Weil etwas, das so wunderschön, Nicht aus sich selbst entstehn, Sich selbst nicht bilden, kann. Dieß nem' ich an Als ein' Erinnerung, mit Ernst mich zu entfernen Von Lastern, weil ich in der Nähe Den, welcher alles siehet, sehe. Drum wünsch' ich so von Lastern rein, Wie euer weisses Kleid von Schwärz' und Schmutz, zu seyn. So oft wir euch, ihr holden Lilgen, Jn eurer Unschulds-Farb' erblicken, So lasst uns alle Laster tilgen. Ach lasst der Unschuld reines Kleid, Dem nahen GOtt zur Dankbarkeit, Jn Jhm vergnüg't, die Sele schmücken!
Wenn ich euch nachmals in der Nähe, Und zwar zuerst den Stengel sehe; Bewunder' ich die ganz gerade Höhe Samt seiner glatten Zierlichkeit, Woraus recht wunderlich Viel grüne glatte Blätter dringen, Und ohne Stiel den ganzen Stiel umringen, Um welchen sie mit sanft gebog'nen Spitzen, An Form den Flammen gleich, in schön'ster Ordnung sitzen. Auf ihrem Gipfel zeigt die schöne Bluhme sich Jn solcher Pracht und Majestät, Daß sie so wol an Farb' als an Figur Fast alle Bluhmen übergeht. Zu Anfang bildet sie die spielende Natur Jn lange Häupter, die zuletzt Sich öffnen, und so dann, Jndem sie allgemach sich abwärts beugen, Sechs Silber-weisse Blätter zeigen, Worau das Auge sich ergetzt,
Wenn
Weil etwas, das ſo wunderſchoͤn, Nicht aus ſich ſelbſt entſtehn, Sich ſelbſt nicht bilden, kann. Dieß nem’ ich an Als ein’ Erinnerung, mit Ernſt mich zu entfernen Von Laſtern, weil ich in der Naͤhe Den, welcher alles ſiehet, ſehe. Drum wuͤnſch’ ich ſo von Laſtern rein, Wie euer weiſſes Kleid von Schwaͤrz’ und Schmutz, zu ſeyn. So oft wir euch, ihr holden Lilgen, Jn eurer Unſchulds-Farb’ erblicken, So laſſt uns alle Laſter tilgen. Ach laſſt der Unſchuld reines Kleid, Dem nahen GOtt zur Dankbarkeit, Jn Jhm vergnuͤg’t, die Sele ſchmuͤcken!
Wenn ich euch nachmals in der Naͤhe, Und zwar zuerſt den Stengel ſehe; Bewunder’ ich die ganz gerade Hoͤhe Samt ſeiner glatten Zierlichkeit, Woraus recht wunderlich Viel gruͤne glatte Blaͤtter dringen, Und ohne Stiel den ganzen Stiel umringen, Um welchen ſie mit ſanft gebog’nen Spitzen, An Form den Flammen gleich, in ſchoͤn’ſter Ordnung ſitzen. Auf ihrem Gipfel zeigt die ſchoͤne Bluhme ſich Jn ſolcher Pracht und Majeſtaͤt, Daß ſie ſo wol an Farb’ als an Figur Faſt alle Bluhmen uͤbergeht. Zu Anfang bildet ſie die ſpielende Natur Jn lange Haͤupter, die zuletzt Sich oͤffnen, und ſo dann, Jndem ſie allgemach ſich abwaͤrts beugen, Sechs Silber-weiſſe Blaͤtter zeigen, Worau das Auge ſich ergetzt,
Wenn
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Weil etwas, das ſo wunderſchoͤn,</l><lb/><l>Nicht aus ſich ſelbſt entſtehn,</l><lb/><l>Sich ſelbſt nicht bilden, kann.</l><lb/><l>Dieß nem’ ich an</l><lb/><l>Als ein’ Erinnerung, mit Ernſt mich zu entfernen</l><lb/><l>Von Laſtern, weil ich in der Naͤhe</l><lb/><l>Den, welcher alles ſiehet, ſehe.</l><lb/><l>Drum wuͤnſch’ ich ſo von Laſtern rein,</l><lb/><l>Wie euer weiſſes Kleid von Schwaͤrz’ und Schmutz, zu ſeyn.</l><lb/><l>So oft wir euch, ihr holden Lilgen,</l><lb/><l>Jn eurer Unſchulds-Farb’ erblicken,</l><lb/><l>So laſſt uns alle Laſter tilgen.</l><lb/><l>Ach laſſt der Unſchuld reines Kleid,</l><lb/><l>Dem nahen GOtt zur Dankbarkeit,</l><lb/><l>Jn Jhm vergnuͤg’t, die Sele ſchmuͤcken!</l></lg><lb/><lgn="10"><l>Wenn ich euch nachmals in der Naͤhe,</l><lb/><l>Und zwar zuerſt den Stengel ſehe;</l><lb/><l>Bewunder’ ich die ganz gerade Hoͤhe</l><lb/><l>Samt ſeiner glatten Zierlichkeit,</l><lb/><l>Woraus recht wunderlich</l><lb/><l>Viel gruͤne glatte Blaͤtter dringen,</l><lb/><l>Und ohne Stiel den ganzen Stiel umringen,</l><lb/><l>Um welchen ſie mit ſanft gebog’nen Spitzen,</l><lb/><l>An Form den Flammen gleich, in ſchoͤn’ſter Ordnung ſitzen.</l><lb/><l>Auf ihrem Gipfel zeigt die ſchoͤne Bluhme ſich</l><lb/><l>Jn ſolcher Pracht und Majeſtaͤt,</l><lb/><l>Daß ſie ſo wol an Farb’ als an Figur</l><lb/><l>Faſt alle Bluhmen uͤbergeht.</l><lb/><l>Zu Anfang bildet ſie die ſpielende Natur</l><lb/><l>Jn lange Haͤupter, die zuletzt</l><lb/><l>Sich oͤffnen, und ſo dann,</l><lb/><l>Jndem ſie allgemach ſich abwaͤrts beugen,</l><lb/><l>Sechs Silber-weiſſe Blaͤtter zeigen,</l><lb/><l>Worau das Auge ſich ergetzt,</l><lb/><l><fwplace="bottom"type="catch">Wenn</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
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Weil etwas, das ſo wunderſchoͤn,
Nicht aus ſich ſelbſt entſtehn,
Sich ſelbſt nicht bilden, kann.
Dieß nem’ ich an
Als ein’ Erinnerung, mit Ernſt mich zu entfernen
Von Laſtern, weil ich in der Naͤhe
Den, welcher alles ſiehet, ſehe.
Drum wuͤnſch’ ich ſo von Laſtern rein,
Wie euer weiſſes Kleid von Schwaͤrz’ und Schmutz, zu ſeyn.
So oft wir euch, ihr holden Lilgen,
Jn eurer Unſchulds-Farb’ erblicken,
So laſſt uns alle Laſter tilgen.
Ach laſſt der Unſchuld reines Kleid,
Dem nahen GOtt zur Dankbarkeit,
Jn Jhm vergnuͤg’t, die Sele ſchmuͤcken!
Wenn ich euch nachmals in der Naͤhe,
Und zwar zuerſt den Stengel ſehe;
Bewunder’ ich die ganz gerade Hoͤhe
Samt ſeiner glatten Zierlichkeit,
Woraus recht wunderlich
Viel gruͤne glatte Blaͤtter dringen,
Und ohne Stiel den ganzen Stiel umringen,
Um welchen ſie mit ſanft gebog’nen Spitzen,
An Form den Flammen gleich, in ſchoͤn’ſter Ordnung ſitzen.
Auf ihrem Gipfel zeigt die ſchoͤne Bluhme ſich
Jn ſolcher Pracht und Majeſtaͤt,
Daß ſie ſo wol an Farb’ als an Figur
Faſt alle Bluhmen uͤbergeht.
Zu Anfang bildet ſie die ſpielende Natur
Jn lange Haͤupter, die zuletzt
Sich oͤffnen, und ſo dann,
Jndem ſie allgemach ſich abwaͤrts beugen,
Sechs Silber-weiſſe Blaͤtter zeigen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/126>, abgerufen am 21.11.2024.
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