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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

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Von den Sinnlichkeiten insgemein.
Daß wir zugleich den Geist, sein Wesen, seine Art
Von dem, was eörperlich, und offt die Sinnen lencket,
Bemühet seyn zu unterscheiden.
Es setz't der Mensch, und wol recht als mit Freuden,
Sich aus sich selbst heraus, und zwar die meiste Zeit,
Ja, durch sich selbst geteuscht, setzt er in andre Dinge
Das, was bloß durch Gelegenheit
Der Vorwürff' er in sich von Sinnlichen empfinge.
Wir sperren uns und wollen nicht verstehen,
Daß Cörper, von so unterschiednen Gaben,
Nur bloß von uns die Eigenschafften haben,
Daß nichts bey ihnen sey, als bloß nur ein Bewegen,
Wodurch sie denn den Nerven das erregen,
Was Cörper insgemein
Von Cörpern zu empfangen pflegen:
Wie denn auch ebenfalls kein' andre Eigenschafften
An denen Nerven selber hafften;
Als daß sie minder bald, bald mehr beweget seyn,
Und jede von dem Druck bald mehr bald minder leidet:
Wann aber sich ein Sinn von audern unterscheidet;
So sey man überführt, daß bloß der Geist allein
Geschickt ist zu befinden
Den Unterscheid, den wir durch sie empfinden.
Wenn man beflissen ist, daß man erkenne,
Auf welche Weise uns das Feuer wärm' und brenne;
So dencke man nur frey,
Daß es recht lächerlich und kindisch sey,
Wofern man in das Feur die Wärme wollte setzen,
Die uns, nachdem die Hand, bald fern, bald nah dabey,
Jm Wechsel, kan ergetzen und verletzen.
Die
Von den Sinnlichkeiten insgemein.
Daß wir zugleich den Geiſt, ſein Weſen, ſeine Art
Von dem, was eoͤrperlich, und offt die Sinnen lencket,
Bemuͤhet ſeyn zu unterſcheiden.
Es ſetz’t der Menſch, und wol recht als mit Freuden,
Sich aus ſich ſelbſt heraus, und zwar die meiſte Zeit,
Ja, durch ſich ſelbſt geteuſcht, ſetzt er in andre Dinge
Das, was bloß durch Gelegenheit
Der Vorwuͤrff’ er in ſich von Sinnlichen empfinge.
Wir ſperren uns und wollen nicht verſtehen,
Daß Coͤrper, von ſo unterſchiednen Gaben,
Nur bloß von uns die Eigenſchafften haben,
Daß nichts bey ihnen ſey, als bloß nur ein Bewegen,
Wodurch ſie denn den Nerven das erregen,
Was Coͤrper insgemein
Von Coͤrpern zu empfangen pflegen:
Wie denn auch ebenfalls kein’ andre Eigenſchafften
An denen Nerven ſelber hafften;
Als daß ſie minder bald, bald mehr beweget ſeyn,
Und jede von dem Druck bald mehr bald minder leidet:
Wann aber ſich ein Sinn von audern unterſcheidet;
So ſey man uͤberfuͤhrt, daß bloß der Geiſt allein
Geſchickt iſt zu befinden
Den Unterſcheid, den wir durch ſie empfinden.
Wenn man befliſſen iſt, daß man erkenne,
Auf welche Weiſe uns das Feuer waͤrm’ und brenne;
So dencke man nur frey,
Daß es recht laͤcherlich und kindiſch ſey,
Wofern man in das Feur die Waͤrme wollte ſetzen,
Die uns, nachdem die Hand, bald fern, bald nah dabey,
Jm Wechſel, kan ergetzen und verletzen.
Die
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[431/0461] Von den Sinnlichkeiten insgemein. Daß wir zugleich den Geiſt, ſein Weſen, ſeine Art Von dem, was eoͤrperlich, und offt die Sinnen lencket, Bemuͤhet ſeyn zu unterſcheiden. Es ſetz’t der Menſch, und wol recht als mit Freuden, Sich aus ſich ſelbſt heraus, und zwar die meiſte Zeit, Ja, durch ſich ſelbſt geteuſcht, ſetzt er in andre Dinge Das, was bloß durch Gelegenheit Der Vorwuͤrff’ er in ſich von Sinnlichen empfinge. Wir ſperren uns und wollen nicht verſtehen, Daß Coͤrper, von ſo unterſchiednen Gaben, Nur bloß von uns die Eigenſchafften haben, Daß nichts bey ihnen ſey, als bloß nur ein Bewegen, Wodurch ſie denn den Nerven das erregen, Was Coͤrper insgemein Von Coͤrpern zu empfangen pflegen: Wie denn auch ebenfalls kein’ andre Eigenſchafften An denen Nerven ſelber hafften; Als daß ſie minder bald, bald mehr beweget ſeyn, Und jede von dem Druck bald mehr bald minder leidet: Wann aber ſich ein Sinn von audern unterſcheidet; So ſey man uͤberfuͤhrt, daß bloß der Geiſt allein Geſchickt iſt zu befinden Den Unterſcheid, den wir durch ſie empfinden. Wenn man befliſſen iſt, daß man erkenne, Auf welche Weiſe uns das Feuer waͤrm’ und brenne; So dencke man nur frey, Daß es recht laͤcherlich und kindiſch ſey, Wofern man in das Feur die Waͤrme wollte ſetzen, Die uns, nachdem die Hand, bald fern, bald nah dabey, Jm Wechſel, kan ergetzen und verletzen. Die

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/461>, abgerufen am 23.05.2024.