Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Von dem Gesicht. Der Apffel ist die Thür', durch schneller Feder Schliessen Und Oeffnen, führt das Aug', indem es bald den Ort, Bald die Figur verändert, immerfort Die Strahlen bey sich ein, die allezeit drauf schiessen. Eröffnet sich der Apffel nun dem Licht; So wird von den Beschaffenheiten Der dreyen Feuchtigkeiten, Die Wässrichte, nebst der, so in der Mitten, Und, Linsen gleich, scheint aus Crystall geschnitten, Auch die von Glas: zur Handlung vom Gesicht Das mehreste verricht. Da es von innen gantz durchsichtig und umringt Von seiner Häutgen Meng; so dringt Der zarten Strahlen Heer, Das von den Cörpern rückwerts springt, Sich so gerad, ins Aug', daß, wo das Nervgen steht, Es alles auf ein Pünctgen geht. Jm Grund ist jedes Rund mit einem Netz bedeckt, Dahin sich jede Nerv' in kleine Fäden streckt, Daselbst formiren sie, was man Retina heisst, An welcher sich der Anfang weist Von Gegenwürffen, die vom Licht Erleuchtet sind, und nahe beym Gesicht. Da würckt der zarte Sinn sein künstlich Zauber-Stück, Als wie auf einen Tuch, das leer: daselbst entstehen Und kan man jeden Augenblick Viel tansend Schildereyen sehen. Mit G g
Von dem Geſicht. Der Apffel iſt die Thuͤr’, durch ſchneller Feder Schlieſſen Und Oeffnen, fuͤhrt das Aug’, indem es bald den Ort, Bald die Figur veraͤndert, immerfort Die Strahlen bey ſich ein, die allezeit drauf ſchieſſen. Eroͤffnet ſich der Apffel nun dem Licht; So wird von den Beſchaffenheiten Der dreyen Feuchtigkeiten, Die Waͤſſrichte, nebſt der, ſo in der Mitten, Und, Linſen gleich, ſcheint aus Cryſtall geſchnitten, Auch die von Glas: zur Handlung vom Geſicht Das mehreſte verricht. Da es von innen gantz durchſichtig und umringt Von ſeiner Haͤutgen Meng; ſo dringt Der zarten Strahlen Heer, Das von den Coͤrpern ruͤckwerts ſpringt, Sich ſo gerad, ins Aug’, daß, wo das Nervgen ſteht, Es alles auf ein Puͤnctgen geht. Jm Grund iſt jedes Rund mit einem Netz bedeckt, Dahin ſich jede Nerv’ in kleine Faͤden ſtreckt, Daſelbſt formiren ſie, was man Retina heiſſt, An welcher ſich der Anfang weiſt Von Gegenwuͤrffen, die vom Licht Erleuchtet ſind, und nahe beym Geſicht. Da wuͤrckt der zarte Sinn ſein kuͤnſtlich Zauber-Stuͤck, Als wie auf einen Tuch, das leer: daſelbſt entſtehen Und kan man jeden Augenblick Viel tanſend Schildereyen ſehen. Mit G g
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0495" n="465"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Geſicht.</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>er Apffel iſt die Thuͤr’, durch ſchneller Feder Schlieſſen</l><lb/> <l>Und Oeffnen, fuͤhrt das Aug’, indem es bald den Ort,</l><lb/> <l>Bald die Figur veraͤndert, immerfort</l><lb/> <l>Die Strahlen bey ſich ein, die allezeit drauf ſchieſſen.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">E</hi>roͤffnet ſich der Apffel nun dem Licht;</l><lb/> <l>So wird von den Beſchaffenheiten</l><lb/> <l>Der dreyen Feuchtigkeiten,</l><lb/> <l>Die Waͤſſrichte, nebſt der, ſo in der Mitten,</l><lb/> <l>Und, Linſen gleich, ſcheint aus Cryſtall geſchnitten,</l><lb/> <l>Auch die von Glas: zur Handlung vom Geſicht</l><lb/> <l>Das mehreſte verricht.</l><lb/> <l>Da es von innen gantz durchſichtig und umringt</l><lb/> <l>Von ſeiner Haͤutgen Meng; ſo dringt</l><lb/> <l>Der zarten Strahlen Heer,</l><lb/> <l>Das von den Coͤrpern ruͤckwerts ſpringt,</l><lb/> <l>Sich ſo gerad, ins Aug’, daß, wo das Nervgen ſteht,</l><lb/> <l>Es alles auf ein Puͤnctgen geht.</l><lb/> <l>Jm Grund iſt jedes Rund mit einem Netz bedeckt,</l><lb/> <l>Dahin ſich jede Nerv’ in kleine Faͤden ſtreckt,</l><lb/> <l>Daſelbſt formiren ſie, was man Retina heiſſt,</l><lb/> <l>An welcher ſich der Anfang weiſt</l><lb/> <l>Von Gegenwuͤrffen, die vom Licht</l><lb/> <l>Erleuchtet ſind, und nahe beym Geſicht.</l><lb/> <l>Da wuͤrckt der zarte Sinn ſein kuͤnſtlich Zauber-Stuͤck,</l><lb/> <l>Als wie auf einen Tuch, das leer: daſelbſt entſtehen</l><lb/> <l>Und kan man jeden Augenblick</l><lb/> <l>Viel tanſend Schildereyen ſehen.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">G g</fw> <fw place="bottom" type="catch">Mit</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [465/0495]
Von dem Geſicht.
Der Apffel iſt die Thuͤr’, durch ſchneller Feder Schlieſſen
Und Oeffnen, fuͤhrt das Aug’, indem es bald den Ort,
Bald die Figur veraͤndert, immerfort
Die Strahlen bey ſich ein, die allezeit drauf ſchieſſen.
Eroͤffnet ſich der Apffel nun dem Licht;
So wird von den Beſchaffenheiten
Der dreyen Feuchtigkeiten,
Die Waͤſſrichte, nebſt der, ſo in der Mitten,
Und, Linſen gleich, ſcheint aus Cryſtall geſchnitten,
Auch die von Glas: zur Handlung vom Geſicht
Das mehreſte verricht.
Da es von innen gantz durchſichtig und umringt
Von ſeiner Haͤutgen Meng; ſo dringt
Der zarten Strahlen Heer,
Das von den Coͤrpern ruͤckwerts ſpringt,
Sich ſo gerad, ins Aug’, daß, wo das Nervgen ſteht,
Es alles auf ein Puͤnctgen geht.
Jm Grund iſt jedes Rund mit einem Netz bedeckt,
Dahin ſich jede Nerv’ in kleine Faͤden ſtreckt,
Daſelbſt formiren ſie, was man Retina heiſſt,
An welcher ſich der Anfang weiſt
Von Gegenwuͤrffen, die vom Licht
Erleuchtet ſind, und nahe beym Geſicht.
Da wuͤrckt der zarte Sinn ſein kuͤnſtlich Zauber-Stuͤck,
Als wie auf einen Tuch, das leer: daſelbſt entſtehen
Und kan man jeden Augenblick
Viel tanſend Schildereyen ſehen.
Mit
G g
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |