Wenn wir nun aber recht, und wie wir sollen, Von der Materie gedencken wollen; So muß man nicht auf das, was sich verändert, achten, Man muß dieselbe nicht betrachten Nach einem Zufall, welcher flüchtig: Es wird, von unsrer Geister Krafft, Nicht die Materie erkennet Durch das, was man die Eigenschafft Jn Cörpern nennet, Kalt, Trocken, Warm, Weich, Hart und Feucht, Geruch, Geschmack und Farben, Schwer und Leicht. Sie wird von uns allein erkannt Dadurch bloß, daß sie Ausgespannt.
Wir können Cörper ohn Gewicht, Ohn Farben, sonder Hitz' und Kält', und Festigkeit, Ohn Regung, ohn Geschmack und ohn Geruch, zwar fassen; Doch will sich die Natur derselben nicht Ohn' eine Tieffe, Läng' und Breite, fassen lassen. Man mag sich, was man will, für eine Ausnahm machen; So stellen sich doch alle Sachen Mit ihrer Maaß und ihren Gränzen dar: Demnach ist dieses klar Und helle, Daß der Materie ihr wahres Wesen Sey: Daß sie ausgedehnt. Drum ist der Cörper Stelle, Die man die Jnnre nennt, allein Der Cörper Leib und wahres Seyn. Die aber, so man nennet Aeusserlich,
Sind
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Von den Eigenſchafften der Materie.
Wenn wir nun aber recht, und wie wir ſollen, Von der Materie gedencken wollen; So muß man nicht auf das, was ſich veraͤndert, achten, Man muß dieſelbe nicht betrachten Nach einem Zufall, welcher fluͤchtig: Es wird, von unſrer Geiſter Krafft, Nicht die Materie erkennet Durch das, was man die Eigenſchafft Jn Coͤrpern nennet, Kalt, Trocken, Warm, Weich, Hart und Feucht, Geruch, Geſchmack und Farben, Schwer und Leicht. Sie wird von uns allein erkannt Dadurch bloß, daß ſie Ausgeſpannt.
Wir koͤnnen Coͤrper ohn Gewicht, Ohn Farben, ſonder Hitz’ und Kaͤlt’, und Feſtigkeit, Ohn Regung, ohn Geſchmack und ohn Geruch, zwar faſſen; Doch will ſich die Natur derſelben nicht Ohn’ eine Tieffe, Laͤng’ und Breite, faſſen laſſen. Man mag ſich, was man will, fuͤr eine Ausnahm machen; So ſtellen ſich doch alle Sachen Mit ihrer Maaß und ihren Graͤnzen dar: Demnach iſt dieſes klar Und helle, Daß der Materie ihr wahres Weſen Sey: Daß ſie ausgedehnt. Drum iſt der Coͤrper Stelle, Die man die Jnnre nennt, allein Der Coͤrper Leib und wahres Seyn. Die aber, ſo man nennet Aeuſſerlich,
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[83/0113]
Von den Eigenſchafften der Materie.
Wenn wir nun aber recht, und wie wir ſollen,
Von der Materie gedencken wollen;
So muß man nicht auf das, was ſich veraͤndert, achten,
Man muß dieſelbe nicht betrachten
Nach einem Zufall, welcher fluͤchtig:
Es wird, von unſrer Geiſter Krafft,
Nicht die Materie erkennet
Durch das, was man die Eigenſchafft
Jn Coͤrpern nennet,
Kalt, Trocken, Warm, Weich, Hart und Feucht,
Geruch, Geſchmack und Farben, Schwer und Leicht.
Sie wird von uns allein erkannt
Dadurch bloß, daß ſie Ausgeſpannt.
Wir koͤnnen Coͤrper ohn Gewicht,
Ohn Farben, ſonder Hitz’ und Kaͤlt’, und Feſtigkeit,
Ohn Regung, ohn Geſchmack und ohn Geruch, zwar faſſen;
Doch will ſich die Natur derſelben nicht
Ohn’ eine Tieffe, Laͤng’ und Breite, faſſen laſſen.
Man mag ſich, was man will, fuͤr eine Ausnahm machen;
So ſtellen ſich doch alle Sachen
Mit ihrer Maaß und ihren Graͤnzen dar:
Demnach iſt dieſes klar
Und helle,
Daß der Materie ihr wahres Weſen
Sey: Daß ſie ausgedehnt. Drum iſt der Coͤrper Stelle,
Die man die Jnnre nennt, allein
Der Coͤrper Leib und wahres Seyn.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/113>, abgerufen am 27.07.2024.
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