Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.
Durch den gehemmten Glanz des Sonnen-Lichts. Bey Ueberlegung dieser Sachen Fiel folgendes von ungefehr mir ein: Kann bloß ein stärker Licht ein Licht zum Schatten machen; Wie dunkel muß so gar der Sonnen Schein Bey'm Stral der ew'gen Gottheit seyn! Wie undurchdringlich licht, wie unbeschreiblich helle Muß aller Sonnen Sonn' und Qvelle Jn reiner Majestät unendlich, ohne Grenzen, Jn ew'ger reger Ruh', in sel'ger Klarheit, glänzen! Doch wie! wohin versteiget sich mein Geist? Jch weiß nicht einst, was Nacht und Schatten heisst, Und will das lichte Meer der Gottheit sehn, ergründen, Und deren Eigenschaften finden? Halt! aus gerechter Furcht, nicht gänzlich zu erblinden Bey diesem unerschaff'nen Schein, Zieht meine Demut schnell der Künheit Segel ein. Mit Sonnen-Stralen kann kein Maulwurfs-Blick sich gatten. Voll Ehrfurcht lenk' ich mich denn wieder zu dem Schatten, Jn welchem ich, Verwund'rungs-voll, entdecke, Wie etwas herrliches in seinem Wesen stecke. Vernimm
Durch den gehemmten Glanz des Sonnen-Lichts. Bey Ueberlegung dieſer Sachen Fiel folgendes von ungefehr mir ein: Kann bloß ein ſtaͤrker Licht ein Licht zum Schatten machen; Wie dunkel muß ſo gar der Sonnen Schein Bey’m Stral der ew’gen Gottheit ſeyn! Wie undurchdringlich licht, wie unbeſchreiblich helle Muß aller Sonnen Sonn’ und Qvelle Jn reiner Majeſtaͤt unendlich, ohne Grenzen, Jn ew’ger reger Ruh’, in ſel’ger Klarheit, glaͤnzen! Doch wie! wohin verſteiget ſich mein Geiſt? Jch weiß nicht einſt, was Nacht und Schatten heiſſt, Und will das lichte Meer der Gottheit ſehn, ergruͤnden, Und deren Eigenſchaften finden? Halt! aus gerechter Furcht, nicht gaͤnzlich zu erblinden Bey dieſem unerſchaff’nen Schein, Zieht meine Demut ſchnell der Kuͤnheit Segel ein. Mit Sonnen-Stralen kann kein Maulwurfs-Blick ſich gatten. Voll Ehrfurcht lenk’ ich mich denn wieder zu dem Schatten, Jn welchem ich, Verwund’rungs-voll, entdecke, Wie etwas herrliches in ſeinem Weſen ſtecke. Vernimm
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Durch den gehemmten Glanz des Sonnen-Lichts.
Jch hab’ es eigentlich verſpuͤret,
Als einſt ein Sonnen-Blick nicht gar zu ſchnell entſtand,
Und auch nicht gar zu ſchnell verſchwand.
Jch hatt’ auf eine gruͤne Stelle
Die Augen eben hingewandt;
Hierauf ward allgemach der Boden helle:
Jch ſah, als er von einem nahen Stamm
Die Bildung durch den Schatten nam,
Daß, durch den Stral der Sonnen unvertrieben,
Die vor’gen Farben alle blieben,
Und daß nur durch den Gegenſatz
Von einem groͤſſern Licht, was licht iſt, dunkel ſchien.
Bey Ueberlegung dieſer Sachen
Fiel folgendes von ungefehr mir ein:
Kann bloß ein ſtaͤrker Licht ein Licht zum Schatten machen;
Wie dunkel muß ſo gar der Sonnen Schein
Bey’m Stral der ew’gen Gottheit ſeyn!
Wie undurchdringlich licht, wie unbeſchreiblich helle
Muß aller Sonnen Sonn’ und Qvelle
Jn reiner Majeſtaͤt unendlich, ohne Grenzen,
Jn ew’ger reger Ruh’, in ſel’ger Klarheit, glaͤnzen!
Doch wie! wohin verſteiget ſich mein Geiſt?
Jch weiß nicht einſt, was Nacht und Schatten heiſſt,
Und will das lichte Meer der Gottheit ſehn, ergruͤnden,
Und deren Eigenſchaften finden?
Halt! aus gerechter Furcht, nicht gaͤnzlich zu erblinden
Bey dieſem unerſchaff’nen Schein,
Zieht meine Demut ſchnell der Kuͤnheit Segel ein.
Mit Sonnen-Stralen kann kein Maulwurfs-Blick ſich
gatten.
Voll Ehrfurcht lenk’ ich mich denn wieder zu dem Schatten,
Jn welchem ich, Verwund’rungs-voll, entdecke,
Wie etwas herrliches in ſeinem Weſen ſtecke.
Vernimm
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