Man findet immer mehr, die Lust wird immer grösser, Je länger man sie sieht. Jch muß es selbst gestehn: Jch hab' es gleichfalls nicht vorher gesehn, Jch hab' es nicht geglaubt, daß sie so vielerley Vergnügen hegeten, daß gar mit ihrer Zier Auch uns're Freude wüchs' und jedes Gräsgen schier An Anmut unerschöpflich sey; Da man zuletzt mit Freuden in der That Sich durchs Geschöpf zum Schöpfer naht. Absonderlich hat GOtt in uns're Brust Empfindlichkeit und Lust Für Wechsel und Veränderung geleg't: Doch die Gewohnheit, wie sie pfleg't, Weiß auch so gar dieß herrliche Vergnügen Bey Menschen, leider! zu besiegen.
Es ändert sich das nimmer stille Jahr, Und bringt uns immer neuen Segen; Man wird es aber nicht gewahr, Weil wir die Aenderung der Zeiten nicht erwegen. Lenz, Sommer, Herbst und Winter kommen Durch's nah- und ferne Sonnen-Licht; Weil aber alles dieß nur allgemach geschicht; So wird es nicht in Acht genommen.
Hat GOtt gleich durch den Mond das Jahr selbst einge- teilet; So achtet man doch nicht darauf: Nachdem dieß rege Licht bald zu bald von uns eilet; Nimmt jeder Monat seinen Lauf: Wir lassen ihn gelassen gehn, Und, nicht viel besser als das Vieh,
Nimmt
Man findet immer mehr, die Luſt wird immer groͤſſer, Je laͤnger man ſie ſieht. Jch muß es ſelbſt geſtehn: Jch hab’ es gleichfalls nicht vorher geſehn, Jch hab’ es nicht geglaubt, daß ſie ſo vielerley Vergnuͤgen hegeten, daß gar mit ihrer Zier Auch unſ’re Freude wuͤchſ’ und jedes Graͤsgen ſchier An Anmut unerſchoͤpflich ſey; Da man zuletzt mit Freuden in der That Sich durchs Geſchoͤpf zum Schoͤpfer naht. Abſonderlich hat GOtt in unſ’re Bruſt Empfindlichkeit und Luſt Fuͤr Wechſel und Veraͤnderung geleg’t: Doch die Gewohnheit, wie ſie pfleg’t, Weiß auch ſo gar dieß herrliche Vergnuͤgen Bey Menſchen, leider! zu beſiegen.
Es aͤndert ſich das nimmer ſtille Jahr, Und bringt uns immer neuen Segen; Man wird es aber nicht gewahr, Weil wir die Aenderung der Zeiten nicht erwegen. Lenz, Sommer, Herbſt und Winter kommen Durch’s nah- und ferne Sonnen-Licht; Weil aber alles dieß nur allgemach geſchicht; So wird es nicht in Acht genommen.
Hat GOtt gleich durch den Mond das Jahr ſelbſt einge- teilet; So achtet man doch nicht darauf: Nachdem dieß rege Licht bald zu bald von uns eilet; Nimmt jeder Monat ſeinen Lauf: Wir laſſen ihn gelaſſen gehn, Und, nicht viel beſſer als das Vieh,
Nimmt
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Man findet immer mehr, die Luſt wird immer groͤſſer,
Je laͤnger man ſie ſieht. Jch muß es ſelbſt geſtehn:
Jch hab’ es gleichfalls nicht vorher geſehn,
Jch hab’ es nicht geglaubt, daß ſie ſo vielerley
Vergnuͤgen hegeten, daß gar mit ihrer Zier
Auch unſ’re Freude wuͤchſ’ und jedes Graͤsgen ſchier
An Anmut unerſchoͤpflich ſey;
Da man zuletzt mit Freuden in der That
Sich durchs Geſchoͤpf zum Schoͤpfer naht.
Abſonderlich hat GOtt in unſ’re Bruſt
Empfindlichkeit und Luſt
Fuͤr Wechſel und Veraͤnderung geleg’t:
Doch die Gewohnheit, wie ſie pfleg’t,
Weiß auch ſo gar dieß herrliche Vergnuͤgen
Bey Menſchen, leider! zu beſiegen.
Es aͤndert ſich das nimmer ſtille Jahr,
Und bringt uns immer neuen Segen;
Man wird es aber nicht gewahr,
Weil wir die Aenderung der Zeiten nicht erwegen.
Lenz, Sommer, Herbſt und Winter kommen
Durch’s nah- und ferne Sonnen-Licht;
Weil aber alles dieß nur allgemach geſchicht;
So wird es nicht in Acht genommen.
Hat GOtt gleich durch den Mond das Jahr ſelbſt einge-
teilet;
So achtet man doch nicht darauf:
Nachdem dieß rege Licht bald zu bald von uns eilet;
Nimmt jeder Monat ſeinen Lauf:
Wir laſſen ihn gelaſſen gehn,
Und, nicht viel beſſer als das Vieh,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/504>, abgerufen am 23.11.2024.
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