Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.
Sich etwas, das geschicht, zu tadeln unterstehen, Heisst dieses nicht, das Nichts der Menschen ganz vergessen, Wenn wir des Schöpfers Geist nach unserm Geiste messen? Da die Gerechtigkeit der Menschen, wie ein Kleid, Das ganz besudelt, ist; kann die Gerechtigkeit Des Allerhöchsten, die allein Vollkommen heilig ist, damit verglichen seyn? Aus dieser Hochmuts Qvell entspringt und kommt ein Meer Von Ungeduld und Bosheit her. Denn wär die Menschheit überführet, Daß GOtt auf and're Weis' und zwar mit Recht regieret; So sähen wir gewiß mit mehr Gelassenheit, Die GOtt allein gefallen kann, Die Göttliche Gewalt, Macht, Liebe, Herrlichkeit, Gerechtigkeit und Weisheit an. Denn daß ich dieß nicht weiß, Dieß eben stellet mir Zugleich in meinem Nichts das All der Gottheit für, Und zeigt mir, daß kein Mensch, ein GOtt, den Zepter führet, Auch daß GOtt, als ein GOtt, nicht als ein Mensch, regieret. Denn, daß der Mensch von Dingen, die geschehen, Den Grund, Zusammenhang und Endzweck zu verstehen, Auch gar nach seinem Witz sie abzumessen sucht, Und folglich unrecht heisst, was er gleichwol nicht fasst, Jst des verfluchten Hochmuts Frucht. Verstünden wir, warum die Dinge Auf Erden so und anders nicht geschehn, Und wie aus jenem dieß, aus diesem das, entspringe, Ja F f 3
Sich etwas, das geſchicht, zu tadeln unterſtehen, Heiſſt dieſes nicht, das Nichts der Menſchen ganz vergeſſen, Wenn wir des Schoͤpfers Geiſt nach unſerm Geiſte meſſen? Da die Gerechtigkeit der Menſchen, wie ein Kleid, Das ganz beſudelt, iſt; kann die Gerechtigkeit Des Allerhoͤchſten, die allein Vollkommen heilig iſt, damit verglichen ſeyn? Aus dieſer Hochmuts Qvell entſpringt und kommt ein Meer Von Ungeduld und Boſheit her. Denn waͤr die Menſchheit uͤberfuͤhret, Daß GOtt auf and’re Weiſ’ und zwar mit Recht regieret; So ſaͤhen wir gewiß mit mehr Gelaſſenheit, Die GOtt allein gefallen kann, Die Goͤttliche Gewalt, Macht, Liebe, Herrlichkeit, Gerechtigkeit und Weiſheit an. Denn daß ich dieß nicht weiß, Dieß eben ſtellet mir Zugleich in meinem Nichts das All der Gottheit fuͤr, Und zeigt mir, daß kein Menſch, ein GOtt, den Zepter fuͤhret, Auch daß GOtt, als ein GOtt, nicht als ein Menſch, regieret. Denn, daß der Menſch von Dingen, die geſchehen, Den Grund, Zuſammenhang und Endzweck zu verſtehen, Auch gar nach ſeinem Witz ſie abzumeſſen ſucht, Und folglich unrecht heiſſt, was er gleichwol nicht faſſt, Jſt des verfluchten Hochmuts Frucht. Verſtuͤnden wir, warum die Dinge Auf Erden ſo und anders nicht geſchehn, Und wie aus jenem dieß, aus dieſem das, entſpringe, Ja F f 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg n="43"> <l><pb facs="#f0489" n="453"/> Sich etwas, das geſchicht, zu tadeln unterſtehen,</l><lb/> <l>Da nichts geſchehen kann, was nicht vorher verſehen?</l> </lg><lb/> <lg n="44"> <l>Heiſſt dieſes nicht, das Nichts der Menſchen ganz vergeſſen,</l><lb/> <l>Wenn wir des Schoͤpfers Geiſt nach unſerm Geiſte meſſen?</l><lb/> <l>Da die Gerechtigkeit der Menſchen, wie ein Kleid,</l><lb/> <l>Das ganz beſudelt, iſt; kann die Gerechtigkeit</l><lb/> <l>Des Allerhoͤchſten, die allein</l><lb/> <l>Vollkommen heilig iſt, damit verglichen ſeyn?</l><lb/> <l>Aus dieſer Hochmuts Qvell entſpringt und kommt ein Meer</l><lb/> <l>Von Ungeduld und Boſheit her.</l><lb/> <l>Denn waͤr die Menſchheit uͤberfuͤhret,</l><lb/> <l>Daß GOtt auf and’re Weiſ’ und zwar mit Recht regieret;</l><lb/> <l>So ſaͤhen wir gewiß mit mehr Gelaſſenheit,</l><lb/> <l>Die GOtt allein gefallen kann,</l><lb/> <l>Die Goͤttliche Gewalt, Macht, Liebe, Herrlichkeit,</l><lb/> <l>Gerechtigkeit und Weiſheit an.</l><lb/> <l>Denn daß ich dieß nicht weiß,</l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Dieß eben ſtellet mir</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Zugleich in meinem Nichts das All der Gottheit fuͤr,</hi> </l><lb/> <l>Und zeigt mir, daß kein Menſch, ein GOtt, den Zepter fuͤhret,</l><lb/> <l>Auch daß GOtt, als ein GOtt, nicht als ein Menſch, regieret.</l><lb/> <l>Denn, daß der Menſch von Dingen, die geſchehen,</l><lb/> <l>Den Grund, Zuſammenhang und Endzweck zu verſtehen,</l><lb/> <l>Auch gar nach ſeinem Witz ſie abzumeſſen ſucht,</l><lb/> <l>Und folglich unrecht heiſſt, was er gleichwol nicht faſſt,</l><lb/> <l>Jſt des verfluchten Hochmuts Frucht.</l><lb/> <l>Verſtuͤnden wir, warum die Dinge</l><lb/> <l>Auf Erden ſo und anders nicht geſchehn,</l><lb/> <l>Und wie aus jenem dieß, aus dieſem das, entſpringe,</l><lb/> <l> <fw place="bottom" type="sig">F f 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">Ja</fw><lb/> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [453/0489]
Sich etwas, das geſchicht, zu tadeln unterſtehen,
Da nichts geſchehen kann, was nicht vorher verſehen?
Heiſſt dieſes nicht, das Nichts der Menſchen ganz vergeſſen,
Wenn wir des Schoͤpfers Geiſt nach unſerm Geiſte meſſen?
Da die Gerechtigkeit der Menſchen, wie ein Kleid,
Das ganz beſudelt, iſt; kann die Gerechtigkeit
Des Allerhoͤchſten, die allein
Vollkommen heilig iſt, damit verglichen ſeyn?
Aus dieſer Hochmuts Qvell entſpringt und kommt ein Meer
Von Ungeduld und Boſheit her.
Denn waͤr die Menſchheit uͤberfuͤhret,
Daß GOtt auf and’re Weiſ’ und zwar mit Recht regieret;
So ſaͤhen wir gewiß mit mehr Gelaſſenheit,
Die GOtt allein gefallen kann,
Die Goͤttliche Gewalt, Macht, Liebe, Herrlichkeit,
Gerechtigkeit und Weiſheit an.
Denn daß ich dieß nicht weiß,
Dieß eben ſtellet mir
Zugleich in meinem Nichts das All der Gottheit fuͤr,
Und zeigt mir, daß kein Menſch, ein GOtt, den Zepter fuͤhret,
Auch daß GOtt, als ein GOtt, nicht als ein Menſch, regieret.
Denn, daß der Menſch von Dingen, die geſchehen,
Den Grund, Zuſammenhang und Endzweck zu verſtehen,
Auch gar nach ſeinem Witz ſie abzumeſſen ſucht,
Und folglich unrecht heiſſt, was er gleichwol nicht faſſt,
Jſt des verfluchten Hochmuts Frucht.
Verſtuͤnden wir, warum die Dinge
Auf Erden ſo und anders nicht geſchehn,
Und wie aus jenem dieß, aus dieſem das, entſpringe,
Ja
F f 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |