Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.
Vernichtigte vor mir Hier deucht mich, hör' ich dich, mein Leser, fragen: Wie ging denn dieses zu? Jch will dir's sagen. Der schnelle Wechsel-Sprung zur Finsterniß vom Licht, Vom Schmuck der Welt zu Nichts, entstand daher, Weil ich mein Augen-Lied ein wenig mehr Geschlossen hielt, als insgemein geschicht; Und bloß dadurch allein Verging für mich die Welt, verschwand des Himmels Schein. Ob dieß nun gleich von mir viel tausendmal geschehen; So hatt' ich doch, weil ich noch nie daran gedacht, Es würklich auch noch nie gesehen: Nun aber nam ich es in acht. Jch wiederhol'te dieß verschied'ne male wieder, Und fand, daß allemal der Schluß der Augen-Lieder Mich stürzt' in eine finst're Nacht. Mein GOtt! rief ich so gleich, ist dieses wol zu glauben? Vermag ein wenig Haut Mir, was Dein' Allmachts-Hand gebaut, Des Himmels Licht, der Erden Pracht zu rauben? Vermag sie mich von Millionen Freuden, Ja gleichsam selber von der Welt, Von aller Pracht, so sie enthält, Und zwar so Wunder-schnell, zu scheiden? Nachdem ich mich hierob ein wenig noch besann; Fing ich bestürzt von neuen an: Ach wie so schwach, wie so geringe Jst
Vernichtigte vor mir Hier deucht mich, hoͤr’ ich dich, mein Leſer, fragen: Wie ging denn dieſes zu? Jch will dir’s ſagen. Der ſchnelle Wechſel-Sprung zur Finſterniß vom Licht, Vom Schmuck der Welt zu Nichts, entſtand daher, Weil ich mein Augen-Lied ein wenig mehr Geſchloſſen hielt, als insgemein geſchicht; Und bloß dadurch allein Verging fuͤr mich die Welt, verſchwand des Himmels Schein. Ob dieß nun gleich von mir viel tauſendmal geſchehen; So hatt’ ich doch, weil ich noch nie daran gedacht, Es wuͤrklich auch noch nie geſehen: Nun aber nam ich es in acht. Jch wiederhol’te dieß verſchied’ne male wieder, Und fand, daß allemal der Schluß der Augen-Lieder Mich ſtuͤrzt’ in eine finſt’re Nacht. Mein GOtt! rief ich ſo gleich, iſt dieſes wol zu glauben? Vermag ein wenig Haut Mir, was Dein’ Allmachts-Hand gebaut, Des Himmels Licht, der Erden Pracht zu rauben? Vermag ſie mich von Millionen Freuden, Ja gleichſam ſelber von der Welt, Von aller Pracht, ſo ſie enthaͤlt, Und zwar ſo Wunder-ſchnell, zu ſcheiden? Nachdem ich mich hierob ein wenig noch beſann; Fing ich beſtuͤrzt von neuen an: Ach wie ſo ſchwach, wie ſo geringe Jſt
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Vernichtigte vor mir
Der ganzen Erde ganze Zier,
Ja raubte gleichſam mich mir ſelbſt, ich fand mich nicht.
Hier deucht mich, hoͤr’ ich dich, mein Leſer, fragen:
Wie ging denn dieſes zu? Jch will dir’s ſagen.
Der ſchnelle Wechſel-Sprung zur Finſterniß vom Licht,
Vom Schmuck der Welt zu Nichts, entſtand daher,
Weil ich mein Augen-Lied ein wenig mehr
Geſchloſſen hielt, als insgemein geſchicht;
Und bloß dadurch allein
Verging fuͤr mich die Welt, verſchwand des Himmels Schein.
Ob dieß nun gleich von mir viel tauſendmal geſchehen;
So hatt’ ich doch, weil ich noch nie daran gedacht,
Es wuͤrklich auch noch nie geſehen:
Nun aber nam ich es in acht.
Jch wiederhol’te dieß verſchied’ne male wieder,
Und fand, daß allemal der Schluß der Augen-Lieder
Mich ſtuͤrzt’ in eine finſt’re Nacht.
Mein GOtt! rief ich ſo gleich, iſt dieſes wol zu glauben?
Vermag ein wenig Haut
Mir, was Dein’ Allmachts-Hand gebaut,
Des Himmels Licht, der Erden Pracht zu rauben?
Vermag ſie mich von Millionen Freuden,
Ja gleichſam ſelber von der Welt,
Von aller Pracht, ſo ſie enthaͤlt,
Und zwar ſo Wunder-ſchnell, zu ſcheiden?
Nachdem ich mich hierob ein wenig noch beſann;
Fing ich beſtuͤrzt von neuen an:
Ach wie ſo ſchwach, wie ſo geringe
Jſt
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