Wann sie nun fern von unserm Nord Und nach den Süd-Pol scheint zu fliehen, Bemercken wir bey allen Schritten dort, Wie Frost und Eis bey uns die Felder überziehen. Der Winter wirfft so dann der Gärten-Schmuck ins Grab. Von Schatten-reichen-Wald und Büschen Fällt ihr begrüntes Haar herab. Der wilde Nord-Wind führt mit scharffen Zischen Die strenge Kält herbey, versteint die Furchen, bindet Und fesselt Fluß und Bach. Es siehet alles hart, Verödet, traurig aus, Die Nahrungs-Krafft verschwindet, Der feuchte Safft empfindet Nun kein Bewegen mehr; Es liegt die Erd erstarrt. Sie scheinet träg. Es bleibt in ihrer Schooß entlaubt Das Heer der Nahrungs-reichen-Sprossen: So lang der kalte Nord-Wind schnaubt, Als unbeseelet eingeschlossen.
Ein gar zu strenger Frost, ein'allzu strenge Hitze, Verheeren beyde Kraut und Blüht'. Empfinden wir zu starcke Sonnen-Blitze; Wie, oder daß der Nord, der weisse Flocken sprüht, Den Morgen-Thau in Reiff verkehrt; Wird Flora buntes Reich, weil sie der Farben-Schein, Durch feuchter Dünste Hülff' und Zufluß bloß allein Jn ihrem Glantz erhält, wann's Feld kein Naß mehr nährt,
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Von den Jahrs-Zeiten.
Wann ſie nun fern von unſerm Nord Und nach den Suͤd-Pol ſcheint zu fliehen, Bemercken wir bey allen Schritten dort, Wie Froſt und Eis bey uns die Felder uͤberziehen. Der Winter wirfft ſo dann der Gaͤrten-Schmuck ins Grab. Von Schatten-reichen-Wald und Buͤſchen Faͤllt ihr begruͤntes Haar herab. Der wilde Nord-Wind fuͤhrt mit ſcharffen Ziſchen Die ſtrenge Kaͤlt herbey, verſteint die Furchen, bindet Und feſſelt Fluß und Bach. Es ſiehet alles hart, Veroͤdet, traurig aus, Die Nahrungs-Krafft verſchwindet, Der feuchte Safft empfindet Nun kein Bewegen mehr; Es liegt die Erd erſtarrt. Sie ſcheinet traͤg. Es bleibt in ihrer Schooß entlaubt Das Heer der Nahrungs-reichen-Sproſſen: So lang der kalte Nord-Wind ſchnaubt, Als unbeſeelet eingeſchloſſen.
Ein gar zu ſtrenger Froſt, ein’allzu ſtrenge Hitze, Verheeren beyde Kraut und Bluͤht’. Empfinden wir zu ſtarcke Sonnen-Blitze; Wie, oder daß der Nord, der weiſſe Flocken ſpruͤht, Den Morgen-Thau in Reiff verkehrt; Wird Flora buntes Reich, weil ſie der Farben-Schein, Durch feuchter Duͤnſte Huͤlff’ und Zufluß bloß allein Jn ihrem Glantz erhaͤlt, wann’s Feld kein Naß mehr naͤhrt,
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Von den Jahrs-Zeiten.
Wann ſie nun fern von unſerm Nord
Und nach den Suͤd-Pol ſcheint zu fliehen,
Bemercken wir bey allen Schritten dort,
Wie Froſt und Eis bey uns die Felder uͤberziehen.
Der Winter wirfft ſo dann der Gaͤrten-Schmuck ins Grab.
Von Schatten-reichen-Wald und Buͤſchen
Faͤllt ihr begruͤntes Haar herab.
Der wilde Nord-Wind fuͤhrt mit ſcharffen Ziſchen
Die ſtrenge Kaͤlt herbey, verſteint die Furchen, bindet
Und feſſelt Fluß und Bach. Es ſiehet alles hart,
Veroͤdet, traurig aus,
Die Nahrungs-Krafft verſchwindet,
Der feuchte Safft empfindet
Nun kein Bewegen mehr;
Es liegt die Erd erſtarrt.
Sie ſcheinet traͤg. Es bleibt in ihrer Schooß entlaubt
Das Heer der Nahrungs-reichen-Sproſſen:
So lang der kalte Nord-Wind ſchnaubt,
Als unbeſeelet eingeſchloſſen.
Ein gar zu ſtrenger Froſt, ein’allzu ſtrenge Hitze,
Verheeren beyde Kraut und Bluͤht’.
Empfinden wir zu ſtarcke Sonnen-Blitze;
Wie, oder daß der Nord, der weiſſe Flocken ſpruͤht,
Den Morgen-Thau in Reiff verkehrt;
Wird Flora buntes Reich, weil ſie der Farben-Schein,
Durch feuchter Duͤnſte Huͤlff’ und Zufluß bloß allein
Jn ihrem Glantz erhaͤlt, wann’s Feld kein Naß mehr naͤhrt,
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/293>, abgerufen am 16.07.2024.
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