Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von den Jahrs-Zeiten.


Wann sie nun fern von unserm Nord
Und nach den Süd-Pol scheint zu fliehen,
Bemercken wir bey allen Schritten dort,
Wie Frost und Eis bey uns die Felder überziehen.
Der Winter wirfft so dann der Gärten-Schmuck ins Grab.
Von Schatten-reichen-Wald und Büschen
Fällt ihr begrüntes Haar herab.
Der wilde Nord-Wind führt mit scharffen Zischen
Die strenge Kält herbey, versteint die Furchen, bindet
Und fesselt Fluß und Bach. Es siehet alles hart,
Verödet, traurig aus,
Die Nahrungs-Krafft verschwindet,
Der feuchte Safft empfindet
Nun kein Bewegen mehr;
Es liegt die Erd erstarrt.
Sie scheinet träg. Es bleibt in ihrer Schooß entlaubt
Das Heer der Nahrungs-reichen-Sprossen:
So lang der kalte Nord-Wind schnaubt,
Als unbeseelet eingeschlossen.


Ein gar zu strenger Frost, ein'allzu strenge Hitze,
Verheeren beyde Kraut und Blüht'.
Empfinden wir zu starcke Sonnen-Blitze;
Wie, oder daß der Nord, der weisse Flocken sprüht,
Den Morgen-Thau in Reiff verkehrt;
Wird Flora buntes Reich, weil sie der Farben-Schein,
Durch feuchter Dünste Hülff' und Zufluß bloß allein
Jn ihrem Glantz erhält, wann's Feld kein Naß mehr nährt,
Ent-
R 4
Von den Jahrs-Zeiten.


Wann ſie nun fern von unſerm Nord
Und nach den Suͤd-Pol ſcheint zu fliehen,
Bemercken wir bey allen Schritten dort,
Wie Froſt und Eis bey uns die Felder uͤberziehen.
Der Winter wirfft ſo dann der Gaͤrten-Schmuck ins Grab.
Von Schatten-reichen-Wald und Buͤſchen
Faͤllt ihr begruͤntes Haar herab.
Der wilde Nord-Wind fuͤhrt mit ſcharffen Ziſchen
Die ſtrenge Kaͤlt herbey, verſteint die Furchen, bindet
Und feſſelt Fluß und Bach. Es ſiehet alles hart,
Veroͤdet, traurig aus,
Die Nahrungs-Krafft verſchwindet,
Der feuchte Safft empfindet
Nun kein Bewegen mehr;
Es liegt die Erd erſtarrt.
Sie ſcheinet traͤg. Es bleibt in ihrer Schooß entlaubt
Das Heer der Nahrungs-reichen-Sproſſen:
So lang der kalte Nord-Wind ſchnaubt,
Als unbeſeelet eingeſchloſſen.


Ein gar zu ſtrenger Froſt, ein’allzu ſtrenge Hitze,
Verheeren beyde Kraut und Bluͤht’.
Empfinden wir zu ſtarcke Sonnen-Blitze;
Wie, oder daß der Nord, der weiſſe Flocken ſpruͤht,
Den Morgen-Thau in Reiff verkehrt;
Wird Flora buntes Reich, weil ſie der Farben-Schein,
Durch feuchter Duͤnſte Huͤlff’ und Zufluß bloß allein
Jn ihrem Glantz erhaͤlt, wann’s Feld kein Naß mehr naͤhrt,
Ent-
R 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0293" n="263"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von den Jahrs-Zeiten.</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>ann &#x017F;ie nun fern von un&#x017F;erm Nord</l><lb/>
                <l>Und nach den Su&#x0364;d-Pol &#x017F;cheint zu fliehen,</l><lb/>
                <l>Bemercken wir bey allen Schritten dort,</l><lb/>
                <l>Wie Fro&#x017F;t und Eis bey uns die Felder u&#x0364;berziehen.</l><lb/>
                <l>Der <hi rendition="#fr">Winter</hi> wirfft &#x017F;o dann der Ga&#x0364;rten-Schmuck ins Grab.</l><lb/>
                <l>Von Schatten-reichen-Wald und Bu&#x0364;&#x017F;chen</l><lb/>
                <l>Fa&#x0364;llt ihr begru&#x0364;ntes Haar herab.</l><lb/>
                <l>Der wilde Nord-Wind fu&#x0364;hrt mit &#x017F;charffen Zi&#x017F;chen</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;trenge Ka&#x0364;lt herbey, ver&#x017F;teint die Furchen, bindet</l><lb/>
                <l>Und fe&#x017F;&#x017F;elt Fluß und Bach. Es &#x017F;iehet alles hart,</l><lb/>
                <l>Vero&#x0364;det, traurig aus,</l><lb/>
                <l>Die Nahrungs-Krafft ver&#x017F;chwindet,</l><lb/>
                <l>Der feuchte Safft empfindet</l><lb/>
                <l>Nun kein Bewegen mehr;</l><lb/>
                <l>Es liegt die Erd er&#x017F;tarrt.</l><lb/>
                <l>Sie &#x017F;cheinet tra&#x0364;g. Es bleibt in ihrer Schooß entlaubt</l><lb/>
                <l>Das Heer der Nahrungs-reichen-Spro&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
                <l>So lang der kalte Nord-Wind &#x017F;chnaubt,</l><lb/>
                <l>Als unbe&#x017F;eelet einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">E</hi>in gar zu &#x017F;trenger Fro&#x017F;t, ein&#x2019;allzu &#x017F;trenge Hitze,</l><lb/>
                <l>Verheeren beyde Kraut und Blu&#x0364;ht&#x2019;.</l><lb/>
                <l>Empfinden wir zu &#x017F;tarcke Sonnen-Blitze;</l><lb/>
                <l>Wie, oder daß der Nord, der wei&#x017F;&#x017F;e Flocken &#x017F;pru&#x0364;ht,</l><lb/>
                <l>Den Morgen-Thau in Reiff verkehrt;</l><lb/>
                <l>Wird Flora buntes Reich, weil &#x017F;ie der Farben-Schein,</l><lb/>
                <l>Durch feuchter Du&#x0364;n&#x017F;te Hu&#x0364;lff&#x2019; und Zufluß bloß allein</l><lb/>
                <l>Jn ihrem Glantz erha&#x0364;lt, wann&#x2019;s Feld kein Naß mehr na&#x0364;hrt,</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">R 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Ent-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0293] Von den Jahrs-Zeiten. Wann ſie nun fern von unſerm Nord Und nach den Suͤd-Pol ſcheint zu fliehen, Bemercken wir bey allen Schritten dort, Wie Froſt und Eis bey uns die Felder uͤberziehen. Der Winter wirfft ſo dann der Gaͤrten-Schmuck ins Grab. Von Schatten-reichen-Wald und Buͤſchen Faͤllt ihr begruͤntes Haar herab. Der wilde Nord-Wind fuͤhrt mit ſcharffen Ziſchen Die ſtrenge Kaͤlt herbey, verſteint die Furchen, bindet Und feſſelt Fluß und Bach. Es ſiehet alles hart, Veroͤdet, traurig aus, Die Nahrungs-Krafft verſchwindet, Der feuchte Safft empfindet Nun kein Bewegen mehr; Es liegt die Erd erſtarrt. Sie ſcheinet traͤg. Es bleibt in ihrer Schooß entlaubt Das Heer der Nahrungs-reichen-Sproſſen: So lang der kalte Nord-Wind ſchnaubt, Als unbeſeelet eingeſchloſſen. Ein gar zu ſtrenger Froſt, ein’allzu ſtrenge Hitze, Verheeren beyde Kraut und Bluͤht’. Empfinden wir zu ſtarcke Sonnen-Blitze; Wie, oder daß der Nord, der weiſſe Flocken ſpruͤht, Den Morgen-Thau in Reiff verkehrt; Wird Flora buntes Reich, weil ſie der Farben-Schein, Durch feuchter Duͤnſte Huͤlff’ und Zufluß bloß allein Jn ihrem Glantz erhaͤlt, wann’s Feld kein Naß mehr naͤhrt, Ent- R 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/293
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/293>, abgerufen am 24.11.2024.