Ja das ist wahr, du denk'st. Allein was denkest du? Viel unnütz böses Zeug. Wenn ich mein denken lenke Aufs Vieh; so schreib' ich ihm zwar nicht solch denken zu, Als wie das deinige. Es denket nicht so viel, So mancherley, wie du; allein von seinem Ziel Entfernt sich keines so. Das, was man Triebe nennet, Jrr't weniger, als das, was dein geschwoll'ner Geist Selbst Schlüsse der Vernunft und sich're Folgen heisst, Da ja der klüg'ste Mensch fast nichts recht gründlich kennet. Der Mensch erinnert sich deß, was er einst gethan. Das wird ja, sagest du, gewiß den Thieren fehlen. Ach nein: ich könnte dir von Hunden viel erzehlen; Denn würklich, was bey dir, geht auch bey ihnen an. Wie viel Vergnüglichkeit, wie viel Veränderung Hat nicht der kluge Mensch? Der Lust Verwechselung Gibt uns ja wol mit Recht ein Vor-Recht über sie. Allein lässt nicht ein Vieh Hingegen eine Ruh' und eine sanfte Stille Jn allem seinem Thun verspüren? Jst sein Wille Durch wilde Leidenschaft, wie dein Gemüt, geplag't? Die Ruhe, die bey euch kein Philosoph' erjag't, Besitz't es ohne Müh', und die Gelassenheit, Die auch dem klüg'sten fel't, vermindert ihm sein Leid. Ey, fähr'st du weiter fort: da ich die klugen Thiere Bezwingen, fangen kann, sie straf' und sie regiere; So muß ich ja viel mehr und klüger seyn, als sie. Gefel't! weil sonst ein Hecht, ein Habicht und ein Bär Viel besser, als ein Pferd, ein Lachs, ein Feld-Hun wär: Ja, ginge dieser Schluß, den du hier machest, an;
So
Ja das iſt wahr, du denk’ſt. Allein was denkeſt du? Viel unnuͤtz boͤſes Zeug. Wenn ich mein denken lenke Aufs Vieh; ſo ſchreib’ ich ihm zwar nicht ſolch denken zu, Als wie das deinige. Es denket nicht ſo viel, So mancherley, wie du; allein von ſeinem Ziel Entfernt ſich keines ſo. Das, was man Triebe nennet, Jrr’t weniger, als das, was dein geſchwoll’ner Geiſt Selbſt Schluͤſſe der Vernunft und ſich’re Folgen heiſſt, Da ja der kluͤg’ſte Menſch faſt nichts recht gruͤndlich kennet. Der Menſch erinnert ſich deß, was er einſt gethan. Das wird ja, ſageſt du, gewiß den Thieren fehlen. Ach nein: ich koͤnnte dir von Hunden viel erzehlen; Denn wuͤrklich, was bey dir, geht auch bey ihnen an. Wie viel Vergnuͤglichkeit, wie viel Veraͤnderung Hat nicht der kluge Menſch? Der Luſt Verwechſelung Gibt uns ja wol mit Recht ein Vor-Recht uͤber ſie. Allein laͤſſt nicht ein Vieh Hingegen eine Ruh’ und eine ſanfte Stille Jn allem ſeinem Thun verſpuͤren? Jſt ſein Wille Durch wilde Leidenſchaft, wie dein Gemuͤt, geplag’t? Die Ruhe, die bey euch kein Philoſoph’ erjag’t, Beſitz’t es ohne Muͤh’, und die Gelaſſenheit, Die auch dem kluͤg’ſten fel’t, vermindert ihm ſein Leid. Ey, faͤhr’ſt du weiter fort: da ich die klugen Thiere Bezwingen, fangen kann, ſie ſtraf’ und ſie regiere; So muß ich ja viel mehr und kluͤger ſeyn, als ſie. Gefel’t! weil ſonſt ein Hecht, ein Habicht und ein Baͤr Viel beſſer, als ein Pferd, ein Lachs, ein Feld-Hun waͤr: Ja, ginge dieſer Schluß, den du hier macheſt, an;
So
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgn="37"><l><pbfacs="#f0483"n="447"/>
Ja das iſt wahr, du denk’ſt. Allein was denkeſt du?</l><lb/><l>Viel unnuͤtz boͤſes Zeug. Wenn ich mein denken lenke</l><lb/><l>Aufs Vieh; ſo ſchreib’ ich ihm zwar nicht ſolch denken zu,</l><lb/><l>Als wie das deinige. Es denket nicht ſo viel,</l><lb/><l>So mancherley, wie du; allein von ſeinem Ziel</l><lb/><l>Entfernt ſich keines ſo. Das, was man Triebe nennet,</l><lb/><l>Jrr’t weniger, als das, was dein geſchwoll’ner Geiſt</l><lb/><l>Selbſt Schluͤſſe der Vernunft und ſich’re Folgen heiſſt,</l><lb/><l>Da ja der kluͤg’ſte Menſch faſt nichts recht gruͤndlich kennet.</l><lb/><l><hirendition="#fr">Der Menſch erinnert ſich deß, was er einſt gethan.</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">Das wird ja,</hi>ſageſt du, <hirendition="#fr">gewiß den Thieren fehlen.</hi></l><lb/><l>Ach nein: ich koͤnnte dir von Hunden viel erzehlen;</l><lb/><l>Denn wuͤrklich, was bey dir, geht auch bey ihnen an.</l><lb/><l><hirendition="#fr">Wie viel Vergnuͤglichkeit, wie viel Veraͤnderung</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">Hat nicht der kluge Menſch? Der Luſt Verwechſelung</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">Gibt uns ja wol mit Recht ein Vor-Recht uͤber ſie.</hi></l><lb/><l>Allein laͤſſt nicht ein Vieh</l><lb/><l>Hingegen eine Ruh’ und eine ſanfte Stille</l><lb/><l>Jn allem ſeinem Thun verſpuͤren? Jſt ſein Wille</l><lb/><l>Durch wilde Leidenſchaft, wie dein Gemuͤt, geplag’t?</l><lb/><l>Die Ruhe, die bey euch kein Philoſoph’ erjag’t,</l><lb/><l>Beſitz’t es ohne Muͤh’, und die Gelaſſenheit,</l><lb/><l>Die auch dem kluͤg’ſten fel’t, vermindert ihm ſein Leid.</l><lb/><l><hirendition="#fr">Ey,</hi> faͤhr’ſt du weiter fort: <hirendition="#fr">da ich die klugen Thiere</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">Bezwingen, fangen kann, ſie ſtraf’ und ſie regiere;</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">So muß ich ja viel mehr und kluͤger ſeyn, als ſie.</hi></l><lb/><l>Gefel’t! weil ſonſt ein Hecht, ein Habicht und ein Baͤr</l><lb/><l>Viel beſſer, als ein Pferd, ein Lachs, ein Feld-Hun waͤr:</l><lb/><l>Ja, ginge dieſer Schluß, den du hier macheſt, an;</l><lb/><l><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[447/0483]
Ja das iſt wahr, du denk’ſt. Allein was denkeſt du?
Viel unnuͤtz boͤſes Zeug. Wenn ich mein denken lenke
Aufs Vieh; ſo ſchreib’ ich ihm zwar nicht ſolch denken zu,
Als wie das deinige. Es denket nicht ſo viel,
So mancherley, wie du; allein von ſeinem Ziel
Entfernt ſich keines ſo. Das, was man Triebe nennet,
Jrr’t weniger, als das, was dein geſchwoll’ner Geiſt
Selbſt Schluͤſſe der Vernunft und ſich’re Folgen heiſſt,
Da ja der kluͤg’ſte Menſch faſt nichts recht gruͤndlich kennet.
Der Menſch erinnert ſich deß, was er einſt gethan.
Das wird ja, ſageſt du, gewiß den Thieren fehlen.
Ach nein: ich koͤnnte dir von Hunden viel erzehlen;
Denn wuͤrklich, was bey dir, geht auch bey ihnen an.
Wie viel Vergnuͤglichkeit, wie viel Veraͤnderung
Hat nicht der kluge Menſch? Der Luſt Verwechſelung
Gibt uns ja wol mit Recht ein Vor-Recht uͤber ſie.
Allein laͤſſt nicht ein Vieh
Hingegen eine Ruh’ und eine ſanfte Stille
Jn allem ſeinem Thun verſpuͤren? Jſt ſein Wille
Durch wilde Leidenſchaft, wie dein Gemuͤt, geplag’t?
Die Ruhe, die bey euch kein Philoſoph’ erjag’t,
Beſitz’t es ohne Muͤh’, und die Gelaſſenheit,
Die auch dem kluͤg’ſten fel’t, vermindert ihm ſein Leid.
Ey, faͤhr’ſt du weiter fort: da ich die klugen Thiere
Bezwingen, fangen kann, ſie ſtraf’ und ſie regiere;
So muß ich ja viel mehr und kluͤger ſeyn, als ſie.
Gefel’t! weil ſonſt ein Hecht, ein Habicht und ein Baͤr
Viel beſſer, als ein Pferd, ein Lachs, ein Feld-Hun waͤr:
Ja, ginge dieſer Schluß, den du hier macheſt, an;
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/483>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.