Bildniß druͤckt.
Allein hier muß man nicht verbleiben,
Jndem der Eindruck noch viel tieffer geht.
Laſſt uns bis in den Grund des Hirns das Dencken treiben,
Wo des Geſichtes Nervgen ſteht.
Da, wo aus beyden Augen ſich
Verbindungs-Faͤden ſchnell begegnen und beruͤhren,
Wird man vom Vorwurff ſichtbarlich
Nur eine Schilderey verſpuͤren.
Alſo vereinen ſich die Ohren-Nerven auch.
Der Zungen und der Naſ’ und die, ſo zum Gebrauch
Des Fuͤhlens zugericht’t und unſern Leib durchgehen,
Die koͤnnen wir fuͤr ſich auch alſo wuͤrcken ſehen.
Jn dieſem Ort, wohin ſich alle wenden,
Und wo die Puncten ſich von ihren Faͤden enden,
Wird uͤberhaupt der Sinnen Werck vollfuͤhrt,
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/535>, abgerufen am 23.06.2024.
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