Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.
Die vormals Stadt und Land verher't, Wie ruhig, wie vergnüg't, Wie lieblich, sanft und stille Sah man das fette Vieh in tiefem Grase gehn, Wie emsig dort die Schar der Schnitter Aehren mäh'n, Voll hundert-facher Frucht! Mit Ueberfluß und Fülle Hat GOtt das Jahr gekrön't, da Seiner Füsse Spur Recht troff von Oel und Wein. Hat jemals die Natur Uns freundlich angelacht, uns liebreich angeblicket; So ist es ja wol recht in vor'gem Jahr geschehn. Was haben wir für Wunder angesehn? Was hat der Himmel uns für Segen zugeschicket, Wann er durch Sonnenschein uns holde Wärme gab, Bald sanfte Winde sandt, bald lauen Regen sprühte? Was wandte GOtt von uns für viele Plagen ab? Kein Mehl-Thau sengete das Korn, kein Blitz die Blühte; Es war so Luft als Land vom Ungeziefer leer. Kein fressigs Raupen-Heer Zerbiß die junge Frucht, bespann den krummen Ast; Kein Heuschreck zeigte sich, kein Kefer fraß die Mast; Man sah gar keine Maden Den mit der Blüht' annoch bekrön'ten Aepfeln schaden, Wie jährlich sonst geschicht, da man die Bluhmen sieht, Wenn sie der falsche Wurm gemach zusammen zieht, (Als wären sie verbrannt) verdorren und vergehen, Und die verhoffte Frucht vom dürren Stiel verwehen. Nein, jede Bluhme blieb; nein, alle Früchte reiften, Und
Die vormals Stadt und Land verher’t, Wie ruhig, wie vergnuͤg’t, Wie lieblich, ſanft und ſtille Sah man das fette Vieh in tiefem Graſe gehn, Wie emſig dort die Schar der Schnitter Aehren maͤh’n, Voll hundert-facher Frucht! Mit Ueberfluß und Fuͤlle Hat GOtt das Jahr gekroͤn’t, da Seiner Fuͤſſe Spur Recht troff von Oel und Wein. Hat jemals die Natur Uns freundlich angelacht, uns liebreich angeblicket; So iſt es ja wol recht in vor’gem Jahr geſchehn. Was haben wir fuͤr Wunder angeſehn? Was hat der Himmel uns fuͤr Segen zugeſchicket, Wann er durch Sonnenſchein uns holde Waͤrme gab, Bald ſanfte Winde ſandt, bald lauen Regen ſpruͤhte? Was wandte GOtt von uns fuͤr viele Plagen ab? Kein Mehl-Thau ſengete das Korn, kein Blitz die Bluͤhte; Es war ſo Luft als Land vom Ungeziefer leer. Kein freſſigs Raupen-Heer Zerbiß die junge Frucht, beſpann den krummen Aſt; Kein Heuſchreck zeigte ſich, kein Kefer fraß die Maſt; Man ſah gar keine Maden Den mit der Bluͤht’ annoch bekroͤn’ten Aepfeln ſchaden, Wie jaͤhrlich ſonſt geſchicht, da man die Bluhmen ſieht, Wenn ſie der falſche Wurm gemach zuſammen zieht, (Als waͤren ſie verbrannt) verdorren und vergehen, Und die verhoffte Frucht vom duͤrren Stiel verwehen. Nein, jede Bluhme blieb; nein, alle Fruͤchte reiften, Und
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Die vormals Stadt und Land verher’t,
Hat das vergang’ne Jahr in Sicheln, Pfluͤg’ und Egen,
Zu vieler Laͤnder Heil, verkehrt.
Wie ruhig, wie vergnuͤg’t,
Wie lieblich, ſanft und ſtille
Sah man das fette Vieh in tiefem Graſe gehn,
Wie emſig dort die Schar der Schnitter Aehren maͤh’n,
Voll hundert-facher Frucht! Mit Ueberfluß und Fuͤlle
Hat GOtt das Jahr gekroͤn’t, da Seiner Fuͤſſe Spur
Recht troff von Oel und Wein. Hat jemals die Natur
Uns freundlich angelacht, uns liebreich angeblicket;
So iſt es ja wol recht in vor’gem Jahr geſchehn.
Was haben wir fuͤr Wunder angeſehn?
Was hat der Himmel uns fuͤr Segen zugeſchicket,
Wann er durch Sonnenſchein uns holde Waͤrme gab,
Bald ſanfte Winde ſandt, bald lauen Regen ſpruͤhte?
Was wandte GOtt von uns fuͤr viele Plagen ab?
Kein Mehl-Thau ſengete das Korn, kein Blitz die Bluͤhte;
Es war ſo Luft als Land vom Ungeziefer leer.
Kein freſſigs Raupen-Heer
Zerbiß die junge Frucht, beſpann den krummen Aſt;
Kein Heuſchreck zeigte ſich, kein Kefer fraß die Maſt;
Man ſah gar keine Maden
Den mit der Bluͤht’ annoch bekroͤn’ten Aepfeln ſchaden,
Wie jaͤhrlich ſonſt geſchicht, da man die Bluhmen ſieht,
Wenn ſie der falſche Wurm gemach zuſammen zieht,
(Als waͤren ſie verbrannt) verdorren und vergehen,
Und die verhoffte Frucht vom duͤrren Stiel verwehen.
Nein, jede Bluhme blieb; nein, alle Fruͤchte reiften,
Und
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