So wird ihr Abstand sich zu mindern scheinen; Und doch kan unser Fuß dahin nicht gehn. Ob wir dieselben gleich fast zu berühren meinen.
Es leitet das Gesicht, es folgt ihm der Verstand. Vom Cörper, der sehr groß, wird seine Gröss' erkannt, Weil, wann man seine Gröss' erkennen will und wissen, Wir unsrer Augen Stand verändern müssen, Um selben gantz zu übersehn. Man wird, auf welche Weis' er sich beweget, Durch sichre Folge bald verstehn, Wenn sich, um ihn zu sehn, das Auge mit ihm reget. Wie oder wo es stets am ersten Ort sich bindet, Der Vorwurff schnell aus unsern Blick verschwindet.
Die Seele sucht offt aus den Ketten, Die sie umschlingen, sich zu retten; Sie selber, wenn sie offt durch Jrrthum fortgerissen, Und daß aus Schwachheit sie den Sinnen folgen müssen, Erleuchtet sie sie doch gar offt hingegen, Und leitet sie auf rechten Wegen, Ja richtet ihre Handlung ein. Der Jrrthum wird durch sie vertilget und verbessert, So, daß was Anfangs schien ein blinder Sinn zu seyn, Hernachmahls plötzlich wird erkannt, Daß es ein würcklicher Verstand.
Vom Geist hängt alles ab. Allein Er selber muß erst Richter feyn,
Und
Von dem Geſicht.
So wird ihr Abſtand ſich zu mindern ſcheinen; Und doch kan unſer Fuß dahin nicht gehn. Ob wir dieſelben gleich faſt zu beruͤhren meinen.
Es leitet das Geſicht, es folgt ihm der Verſtand. Vom Coͤrper, der ſehr groß, wird ſeine Groͤſſ’ erkannt, Weil, wann man ſeine Groͤſſ’ erkennen will und wiſſen, Wir unſrer Augen Stand veraͤndern muͤſſen, Um ſelben gantz zu uͤberſehn. Man wird, auf welche Weiſ’ er ſich beweget, Durch ſichre Folge bald verſtehn, Wenn ſich, um ihn zu ſehn, das Auge mit ihm reget. Wie oder wo es ſtets am erſten Ort ſich bindet, Der Vorwurff ſchnell aus unſern Blick verſchwindet.
Die Seele ſucht offt aus den Ketten, Die ſie umſchlingen, ſich zu retten; Sie ſelber, wenn ſie offt durch Jrrthum fortgeriſſen, Und daß aus Schwachheit ſie den Sinnen folgen muͤſſen, Erleuchtet ſie ſie doch gar offt hingegen, Und leitet ſie auf rechten Wegen, Ja richtet ihre Handlung ein. Der Jrrthum wird durch ſie vertilget und verbeſſert, So, daß was Anfangs ſchien ein blinder Sinn zu ſeyn, Hernachmahls ploͤtzlich wird erkannt, Daß es ein wuͤrcklicher Verſtand.
Vom Geiſt haͤngt alles ab. Allein Er ſelber muß erſt Richter feyn,
Und
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[477/0507]
Von dem Geſicht.
So wird ihr Abſtand ſich zu mindern ſcheinen;
Und doch kan unſer Fuß dahin nicht gehn.
Ob wir dieſelben gleich faſt zu beruͤhren meinen.
Es leitet das Geſicht, es folgt ihm der Verſtand.
Vom Coͤrper, der ſehr groß, wird ſeine Groͤſſ’ erkannt,
Weil, wann man ſeine Groͤſſ’ erkennen will und wiſſen,
Wir unſrer Augen Stand veraͤndern muͤſſen,
Um ſelben gantz zu uͤberſehn.
Man wird, auf welche Weiſ’ er ſich beweget,
Durch ſichre Folge bald verſtehn,
Wenn ſich, um ihn zu ſehn, das Auge mit ihm reget.
Wie oder wo es ſtets am erſten Ort ſich bindet,
Der Vorwurff ſchnell aus unſern Blick verſchwindet.
Die Seele ſucht offt aus den Ketten,
Die ſie umſchlingen, ſich zu retten;
Sie ſelber, wenn ſie offt durch Jrrthum fortgeriſſen,
Und daß aus Schwachheit ſie den Sinnen folgen muͤſſen,
Erleuchtet ſie ſie doch gar offt hingegen,
Und leitet ſie auf rechten Wegen,
Ja richtet ihre Handlung ein.
Der Jrrthum wird durch ſie vertilget und verbeſſert,
So, daß was Anfangs ſchien ein blinder Sinn zu ſeyn,
Hernachmahls ploͤtzlich wird erkannt,
Daß es ein wuͤrcklicher Verſtand.
Vom Geiſt haͤngt alles ab. Allein
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/507>, abgerufen am 16.07.2024.
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